# taz.de -- Krieg in Afrikas Sahelzone: Mit Terroristen reden?
       
       > In Burkina Faso und Mali wird darüber diskutiert, mit Terrorgruppen
       > Gespräche zu führen. Die Alternative: Immer mehr Gewalt.
       
 (IMG) Bild: In den Gebieten um Bobo Dioulasso, der zweitgrößten Stadt in Burkina Faso, gibt es immer mehr Gewalt
       
       OUAGADOUGOU taz | Außerhalb der Hauptstadt Ouagadougou ist Gewalt durch
       Banditen und Terroristen in Burkina Faso vielerorts präsent. Der
       Schwerpunkt der Gewalt liegt im Norden an der Grenze zu Mali, wo mehr als
       eine Million Menschen auf der Flucht sind. Insgesamt zählt Burkina Faso
       [1][über 1,4 Millionen Binnenflüchtlinge].
       
       Neuester Schauplatz ist aber auch der Südwesten, der an die Elfenbeinküste
       grenzt. Durch diese Gegend führt die wichtigste Straße in das Nachbarland,
       das seit Jahrzehnten wichtigstes Migrationsland für Burkinabè ist. Und
       rund um Bobo-Dioulasso, zweitgrößte Stadt des Landes, liegt Burkina Fasos
       Hauptanbaugebiet für Baumwolle, ein wichtiges Exportprodukt. Nach Angriffen
       auf umliegende Dörfer hat das Grenzstädtchen Mangodora seit September
       mehrere tausend Vertriebene aufgenommen.
       
       Durch verstärkte Militärpräsenz lässt sich diese Lage nicht ändern, da ist
       sich Adama Sawadogo sicher. Der Archäologe hat in Pobé-Mengao im Nordwesten
       des Landes ein Museum aufgebaut und geleitet. Heute lebt er als
       Binnenflüchtling in Ouagadougou. „Ich glaube sehr an Dialog. Man kann über
       alles sprechen“, sagt er. Wie in einer Familie müsse jeder sagen, was er
       denkt und will, um eine Lösung zu finden.
       
       Dialog mit islamistischen Terrorgruppen? Sawadogo denkt an Ex-Präsident
       Blaise Compaoré, der 27 Jahre lang, bis 2014 an der Macht war. Für die
       einen war er der „softe Diktator“, für die anderen brachte er Burkina Faso
       auch dann noch Stabilität, als das Nachbarland Mali längst gekippt war –
       weil er sich mit mutmaßlichen Terroristen arrangierte. Der Bevölkerung
       brachte das Stabilität.
       
       ## Verwirrung um „Dialogauftrag“ in Mali
       
       Die Debatte über politischen Dialog mit Islamisten hatte vergangene Woche
       eine Äußerung des Hohen Islamischen Rates (HCI) im benachbarten Mali
       angeheizt. Ein Sprecher des Ratsvorsitzenden Ousmane Haidara hatte bekannt
       gegeben, dass das Ministerium für religiöse Angelegenheiten der
       Übergangsregierung von Oberst Assimi Goïta ihn abeauftragt habe, mit Malis
       beiden wichtigsten Dschihadistenführern Iyad Ag Ghaly und Amadou Kouffa
       Kontakte zu knüpfen.
       
       Das hat Malis Regierung zwar mittlerweile dementiert: Einen solchen Auftrag
       gebe es nicht, und wenn die Regierung mit bewaffneten Gruppen sprechen
       wolle, werde sie selbst die Bevölkerung darüber in Kenntnis setzen.
       
       Doch die Debatte trifft die Region in einer sensiblen Zeit: Frankreich,
       dessen Beziehungen zu Malis Militärregierung angespannt sind, zieht
       demnächst seine Truppen aus dem Norden Malis zurück, und die Sorge ist
       groß, dass die bewaffneten Islamisten nachrücken könnten.
       
       Neu ist die Debatte nicht. In Mali unterstützt [2][Imam Mahmoud Dicko],
       Malis einflussreichster muslimischer Führer, die Idee: Gesprochen werden
       müsse mit allen, die ebenfalls Malier und somit „Brüder“ seien. In Burkina
       Faso sprachen sich schon 2019 Teilnehmer*innen des Nationalen Dialogs,
       bei dem Politik und Zivilgesellschaft über die Zukunft des Landes
       diskutierten, dafür aus.
       
       Die Regierung zögerte, und [3][im Wahlkampf 2020] lehnte Burkina Fasos
       Präsident Roch Marc Christian Kaboré Gespräche offiziell ab. Gut zwei
       Monate später machte Premierminister Christophe Dabiré aber erste
       Andeutungen einer Kehrtwende.
       
       ## „Miteinander sprechen ist kein Zeichen von Schwäche“
       
       Amadou Diemdioda Dicko, Abgeordneter der oppositionellen Union für
       Fortschritt und Wandel (UPC) aus der Stadt Dori im Konfliktgebiet, sagt der
       taz: „Wir müssen miteinander sprechen, selbst wenn wir zu keinem Ergebnis
       kommen. Das ist kein Zeichen von Schwäche.“ Nur so würde man erfahren, wer
       hinter der Gewalt stecke und welche Forderungen es gebe.
       
       Ob es aktuell Verhandlungen gebe, will er aber nicht bestätigen. „Ich weiß
       es nicht, kenne aber auch nicht alle Maßnahmen, die der Staat
       möglicherweise ergreifen wird.“
       
       Für Gespräche ist in Ouagadougou auch ein hochrangiger Vertreter der
       muslimischen Gemeinschaft, der sich nicht mit seinem vollen Namen äußern
       will. Schon in der Vergangenheit habe sich in Burkina Faso gezeigt, wie
       sich Gewalt eindämmen lässt: „In der Gegend um Djibo war es während der
       Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr ruhig“, sagt er. Dafür seien
       Gespräche verantwortlich gewesen. „Die Frage ist, warum sich die Lage
       wieder verschärft hat und wer Abkommen gebrochen hat.“
       
       Dass Gespräche Gewalt eindämmen können – dem stimmen auch christliche
       Kirchenvertreter zu. Allerdings sei nicht alles verhandelbar. Keinesfalls
       könne man einen Teil des Staatsgebiets abtreten. Eine solche Forderung ist
       bisher aber auch nicht geäußert worden.
       
       Der Sozialanthropologe Issaka Sourwema, unter dem traditionellen Titel
       Naaba Boalga Vorsteher des Dorfes Dawelgué 40 Kilometer südlich von
       Ouagadougou, meint: „Kriege sind nie mit Waffen beendet worden, sondern
       immer mit Gesprächen. Wo würden wir hinkommen, wenn wir alles auskämpfen
       müssten? Nirgendwohin.“
       
       24 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://reports.unocha.org/fr/country/burkina-faso
 (DIR) [2] /Umsturz-in-Mali/!5703938
 (DIR) [3] /Burkina-Faso-vor-der-Wahl/!5729833
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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