# taz.de -- Beirat zu Istanbul-Konvention in Bremen: Betroffene reden mit
       
       > Ein Beirat soll die Umsetzung der Istanbul-Konvention, die Gewalt an
       > Frauen verhindern will, überwachen. Die Perspektive von Betroffenen wird
       > ergänzt.
       
 (IMG) Bild: Gewalt gegen Frauen: In Bremen sagen die Betroffenen, wie dagegen vorgegangen werden soll
       
       Opfer – in der deutschen Übersetzung der Istanbul-Konvention findet sich
       das Wort 479 Mal. „Die Bedürfnisse der Opfer“, „die Rechte der Opfer“, „die
       Unterstützung der Opfer“ sollen im Mittelpunkt stehen, heißt es in dem
       Vertrag des Europarats zur „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und
       häuslicher Gewalt“. Bremen ergänzt nun um „die Meinung der Opfer“ und „die
       Expertise der Opfer“: Für seinen Landesaktionsplan zur Umsetzung des
       Abkommens bildet das Land einen eigenen Betroffenenbeirat.
       
       26 Frauen hatten sich auf das Ehrenamt beworben, mit ihrer persönlichen
       Geschichte. Zehn von ihnen hat die Senatorin für Frauen und Gesundheit,
       Claudia Bernhard (Linke), jetzt als Mitglieder ernannt. Ihre Namen finden
       sich nicht als Auflistung im Netz: Die Mitglieder müssen nicht in die
       Öffentlichkeit. Sogar bei der Zentralstelle für die Verwirklichung der
       Gleichstellung der Frau (ZGF), bei der der Beirat organisatorisch angedockt
       ist, sind einige Beteiligte nur mit Pseudonym bekannt. Dabei sein sollen
       aber laut Behörde Cis- und Trans-Frauen, Frauen aus unterschiedlichen
       Generationen, aus unterschiedlichen Hintergründen, die unterschiedliche
       Formen von Gewalt erlebt haben.
       
       ## Frauen mit Kontrollfunktion
       
       Beraten soll der Beirat vor allem zu praktischen Verbesserungen im
       Hilfesystem: An welcher Stelle knirscht es, wenn man Unterstützung sucht?
       Welche Kampagne kann tatsächlich überzeugen? Und wenn sich das Land bald an
       die Umsetzung macht, sollen die zehn Frauen auch eine Kontrollfunktion
       ausüben: Wo werden Versprechen nicht eingelöst, wo stimmt der Zeitplan
       nicht? „Nur wenn wir Betroffene miteinbeziehen, kann sichergestellt werden,
       dass wir am Ende Maßnahmen umsetzen, die tatsächlich als Unterstützung
       fungieren können“, twitterte die Senatorin für Gesundheit und Frauen,
       Claudia Bernhard (Die Linke), zur Einsetzung.
       
       Es ist nicht das erste Mal, das die Expertise Betroffener abgefragt wird:
       Für Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs gibt es auf Bundesebene [1][bereits
       seit 2015 einen entsprechenden Beirat]. Und die evangelische Kirche hat für
       die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch ebenfalls versucht, Betroffene
       einzubeziehen. Doch für die Umsetzung der Istanbul-Konvention mit ihrer
       starken Betonung der Rolle der Opfer ist das Bremer Beispiel tatsächlich
       ein Pilotprojekt; der Bund fördert das Gremium deshalb finanziell.
       
       Eine Gefahr vor allem steht durch ein schlechtes Beispiel im Raum: Der
       Betroffenenbeirat der evangelischen Kirche hatte sich bereits acht Monate
       nach Einsetzung aufgelöst, weil [2][seine Mitglieder sich nicht ernst
       genommen fühlten.]
       
       ## Anregungen bleiben Anregungen
       
       Tatsächlich hat auch der Beirat in Bremen keine Vetorechte: Der
       Landesaktionsplan wird von der Bürgerschaft beschlossen. Die Anregungen und
       Bemerkungen des Betroffenenbeirats sind Anregungen und Bemerkungen. Und: Um
       den Landesaktionsplan ernsthaft zu prägen, ist der Beirat zu spät
       eingesetzt worden. Am Dienstag trifft er sich das erste Mal zur
       inhaltlichen Debatte, am Plan wird aber schon seit einem Jahr gearbeitet,
       Ende 2021 soll er fertig sein.
       
       Perfekt ist das gute Beispiel noch nicht. „Aber die Chancen, Änderungen
       einzubringen, sind sehr gut“, sagt Bärbel Reimann von der
       Gleichstellungs-Zentralstelle. Bei den grundsätzlichen Zielen ist man sich
       in Bremen ohnehin einig: Alle Beschlüsse zur Istanbul-Konvention wurden
       bisher immer einstimmig mit der Opposition gefällt. Und bei praktischen
       Verbesserungen, da ist sich Reimann sicher, „sind Anregungen hoch
       willkommen“.
       
       30 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://beauftragter-missbrauch.de/betroffenenrat/der-betroffenenrat
 (DIR) [2] /Betroffener-ueber-Missbrauchspraevention/!5771026
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
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