# taz.de -- Hamburger Hauptbahnhof: Bahnhof mit Gewächshaus
       
       > Der deutschlandweit meistfrequentierte Bahnhof in Hamburg soll erweitert
       > werden. Der Denkmalverein sieht die Pläne dafür kritisch.
       
 (IMG) Bild: Soll eine große Erweiterung bekommen: Der Hamburger Hauptbahnhof
       
       HAMBURG taz | Der Hamburger Hauptbahnhof ist so voll, dass der
       Fußgängerverkehr reguliert werden muss. Auf den breiten Stegen über den
       Gleisen zeigen Pfeile an, wo man in welche Richtung gehen soll. Den Strom
       an Fahrgästen und Passanten zu queren, ist bisweilen kaum möglich. Jetzt
       sind die Pläne für eine Erweiterung des 1906 eröffneten Bauwerks
       veröffentlicht worden. Kritik entzündet sich daran, dass die Südfassade des
       spektakulären Bauwerks zugestellt werden soll.
       
       Mehr als eine halbe Million Menschen passieren täglich [1][den zentralen
       Hamburger Knotenpunkt]. In ganz Europa drängen sich nur in Lyon mehr
       Menschen durch einen Bahnhof. Dabei sollen es in Hamburg noch viel mehr
       werden: 750.000 in 20 Jahren. Die Bahn hat angekündigt, einen
       „Deutschland-Takt“ einzuführen, was bedeutet, dass Fernzüge in Zukunft alle
       halbe Stunde fahren. Zwei neue
       
       U-Bahn-Linien sollen durch den Hauptbahnhof geführt und der S-Bahn-Takt
       nach Nordosten stark verdichtet werden. „Dieser Entwicklung gilt es
       Rechnung zu tragen“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Die Grünen) bei
       der Vorstellung der Pläne.
       
       Um die Lage zu entspannen und der Prognose Rechnung zu tragen, hatten die
       Stadt und die Bahn einen städtebaulichen Wettbewerb ausgelobt. „Es ist sehr
       wichtig, die Erweiterung des Hauptbahnhofes räumlich, architektonisch und
       städtebaulich groß zu denken“, sagte Tjarks. Das Hamburger Büro BOF
       Architekten und die Landschaftsarchitekten Hutter Reimann hätten dafür „ein
       schlüssiges Gesamtkonzept gefunden“, lobte Stadtentwicklungssenatorin
       Dorothee Stapelfeldt (SPD).
       
       ## Oberbaudirektor lobt den Siegerentwurf
       
       Die Architekten und Stadtplaner schlagen gläserne Erweiterungsbauten vor,
       die den charakteristischen Querschnitt der Bahnhofshalle aufnehmen. An der
       Ostseite, zum Schauspielhaus hin, wird die in kleinen Bögen überdachte
       Vorhalle um einen Vorbau ähnlicher Gestalt erweitert. Dafür wird der
       Vorplatz freigeräumt.
       
       Auf der Nordseite werden die Gleise zur Hälfte mit einem Platz überdeckelt,
       auf der Südseite wird ein gläsernes Geschäftsgebäude über die Gleise
       gestellt; die Straße zwischen Bahnhof und Neubau soll überdacht werden und
       nur noch Fußgängern, Bussen, Taxen und Lieferfahrzeugen zur Verfügung
       stehen. Die Erweiterung soll neue, witterungsgeschützte Zugänge zu den
       Gleisen ermöglichen.
       
       „Großzügig, höchst funktional, architektonisch überraschend und dennoch
       vertraut und selbstverständlich“ – so lasse sich die Arbeit der ersten
       Preisträger charakterisieren, lobte Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef
       Höing. Den Entwerfern gelinge es auf eine erstaunlich einfache Art und
       Weise, mit der selbstbewussten Geste einer offenen, schönen Halle den
       Bahnhof zu erweitern. Große Freiräume blieben erhalten, Blickbeziehungen
       würden inszeniert, die Aufenthaltsqualität verbessert.
       
       Gerrit Fuß, verkehrspolitischer Sprecher den Grünen-Bürgerschaftsfraktion,
       lobte die „Klarheit und den respektvollen Bezug zum historischen Erbe“, und
       auch seine Kollegin Anke Frieling von der oppositionellen CDU sprach von
       einem grundsätzlich gelungenen Entwurf. Der habe allerdings ein
       entscheidendes Manko: „Die stadtbildprägende Südfassade des
       denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes wird in Zukunft verdeckt sein“,
       kritisierte Frieling.
       
       ## Mit Büroflächen refinanzieren
       
       Die Südfassade des Bahnhofs ist verglast und zeigt die frei tragende
       Konstruktion der Bahnhofshalle, die mit 70 Metern Spannweite einigermaßen
       spektakulär ist. Mit dem jetzt gewählten Entwurf werde deren Weitenwirkung
       für immer verloren gehen, [2][warnte der Denkmalverein]. Stadtgeschichtlich
       bedeutsame Straßen- und Sichtachsen würden verstellt.
       
       „Und warum?“, fragt der Verein in einer aktuellen Stellungnahme. „Nicht aus
       funktionalen Gründen, sondern weil die Bahn die notwendigen neuen
       Bahnsteigzugänge über 15.000 Quadratmeter neue Büro- und Gewerbeflächen
       refinanzieren will.“ Da wäre es doch viel eher im Sinne der
       Stadtgesellschaft, das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude von seinen
       heutigen Anbauten zu befreien. Leistungsfähiger lasse sich der Bahnhof auf
       einfachere Weise machen.
       
       Der jetzt gewählte Entwurf orientiert sich an den engen
       [3][Wettbewerbsvorgaben der Bahn]. Den schon im Vorfeld geäußerten Bedenken
       der Denkmalschützer kommt er in gewisser Weise entgegen, indem er sehr um
       Transparenz und Leichtigkeit bemüht ist und zumindest aus bestimmten
       Blickwinkeln eine Sicht auf die alte Fassade ermöglicht.
       
       8 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ueberfuellter-Hamburger-Hauptbahnhof/!5646295
 (DIR) [2] https://www.denkmalverein.de/gefaehrdet/gefaehrdet/bahn-planung-gefaehrdet-hauptbahnhof
 (DIR) [3] https://www.hbfhh.de/mediathek
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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