# taz.de -- Konsumwochen vor Weihnachten: Milliarden im Müll
       
       > Der Onlinehandel boomt – und damit auch das Zurückschicken von Waren. Das
       > Problem: Viele Retouren werden dann einfach vernichtet.
       
 (IMG) Bild: Konsumieren bis es quietscht – nicht nur am Black Friday (hier ein Amazon-Paketbote in New York)
       
       BERLIN taz | Was passiert mit im Onlinehandel zurückgeschickten Waren –
       werden sie noch einmal verkauft, gespendet oder vernichtet? Rund um die
       besonders konsumintensiven Vorweihnachtstage inklusive Black Friday und
       Cyber Monday hat Ralf Kleber, Deutschlandchef von Amazon, Vorwürfe der
       massenhaften Retourenvernichtung zurückgewiesen.
       
       „Bei der Ware, die uns gehört, liegt dieser Anteil im Promillebereich“,
       [1][erklärte er gegenüber dem Handelsblatt]. Er räumte allerdings ein, dass
       das bei Händlern, die ihre Produkte über den Amazon Marketplace verkaufen,
       anders aussehen könne. Ursache dafür sei, dass die Händler, wenn sie ihre
       Produkte spenden, Umsatzsteuer zahlen müssen – bei der Entsorgung aber
       nicht.
       
       Der Umgang mit Retouren steht seit Jahren in der Kritik. [2][Laut einer
       Schätzung der Universität Bamberg wurden im vergangenen Jahr 315 Millionen
       Pakete zurückgeschickt], ein Plus von 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
       Wie viel davon vernichtet wurde, wird nicht erfasst.
       
       Es ist allerdings eine Näherung möglich: [3][Im Jahr 2018 haben
       Onlinehändler in Deutschland laut den Bamberger Forscher:innen 7,5
       Millionen zurückgeschickte Produkte entsorgt, obwohl diese noch hätten
       verwertet werden können.] Das entspreche 3,9 Prozent der zurückgeschickten
       Sendungen.
       
       ## Auch Ware aus stationären Geschäften wird vernichtet
       
       Doch nicht nur der Onlinehandel ist ein Problem. Denn auch die stationären
       Einzelhändler bleiben auf Teilen ihrer Ware sitzen. In der Pandemie ist
       dieser Berg durch die Schließung von Läden gestiegen: Handelsverbände
       schätzten ihn alleine für die vergangene Herbst-Winter-Saison auf bis zu
       500 Millionen Kleidungsstücke. „In Deutschland wird jährlich neuwertige
       Ware im Wert von 7 Milliarden Euro zerstört“, sagt Philipp Sommer, Experte
       für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) – die
       Vernichtung durch Online- und stationäre Händler zusammen betrachtet.
       
       Die neue Ampelkoalition hat das Problem in ihrem Koalitionsvertrag kurz
       erwähnt: „Die Retourenvernichtung werden wir reduzieren“, heißt es da.
       [4][Das hatte bereits die noch amtierende Umweltministerin Svenja Schulze
       versprochen.] Im vergangenen Herbst trat das neue
       Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Doch um eine Wirkung zu entfalten,
       fehlt es noch an einer entsprechenden Rechtsverordnung.
       
       Auch Amazon trägt als Plattform dazu bei, dass es für Händler häufiger
       attraktiver ist, Ladenhüter zu vernichten, als sie noch länger
       aufzubewahren. Für „Einheiten, die länger als 365 Tage in einem
       Amazon-Logistikzentrum gelagert werden“, fallen laut Amazon zusätzliche
       Langzeitlagergebühren an. Der Aufschlag entfällt, wenn „vor der Erhebung
       der Gebühr eine Entfernung oder Entsorgung der Einheiten angefordert
       wurde“.
       
       „Das ist ein starker Treiber dafür, Waren vernichten zu lassen“, sagt
       Sommer. Er fordert neben einem Wegfall der Umsatzsteuer für das Spenden
       solcher Waren auch umfangreiche Prüf- und Dokumentationspflichten für
       Unternehmen, wenn sie neuwertige Waren zerstören wollen. Behaupte ein
       Unternehmen etwa, dass Ware nicht gespendet werden könnte, müsse es
       beispielsweise belegen, dass gemeinnützige Organisationen die Ware mangels
       Verwendbarkeit abgelehnt hätten. Mit Transparenzpflichten würde das Ausmaß
       der Zerstörung bekannt – und für Firmen im Online- wie in stationären
       Handel ein Anreiz gesetzt, alternative Wege und ein umweltfreundlicheres
       Verhalten zu wählen.
       
       29 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/interview-amazon-deutschlandchef-ralf-kleber-unser-job-ist-es-nicht-rekorde-zu-erzielen/27829420.html
 (DIR) [2] http://www.retourenforschung.de/info-retournierverhalten-waehrend-der-covid-19-pandemie-untersucht.html
 (DIR) [3] /Retouren-im-Online-Handel/!5628733
 (DIR) [4] /Gesetz-zur-Muellvermeidung/!5663473
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Online-Shopping
 (DIR) Onlinehandel
 (DIR) Retouren
 (DIR) Amazon
 (DIR) Konsum
 (DIR) RAW-Gelände
 (DIR) Kolumne Postprolet
 (DIR) Start-Up
 (DIR) Online-Shopping
 (DIR) Amazon
 (DIR) Konsum
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neue „Secret-Pack-Station“ in Berlin: Überraschungen aus dem Automaten
       
       Roulette mit nicht abgeholten Paketen: An einem Automaten auf dem
       RAW-Gelände kaufen Glücksritter „Secret Packs“ – und reden sich den Inhalt
       schön.
       
 (DIR) Plünderung von Amazon-Güterzügen: Symbolbild des Kapitalismus
       
       Kürzlich kursierte ein Foto vollgemüllter Gleise in Los Angeles. Es
       entstand nach der Plünderung eines Zuges von Amazon. Doch wofür steht das
       Bild?
       
 (DIR) Journalistisches Start-up Flip: Funktioniert das auch?
       
       Das journalistische Start-up Flip prüft, ob Unternehmen das halten, was sie
       versprechen. Ihr bisher größtes Projekt ist die „Sneakerjagd“.
       
 (DIR) Klimaexperte über Vertriebswege: „Onlinehandel ist häufig besser“
       
       Käufe in stationären Läden hätten oft eine schlechtere CO2-Bilanz, sagt
       Umweltexperte Till Zimmermann. Sie verbrauchten pro Produkt mehr Energie.
       
 (DIR) Onlinehandel und Corona: Gut für Amazon
       
       Lebensmittel werden gerade wie bekloppt online gekauft, sonst aber kaum
       was. Die Krise könnte kleinen Händlern das Genick brechen.
       
 (DIR) Ökonom zur Vernichtung von Retouren: „Retouren lenken ab“
       
       Sollen die Unternehmen zu mehr Transparenz im Umgang mit Überproduktion
       verpflichtet werden? Ja, meint der Wirtschaftswissenschaftler Björn
       Asdecker.