# taz.de -- Album „30“ von Popstar Adele: Mit ganz großem Orchester
       
       > Streicher und Herzschmerz dominieren Adeles neues Album „30“. Die
       > Songtexte können es mit der Komplexität ihrer Musik nicht aufnehmen.
       
 (IMG) Bild: Königin des Vinyl und der Herz-Schmerz-Balladen: die britische Sängerin Adele
       
       Adele ist schuld. Adele trägt den Untergang der Musikindustrie auf ihren
       hübschen Schultern. Zuerst hat sie die Vinylkrise herbeigesungen: Anfang
       November berichtete Variety, die Sängerin habe 500.000 Einheiten [1][ihres
       neuen, dritten Albums „30“] vorbestellt und damit die Produktion der
       Presswerke für Vinyl lahmgelegt.
       
       Denn Vinyl ist rar, seit es weltweit nur noch zwei Fabriken gibt, die
       Rohlinge für Presswerke herstellen. Sogar Ed Sheeran hatte bereits
       öffentlich gemault: Die Konkurrentin habe die Fabriken „ausgebucht“.
       
       Zum zweiten ist „30“, der Albtraum der zitternden Rival:innen, jetzt
       endlich veröffentlicht. Und zwar mit – fast im wahrsten Wortsinn – Pauken
       und Trompeten.
       
       Denn vor allem die Instrumentierung auf „30“ ist der Grund, die
       33-jährige Britin Adele Laurie Blue Adkins als eine der zeitgemäßen
       Sängerinnen wahrzunehmen oder sie zumindest so zu lobpreisen.
       
       ## Sound, der sich dem Soul der Motown-Ära annähert
       
       In der Mainstream-Popwelt hat man lange keinen Sound gehört, der sich
       ernsthafter den großen, [2][zum Heulen schönen Großraum-Soul-Produktionen
       der Motown-Ära annähert,] an „Ain’t No Mountain High Enough“ in der Version
       von Marvin Gaye und Tammi Terrell, an Arrangements von Neil Hefti, Les
       Baxter und anderen modernen Meistern des orchestralen Retro-Sounds wie
       Daniele Luppi, der schon Streicherparts für John Legend arrangierte.
       
       Auf vier von zwölf der neuen Adele-Songs verlässt sich die Musikerin auf
       solcherlei opulente Klänge, lässt ihre Produzenten ein echtes, vielköpfiges
       Orchester beschäftigen, darüber sanft Orgeltöne streuen und reichert das
       Ganze mit zauberhaften, ausgefuchsten oder niedlichen Backgroundchören an.
       Doch Adele scheint auf „30“, und das könnte man angesichts der
       eifersüchtigen Observation durch die Kolleg:innen verstehen, auch daran
       gelegen, ihre Versatilität zu beweisen.
       
       Immer wieder ändert das Werk musikalisch seine Richtung, geht vom pompösen
       Auftaktsong „Strangers by Nature“ über zur klassischen Klavierballade, bei
       der sie sich in Amy-Winehouse-Manier etwas arg prätentiös die verlassene
       Sängerinnenseele heraussingt.
       
       ## Böse Zungen vernehmen dahinter Unausgewogenheit
       
       Sie haucht nah ins Mikro wie Billie Eilish, versucht in Songs wie „My
       Little Love“ den coolen Style von Erykah Badu zu streifen, schnuppert
       backgroundtechnisch bei „Cry Your Heart Out“ an Lauryn Hills Frühwerk,
       begrüßt [3][Aretha Franklin,] arbeitet sich überhaupt viel an „Black Music“
       ab, sozusagen als echte Vertreterin des Blue Eyed Soul.
       
       Man darf das gern als Geschmacksvielfalt anerkennen. Nur böse Zungen
       beziehungsweise Ohren vernehmen dahinter Unausgewogenheit. „30“ besingt in
       jedem Städtchen ein anderes Mädchen. Doch es ist erlaubt, die Geschmäcker
       breit zu bedienen, es ist auch okay, unterschiedliche Instrumentierungen,
       Rhythmen, Atmosphären zu nutzen.
       
       Zusammengehalten werden die Songs überdies – außer von Adeles wie immer
       makellosen Stimme – von einem simplen gemeinsamen Nenner: Es geht auf „30“
       um eine überstandene Trennung. Das ist nicht das einfallsreichste, aber ein
       legitimes Thema.
       
       ## Ach ja, es ist so schwer, eine Frau zu sein
       
       Wenn es auch dazu führt, dass Adeles Songtexte gegenüber der Komplexität
       ihrer Musik ziemlich abstinken: Immer wieder besingt, beklagt sie das alte
       Ich und Du, das kein Wir mehr ist, den Herzschmerz, denn „you never had a
       woman like me“, ach ja, es ist so schwer, eine Frau zu sein, und die Liebe
       ist ein seltsames Spiel.
       
       In Songs wie „To Be Loved“, auf dem man sie als Jazzsängerin in einer
       kleinen Bar imaginiert, nur begleitet von einem Menschen am Klavier, gerät
       das arg cheesy: Ist gut, hör auf zu jaulen, möchte man ihr zurufen, wir
       haben ja verstanden. Am Ende ist man richtig geschafft, allein vom Hören.
       
       Doch danach folgt mit „Love Is a Game“ als Wiedergutmachung der
       musikalische Höhepunkt und das große Finale des Albums, mit dem sich Adele
       sozusagen selbst in [4][die Muppet Show] eingeladen hat. Was durchaus ein
       Qualitätsmerkmal ist: Zu manchen Zeiten stachen die Muppet-Versionen
       bekannter Songs ihre Originale aus.
       
       Und auch auf „Love Is a Game“ laufen Arrangeur und Orchester zu
       Höchstformen auf, während Adele noch mal von der Liebe singt – und
       mindestens sechs Muppethandpuppen mit Kulleraugen ihr im Hintergrund
       zuzustimmen scheinen. Das ist lustig und rührend gleichzeitig. Vielleicht
       gehen Welt und Musikindustrie also doch noch nicht unter.
       
       18 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neues-Album-von-Adele/!5252633
 (DIR) [2] /Retromania-endlich-auf-Deutsch/!5081791
 (DIR) [3] https://www.google.com/search?q=Aretha+Franklin%2C+taz&client=firefox-b-e&ei=GlSWYbzyL8mdkwXyuZPoAg&ved=0ahUKEwi859amgaL0AhXJzqQKHfLcBC0Q4dUDCA0&uact=5&oq=Aretha+Franklin%2C+taz&gs_lcp=Cgdnd3Mtd2l6EAMyBQgAEM0COgcIABBHELADOgoIABCxAxCDARBDOgUIABCABDoECAAQQzoICAAQgAQQsQM6CgguELEDEIMBEEM6BAguEEM6CwguEIAEELEDEIMBSgQIQRgAUKEFWIodYM0oaAFwAngAgAHGAYgBlASSAQMwLjOYAQCgAQGgAQLIAQTAAQE&sclient=gws-wiz
 (DIR) [4] ttps://www.google.com/search?q=die+Muppet+Show++taz&client=firefox-b-e&ei=hlWWYYiKIYPxkwWJqpE4&ved=0ahUKEwiI5ZDUgqL0AhWD-KQKHQlVBAcQ4dUDCA0&uact=5&oq=die+Muppet+Show++taz&gs_lcp=Cgdnd3Mtd2l6EAM6BwgAEEcQsAM6BQgAEM0COgQIIRAKOgQIABAeOgYIABAIEB46BAgAEBM6BggAEAoQEzoICAAQBxAeEBM6BggAEAcQHjoFCC4QgAQ6CAgAEAcQChAeOgYIABAKEB46CggAELEDEIMBEEM6BQgAEIAEOggIABCABBCxAzoECAAQQzoKCC4QsQMQgwEQQzoLCC4QgAQQsQMQgwFKBAhBGABQmQVY-jhg9kZoAXACeACAAboBiAHXEZIBBDEuMTeYAQCgAQGgAQLIAQLAAQE&sclient=gws-wiz
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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