# taz.de -- Justizfarce in Myanmar: Haftstrafe für Aung San Suu Kyi
       
       > Die gestürzte frühere de-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi ist
       > verurteilt worden. In einem fingierten Verfahren bekam sie vier Jahre
       > Haft.
       
 (IMG) Bild: Aung San Suu Kyi 2016 im Gespräch mit dem späteren Putschgeneral und Juntachef Min Aung Hlaing
       
       FRANKFURT A.M./BERLIN/NAYPYIDAW epd/taz |. Ein Gericht hat Myanmars
       gestürzte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wegen „Anstiftung zum
       Aufruhr“ und Verstößen gegen Corona-Auflagen zu vier Jahren Haft
       verurteilt. Das berichtete am Montag unter anderem das lokale
       Nachrichtenportal Irrawaddy. Es waren die ersten Urteile gegen die
       76-jährige Friedensnobelpreisträgerin. Auch der ebenfalls entmachtete
       Staatspräsident Win Myint wurde wegen der gleichen Anschuldigungen zu vier
       Jahren Gefängnis verurteilt.
       
       Menschenrechtsorganisationen hatten sowohl die Vorwürfe als auch die
       Gerichtsprozesse als abstrus und politisch motiviert kritisiert. Die
       Urteile waren bereits für Ende November erwartet, aber wegen einer noch
       ausstehenden Zeugenaussage verschoben worden. Offenbar sollte die Anhörung
       eines Entlastungszeugen dem absurden Prozess unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit den Anschein von Rechtsstaatlichkeit verleihen.
       
       In weiteren Verfahren muss sich die 76-Jährige außerdem wegen illegalen
       Besitzes von Funkgeräten ihrer Leibwächter, Korruption und des Verrats von
       Staatsgeheimnissen verantworten. Des weiteren wirft ihr das Militärregime
       Wahlfälschung vor, womit auch der Putsch gerechtfertigt wurde.
       
       Wird Aung San Suu Kyi aufgrund dieser Anschuldigungen ebenfalls für
       schuldig befunden, womit zu rechnen ist, drohen ihr Jahrzehnte Haft. Die
       Militärjunta möchte mit der Kaskade von Prozessen eine Rückkehr der
       Friedensnobelpreisträgerin an die Macht für immer ausschließen.
       
       ## Maulkorb für die Anwälte
       
       Mitte Oktober hatte die Militärjunta dem wichtigsten Anwalt Aung San Suu
       Kyis ein Redeverbot erteilt. Laut Artikel 144 der Strafprozessordnung sei
       ihm untersagt worden, sich öffentlich zu den Prozessen zu äußern, hatte
       Khin Maung Zaw auf Facebook erklärt. Laut Irrawaddy betrifft dieses Verbot
       mittlerweile alle fünf Verteidiger der Politikerin.
       
       Ende Oktober war bereits einer ihrer engsten Weggefährten wegen angeblichen
       Hochverrats [1][zu 20 Jahren Haft verurteilt] worden. Knapp zwei Wochen
       später wurden zwei weitere politische Verbündete wegen Korruptionsvorwürfen
       zu Gefängnisstrafen von jeweils 90 und 75 Jahren verurteilt.
       
       Zusammen mit Win Myint war Aung San Suu Kyi beim Putsch am 1. Februar
       verhaftet worden. Das Militär unter Machthaber Min Aung Hlaing hatte den
       Umsturz mit Wahlbetrug begründet, ohne Beweise vorzulegen. Ihre Nationale
       Liga für Demokratie (NLD) hatte die Abstimmung vom November 2020 klar
       gewonnen, die Partei der Militärs war deutlich unterlegen. Internationale
       Wahlbeobachter beschrieben den Urnengang im Großen und Ganzen als frei und
       fair.
       
       Bei vielen ihrer 54 Millionen Landsleute gilt Aung San Suu Kyi als äußerst
       populär, wie die NLD-Wahlerfolge 2015 und 2020 gezeigt hatten. Als
       langjährige Oppositionsführerin hatte sie unter der früheren
       Militärregierung mit Unterbrechungen bereits fast 15 Jahre unter Hausarrest
       oder in Haft verbracht.
       
       ## Myanmar versinkt in Bürgerkrieg und Chaos
       
       International aber wurde sie zunehmend kritisiert, weil sie den Völkermord
       an den muslimischen Rohingya nicht nur duldete, sondern die Verbrechen des
       Militärs sogar öffentlich verteidigte. Auch wurden unter der NLD-Regierung
       Dissidenten und Journalisten inhaftiert.
       
       Seit dem Putsch vom Februar versinkt das südostasiatische Land in
       Bürgerkrieg und [2][Chaos]. Laut der lokalen Menschenrechtsorganisation
       AAPP wurden in den vergangenen zehn Monaten mehr als 1.300 Menschen bei
       Protesten getötet und mehr als 10.680 Personen festgenommen. Gegen fast
       2.000 weitere Personen erließ das Regime Haftbefehle.
       
       In vielen Regionen haben sich neben den bereits seit Jahrzehnten
       existierenden Milizen ethnischer Minderheiten neue bewaffnete Gruppen
       gebildet. Eine überwiegend aus untergetauchten NLD-Politikern gebildete
       Gegenregierung [3][rief zum bewaffneten Aufstand auf]. Seitdem greifen
       schlecht ausgerüstete Milizen mit Anschlägen und Hinterhalten die
       bewaffneten Kräfte der Junta an und haben nach eigenen Angaben bereits
       mehrere Hundert von ihnen getötet. Das Militär geht mit Luftangriffen gegen
       widerspenstige Dörfer vor. Zehntausende Menschen sind innerhalb des Landes
       auf der Flucht.
       
       6 Dec 2021
       
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