# taz.de -- Zunächst an den Songs gescheitert
       
       > Die Hamburger Band Veranda Music versucht mit ihrem Album „Unter
       > Einfluss“, dem Andenken an den früh verstorbenen Künstler Tobias Gruben
       > gerecht zu werden
       
 (IMG) Bild: Die Bücherwand ist höchstwahrscheinlich nebenan. Nicolai von Schweder-Schrainer, zweiter von rechts, und Veranda Music
       
       Von Jan Paersch
       
       Nicolai von Schweder-Schreiner kann einem nichts vormachen. „Ich wollte es
       eigentlich vermeiden, mit Büchern gesehen zu werden“, sagt der Hamburger
       Künstler. Beim Videocall ist im Hintergrund allerdings eine große
       Bücherwand hinter ihm zu sehen. Von Schweder-Schreiner übersetzt
       hauptberuflich Romane aus dem Englischen und Portugiesischen. Dass er
       lieber als Popstar wahrgenommen werden würde, bestätigt der Fiftysomething
       mit ironischem Grinsen. Der Sänger und Gitarrist weiß es ja selbst: Seine
       Band Veranda Music ist dafür zu wenig bekannt. Obwohl sie zwischen 1999 und
       2008 vier Alben veröffentlicht hat mit abgehangenem und heiser intoniertem
       Indiefolk: hanseatische Americana nannten es manche, andere wollten aus den
       Songs gar sonoren Pop gehört haben, wie ihn die Tindersticks vorgemacht
       hatten. Veranda Music klangen jedenfalls nicht nach der so oft
       beschriebenen Hamburger Schule des Schrammelns. Ihr Sound war
       leichtgängiger, trotz mehr Muckertums hatte er auch Ecken und Kanten, ja
       sogar Westerngitarre und Soulbeats.
       
       „Ich hatte keine Lust auf Musik mit zwei E-Gitarren“, sagt von
       Schweder-Schreiner rückblickend über die Anfänge. Bis heute ist Veranda
       Music eine Art Duo plus. Zusammen mit Keyboarder Felix Huber entwickelt der
       Sänger meist die Songs, mittlerweile werden sie auch von Lars Precht und
       Harm Hinz mitarrangiert, die zur festen Besetzung gehören. Die größte
       Veränderung auf dem neuen Album „Unter Einfluss“ betrifft aber die Texte:
       Nicolai von Schweder-Schreiner singt jetzt erstmals auf Deutsch.
       
       „Es hat sich so lange hingezogen, weil ich nach passenden Liedern gesucht
       habe“, sagt der Bandleader. „Wir hatten Songs von Tobias und Felix,
       daraufhin habe ich versucht, selbst deutsche Texte zu schreiben, bin aber
       zunächst gescheitert.“ [1][Besagter Tobias Gruben] war einer der
       talentiertesten Künstler des Hamburger Undergrounds der Achtziger und
       Neunziger. Sein früher Drogentod verhinderte eine große Karriere. Gruben,
       stark von Nick Cave beeinflusst, stand für Musik zwischen Gothic,
       Industrial und New Wave, vor allem aber für die unverblümten Texte seiner
       Band Die Erde. Als junger Musiker spielte auch von Schweder-Schreiner bei
       den letzten Aufnahmen in einer der letzten Besetzungen von Die Erde mit. Er
       war als festes Mitglied angedacht, Grubens Tod im November 1996 machten
       diese Pläne zunichte. Den Songs von Gruben ist der Veranda-Music-Mastermind
       aber immer verbunden geblieben.
       
       „Wie haben die das nur gemacht?“, schwärmt von Schweder-Schreiner über Die
       Erde. „Für mich war Tobias Gruben wie Michael Jackson und Leonard Cohen in
       einer Person – ein Komponist meilenweit vor allen anderen. Seine Songs
       mussten einfach noch mal herausgebracht werden.“ Veranda Music lassen die
       melancholischen Texte von Tobias Gruben nun in großartigen neuen
       Arrangements frei atmen. Das Album „Unter Einfluss“ wirkt insgesamt
       minimalistischer, rhythmischer, pointierter als die Veranda-Music-Alben
       zuvor. Ein Song wie „Denk nicht“ steckt voller liebevoller Details: ein
       funky Piano-Vamp, ein bouncender Bass und eine kurz aufblitzende
       Mundharmonika, kaum als solche zu erkennen. Dazu Tobias Grubens Text, der
       durch von Schweder-Schreiners Bariton eine ganze eigene Lässigkeit bekommt.
       „Es gab Orte ohne Worte / Es gab Rascheln im Laub / Deine Beine waren meine
       / Und dein Flüstern ein Hauch.“
       
       ## Fantasie ohne Nabelschau
       
       „Wenn ein Text funktioniert“, meint der Sänger, „hat das viel mit Rhythmus
       zu tun. Tobias’ Texte sind fantasievoll ohne Nabelbeschau. Manchmal wusste
       ich nicht genau, was ich da singe. Trotzdem hat es sich so angefühlt, als
       ob ich es selbst geschrieben hätte.“ Der Hit ist das Trennungslied „Moni“.
       Ein Duett mit Pola Schulten, Swing, Ironie und einem Klaviermotiv, das im
       Kopf bleibt.
       
       Der in Lissabon geborene von Schweder-Schreiner ist viel rumgekommen: Unter
       anderem war er als Tourmanager mit dem brasilianischen Popstar Tom Zé
       unterwegs. Obwohl er seit Langem in Hamburg lebt, sieht er sich als
       Kosmopolit – und hat auch Kontakte zu Künstlern aus aller Welt. Heinrich
       Heines Gedicht „Wie schändlich du gehandelt“ fügt sich nahtlos in diesen
       Kosmos ein, ebenso die rotzige Ballade „Guten Tag, Herr Filmproduzent“ vom
       bekanntesten Hotelbewohner der Stadt: Udo Lindenberg. Als dessen Fan sich
       von Schweder-Schreiner outet: „Er war früher der Einzige, der ein eigenes
       Universum hatte. Mit Songs, die man sofort verstehen kann. Ich finde unsere
       Version eigentlich besser – die hat so eine schöne hippieske Schlaffheit.“
       
       Sind Veranda Music schlaff? „Wir machen jedenfalls keinen
       zukunftsorientierten Sound. Ich nenne ihn ‚normale Musik‘. Das hat nichts
       mit ‚retro‘ zu tun. Es gibt offenbar einen Kern darin, was gute Musik
       ausmacht. Daran hat sich im Laufe der Jahrzehnte nichts geändert.“
       
       Veranda Music: „Unter Einfluss“ (Staatsakt/Universal Music/Bertus)
       
       17 Dec 2021
       
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