# taz.de -- Pilotkonditionierungsanlage Gorleben: Streit um die Atomfabrik
       
       > Die Pilotkonditionierungsanlage Gorleben sollte einst radioaktive Abfälle
       > endlagerfähig verpacken. Ihr Abriss ist beschlossen – der Zeitpunkt
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Vor der Anlage in Gorleben demonstrieren im Oktober 1999 Atomkraftgegner
       
       GÖTTINGEN taz | Die nukleare [1][Pilotkonditionierungsanlage (PKA) in
       Gorleben] führte lange Zeit ein Schattendasein. Wer von den Atomanlagen vor
       Ort redete, meinte meist das Erkundungsbergwerk für ein Endlager. Oder die
       beiden Zwischenlager für radioaktive Abfälle – in einem werden 113
       [2][Castorbehälter mit hochradioaktivem Atomschrott] geparkt, im anderen
       lagern Tausende Fässer und Container mit schwach und mittelaktivem Müll.
       Nun rufen Atomkraftgegner die „versteckte“ Fabrik in Erinnerung und fordern
       ihren zügigen Abriss.
       
       Begleitet von Protesten erfolgte im Frühjahr 1990 der erste Spatenstich für
       die PKA. Mehrere Hundert Menschen hatten zuvor das Baugelände besetzt und
       Hütten errichtet. Sie wurden von der Polizei abgeräumt. Weitere
       Demonstrationen und Klagen konnten den Bau nicht stoppen. Der verschlang
       umgerechnet rund 400 Millionen Euro.
       
       Die PKA besteht im Kern aus sogenannten „heißen Zellen“, in denen hinter
       dicken Betonwänden und Bleiglasfenstern stark strahlende Abfälle mit
       Robotern bearbeitet werden können. In der Anlage sollten probeweise
       abgebrannte Brennstäbe aus den großen und schweren Castoren in kleinere
       Behälter verpackt, also für eine direkte Endlagerung „konditioniert“
       werden. Die PKA als Versuchs- und Erprobungsanlage zur Herstellung
       „endlagerfähiger Gebinde“ – so beschrieb der damalige Betreiber, die
       Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), den Nutzungszweck.
       
       Zwischenzeitlich hat sich dieser Arbeitsauftrag erledigt. Er hätte nur Sinn
       gemacht, wenn in Gorleben gleichzeitig das zentrale Endlager für Atommüll
       eingerichtet worden wäre. Davon nahm die Politik bekanntlich Abstand. 2017
       wurde das Suchverfahren neu gestartet. Im September 2020 [3][schied der
       Salzstock Gorleben aus dem Verfahren aus].
       
       ## Anlage ist bis heute nur auf Stand-by
       
       Für die PKA bedurfte es also einer neuen Daseinsberechtigung. Politik und
       Betreiber erklärten die Fabrik deshalb zur Service- und Reparaturstation
       für defekte Castor-Behälter. Die Atomgegner brachte das auf die Palme:
       „Wenn die Behälter unsicher sind, dürfen sie gar nicht benutzt werden“,
       erboste sich schon vor Jahren die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz
       Lüchow-Dannenberg.
       
       Selbst wenn man die Notwendigkeit einer Reparatureinrichtung unterstelle,
       müssten aus denselben Erwägungen auch an anderen Zwischenlagern für hoch
       radioaktiven Müll vergleichbare Anlagen gebaut werden.
       
       Gleichzeitig machte die BI auf das ihres Erachtens erhebliche
       Gefahrenpotenzial der – technisch im Übrigen veralteten – Anlage
       aufmerksam: Über den 60 Meter hohen Schornstein und über eine Pipeline zur
       Elbe könnten größere Mengen Radioaktivität in die Umwelt gelangen.
       
       Offiziell aufgegeben ist das Reparaturkonzept bis heute nicht. „Die PKA
       dient derzeit noch für eine mögliche Reparatur der Behälter aus Gorleben,
       die mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung oder mit
       bestrahlten Brennelementen beladen sind“, bestätigt der Sprecher der
       bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), Tristan Zielinski,
       der taz. Tatsächlich läuft die Anlage bis heute nur auf „Stand-by“ und nahm
       noch nie den „heißen“ Betrieb auf.
       
       Dass die Tage der PKA gezählt sind, machte Niedersachsens Umweltminister
       Olaf Lies (SPD) schon vor mehr als zwei Jahren klar. Die Fabrik sei ein
       „Relikt aus alten Zeiten“, sagte der SPD-Politiker im September 2019 bei
       einem Besuch in Gorleben. Der ganze Prozess werde keine Jahrzehnte dauern,
       „der Weg ist bereits beschritten und werde darin münden, dass die PKA
       zurückgebaut wird.“ Wann das sein wird, konnte der Minister damals aber
       nicht sagen.
       
       ## Atomkraftgegner fordern schnelleren Rückbau
       
       Der Abriss soll voraussichtlich 2026 beginnen, erklärte jetzt die BGZ auf
       taz-Anfrage: „Eine seriöse Prognose des Abbruchzeitraums ist erst
       abschließend möglich, nachdem die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen
       und alle Nebenbestimmungen für den Rückbau vorliegen.“
       
       Atomkraftgegner drängen darauf, dass es schneller losgeht. Die Kosten für
       den Unterhalt der PKA beliefen sich jährlich auf 6,3 Millionen Euro,
       bemängelt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Das kritisiert auch der Bund der
       Steuerzahler. Die PKA sei technisch veraltet und im Grunde überflüssig,
       findet auch er.
       
       11 Jan 2022
       
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