# taz.de -- Korruptes IOC und Olympia: Made in China
       
       > Die olympischen Sportfunktionäre schlüpfen in Peking zwangsläufig in die
       > Schurkenrolle. Sie sind keine bloßen Marionetten.
       
 (IMG) Bild: Tee unter Partnern: Xi Jinping und Thomas Bach im Januar 2019
       
       PEKING taz | Die ersten Bilder aus der Olympiawelt in Peking sind
       angekommen. Das Olympiastadion, dem man zu den Sommerspielen 2008 den Namen
       Vogelnest gegeben hat, malerisch erleuchtet unter dem Pekinger Nachthimmel.
       Irrwitzige Schanzenanlagen für die Skispringerinnen und Nordischen
       Kombinierer. Die ersten akrobatischen Kunststückchen der Freestyler auf
       Skiern und Snowboard unter einem strahlend blauen Himmel.
       
       Es sind kraftvolle Bilder. In den nächsten zwei Wochen werden noch viele
       dieser Bilder zu sehen sein. Sie transportieren eine heile olympische Welt.
       Sie sind mächtig. Sie setzen [1][ein Land ins beste Licht, das nach Macht
       strebt], Macht in der Welt, Macht über seine eigene Bevölkerung. Es sind
       gefährliche Bilder.
       
       Schneesportlerinnen und Eisläufer reisen aus der ganzen Wintersportwelt an
       und können sich kaum wehren, wenn sie zu Statisten in der großen
       Propagandashow ganz im Sinne des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping
       werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC), das die Spiele nach
       2008 nun schon zum zweiten Mal nach Peking vergeben hat, trägt die
       Verantwortung dafür, dass Athletinnen [2][voller Angst nach China reisen].
       
       Sportler, die sich darüber informiert haben, mit welch brutalen Methoden
       [3][die muslimische Bevölkerung in der Provinz Xinjiang unterdrückt wird],
       die kein Verständnis dafür haben, dass und mit welchen Methoden die
       Demokratiebewegung in Hongkong niedergeschlagen wurde, und die sich Sorgen
       machen, in einem Land Sport zu treiben, [4][das eine Tennisspielerin
       isoliert], die eine Vergewaltigung durch einen Politbonzen öffentlich
       gemacht hatte, sie reisen eingeschüchtert ins Olympialand.
       
       ## Alles andere als demokratisch gesinnt
       
       Das IOC hat sich einem Land angedient, um das es aus westlicher Sicht
       besser einen großen Bogen gemacht hätte. Wundern muss man sich dennoch
       nicht darüber. Denn der Bund der Olympier, der alle zwei Jahre seine
       riesigen Sportfeste veranstaltet, ist alles andere als ein Verein
       demokratisch gesinnter Menschen. Unter den 103 stimmberechtigten
       Mitgliedern sind Vertreter von Katar, Saudi-Arabien, Russland oder eben der
       Volksrepublik China. Wenn eines dieser Länder den Finger hebt und sich als
       Ausrichter der Spiele bewirbt, können die anderen Mitglieder ihnen ja
       schlecht das Recht dazu absprechen.
       
       Das IOC vertritt Schurken genauso wie Funktionäre aus Ländern, die sich zum
       Westen zählen. Finden die Spiele in einem Land wie China statt, bleibt dem
       IOC nichts anderes übrig, als selbst in die Schurkenrolle zu schlüpfen. Es
       ist nun wirklich nicht zu erwarten, dass [5][IOC-Präsident Thomas Bach]
       auch nur ein kritisches Wort zur Menschenrechtslage in China verlieren oder
       etwa nur die totale Überwachung aller offiziellen Olympiareisenden durch
       eine verpflichtende App kritisieren wird.
       
       ## Mehr als eine Marionette
       
       Thomas Bach ist mehr als eine Marionette der chinesischen Propaganda. Bis
       zum Ende der Spiele ist er selbst aktiver Teil des chinesischen Regimes.
       Das IOC gehört zu China, es gehört China.
       
       2014, als die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi stattgefunden
       haben, machte das IOC eine ähnliche Figur wie rund um die Spiele in diesem
       Jahr. Es lobte das Ausrichterland für die irrwitzigen olympischen
       Neubauten, feierte den Bau von Rodelbahn und Sprungschanze, freute sich
       über den schnellen Zugang zu den Schneesportorten im Kaukasus und äußerte
       sich partout nicht zu den Umweltzerstörungen dieser Auto- und Zugtrasse,
       für die das Flussbett eines schützenswerten Gebirgsbachs weitgehend
       zubetoniert wurde. Der [6][olympische Gigantismus] erlebt immer dann
       besonders groteske Höhen, wenn autokratische Staatslenker ihre Bevölkerung
       durch ein nationales Sportweihefest hinter sich scharen wollen.
       
       ## Beste Propagandasätze
       
       Das IOC, vertreten durch den deutschen Präsidenten Thomas Bach, nimmt
       diesen Gigantismus dankend an und liefert wie auf Bestellung durch Chinas
       KP die besten Propagandasätze höchstselbst. Zu dem wahnwitzigen Plan,
       während einer Pandemie, die vor allem in der winterlichen Nordhalbkugel
       täglich für neue Rekordzahlen an Infizierten sorgt, in einem Land mit
       Zero-Covid-Strategie Olympische Spiele durchzuziehen, fällt Bach nur
       Positives ein. Peking 2022 sei das erste Sportgroßereignis seit Beginn der
       Coronapandemie, das zum von Beginn an geplanten Zeitpunkt stattfinden
       könne. Der Loop, wie die dauergetestete Blase, in der sich die
       [7][wildesten Überwachungsphantasien manifestiert haben], von den Olympiern
       genannt werden soll, wird gefeiert wie die Holzschindelarchitektur der
       nagelneuen Rodelbahn in Yanqing.
       
       Das vom IOC beförderte Streben nach immer neuen olympischen Superlativen
       hat dazu geführt, dass immer weniger Wintersportorte an traditionellen
       Standorten in den Alpen, den Gebirgen Nordamerikas oder in Skandinavien
       ihre Bevölkerung für die Ausrichtung Olympischer Winterspiele gewinnen
       können. Auch [8][München] hätte sich mit Garmisch-Partenkirchen um ein Haar
       für die Spiele 2022 beworben. In Bürgerentscheiden wurde die Idee
       niedergestimmt.
       
       ## Für Garmisch längst zu groß
       
       Wer damals guten Gewissens mit Nein gestimmt hat, mag sich fragen, ob
       angesichts des Pekinger Wahnsinns ein positives Votum nicht angebracht
       gewesen wäre. Doch für einen Ort wie Garmisch-Partenkirchen sind die Spiele
       längst zu groß geworden. Weitere Eingriffe in die vom Wintersport ohnehin
       schon stark beeinträchtigte alpenländische Natur waren nicht mehr
       vermittelbar. Ob der Wintersport, vor allem der auf Schnee, in Zeiten der
       Klimakatastrophe überhaupt eine Zukunft hat, auch das wird eine Frage sein,
       die sich aufdrängt, wenn die Bilder von den Kunstschneepisten in China um
       die Welt geschickt werden.
       
       Das IOC wird diesen Fragen wie üblich gekonnt ausweichen und sich erst
       einmal an den magischen Bildern von den Sportstätten in China ergötzen. Die
       Olympischen Winterspiele von Peking sind gewiss die finstersten, die seit
       Langem stattgefunden haben. Den meisten Bildern von dort wird man es nicht
       ansehen.
       
       3 Feb 2022
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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