# taz.de -- Berlinale trotz Corona: Gegen die Wand
       
       > Um die Berlinale, die am 10. Februar in Berliner Kinos startet, ist ein
       > Streit entbrannt. Ist es eine mutmachende Geste oder Leichtsinn?
       
 (IMG) Bild: Der künstlerische Leiter Carlo Chatrian (re.) und die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek
       
       Noch sechs Tage, dann wird sie eröffnet, [1][die 72. Berlinale. Und zwar
       als reine Präsenzveranstaltung]. Daran ist nicht mehr zu rütteln. Ein
       Wahnsinn, der vom künstlerischen Leiter Carlo Chatrian, der
       Geschäftsführerin Mariette Rissenbeck und Kulturstaatsministerin Claudia
       Roth als große, mutmachende Geste verkauft wird: Der Film braucht das Kino.
       
       Noch sechs Tage, dann wird der Tanker der deutschen Festivallandschaft mit
       Ansage gegen die (Omikron-)Wand gesetzt. Die Journalistinnen Anna Wollner
       (rbb) und [2][Wenke Husmann (Zeit Online)] haben bereits Argumente gegen
       die Großveranstaltung ausgebreitet: Mögen die Kinos unter Einhaltung
       strenger Hygienekonzepte noch so sicher sein, der unvermeidliche
       Festivaltrubel verträgt sich nicht mit der pandemischen Lage der
       Hauptstadt, mit Kitaschließungen und der politischen Forderung, die
       Ausbreitung von Omikron abzubremsen.
       
       Während Berlin die Präsenzpflicht an Schulen ausgesetzt hat, führt die
       Berlinale sie ein. So geht Zynismus.
       
       ## Alte Machtfragen und selbstgerechte Privilegien
       
       Noch sind wir nicht raus aus dem Corona-Wahnsinn, und es ist eine Sache des
       Anstands, mit all jenen solidarisch zu bleiben, die unter der angeblich
       abklingenden Pandemie weiter leiden. Doch geht es nicht nur um die sich
       auftürmenden Fallzahlen, um Gesundheit und Moral. Die Absage jedweden
       Onlineangebots erweist dem Kino einen Bärendienst, der über die Pandemie
       hinausweist; es geht zurück. In der trotzigen Verweigerung von progressiven
       digitalen Lösungen geht es um alte Machtfragen und selbstgerechte
       Privilegien.
       
       Filmverleiher (Neue Visionen) und Vorstandsmitglied der AG Verleih
       [3][Torsten Frehse] ist nach Anna Wollners Kommentar in den sozialen Medien
       eskaliert: Menschen wie Wollner und Husmann argumentierten „kultur- und
       damit demokratiefeindlich“.
       
       Abgesehen von der Kinokunst war und ist die Berlinale eine elitäre
       Branchenveranstaltung, auf der die Macht der Mächtigen sich selbst feiert,
       allen voran die Förderer auf ihren pompösen Empfängen. Ein hybrides
       Festival hingegen bräche ein wenig mit Glanz und Gloria.
       
       Niemand hat das Kino angegriffen. Ein hybrides Festival bietet die
       Möglichkeit – Sundance hat es vorgemacht –, die Filme einem breiten
       Publikum zu präsentieren. Endlich geht es um das Wesentliche. [4][Streaming
       bedeutet nicht Untergang, ist nicht mit der Marktmacht von Netflix
       gleichzusetzen.] Es erlaubt auch Menschen abseits der Großstädte, Filme zu
       entdecken, durch die sie sich vielleicht überhaupt erst wieder in das Kino
       verlieben. Denn etwas zu retten, das niemand mehr liebt, ist ein ermüdender
       Verteidigungskampf, der am Ende nur unendlich wütend macht.
       
       4 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Berlinale-Programm-2022/!5829086
 (DIR) [2] https://www.zeit.de/kultur/film/2022-01/berlinale-programm-corona-kommentar
 (DIR) [3] https://www.artechock.de/film/text/interview/f/frehse_2022.html
 (DIR) [4] /Streaming-und-die-Zukunft-des-Kinos/!5746785
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Seidler
       
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