# taz.de -- Auslandseinsatz in Mali: Ein Abzug löst gar nichts
       
       > Die westlichen Streitkräfte in Mali sind nicht gescheitert. Das Problem
       > ist die Abwesenheit des Staates – das kann nur die malische Regierung
       > lösen.
       
 (IMG) Bild: Bei ihrer Ankunft wurden sie noch gefeiert: Französische Truppen beim Abzug aus Mali
       
       Es ist verständlich, dass nun über den Mali-Einsatz debattiert und der
       [1][Abzug der Streitkräfte gefordert] wird. Die Bundeswehr ist schließlich
       seit 2013 in dem westafrikanischen Land. Die malische Armee sollte zügig
       wieder aufgebaut und besser für den Anti-Terror-Kampf aufgestellt werden.
       Der Schritt war bitter nötig nach Aufständen von Teilen der
       Tuareg-Bevölkerung Ende 2011, einem Staatsstreich im März 2012, der
       monatelangen Besatzung des Nordens durch die Terrorgruppen Mujao (Bewegung
       für Einheit und Dschihad in Westafrika) und Ansar Dine (Verteidiger des
       Islam).
       
       Als die erste französische Mission Serval noch im Land war, wurde zügig
       EUTM, die Ausbildungsmission der Europäischen Union, 60 Kilometer nördlich
       der Hauptstadt Bamako in Koulikoro aufgebaut. Wenig später erhielt die
       Mission der Vereinten Nationen zur Stabilisierung von Mali (Minusma) ihr
       erstes Mandat. Deutschland kann derzeit bis zu 1.700 Soldat*innen in den
       Sahelstaat entsenden, 1.100 für die Minusa, den Rest für EUTM.
       
       Gebracht hat das allerdings – so wirkt es – viel zu wenig: Im Norden und
       Zentrum sind weiterhin der „Islamische Staat in der Größeren Sahara“ (EIGS)
       sowie die Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM)
       aktiv. Aus der malischen Region Mopti, durch die sich der Fluss Niger
       zieht, berichten Bewohner*innen, dass Dschihadisten längst ganze Dörfer und
       den Handel kontrollieren sowie eigene Strukturen aufbauen.
       
       Der Terror wandert weiter in Richtung Süden. Auch wenn Städte wie Timbuktu
       und Gao sicherer als noch vor einigen Jahren sind, kommt es in der Umgebung
       zu Überfällen durch bewaffnete Banden. Außerdem haben Konflikte zwischen
       verschiedenen Ethnien zugenommen, die eigene Selbstverteidigungsmilizen
       gegründet haben. Mitunter kommt es zu einer Vermischung mit den
       Terroristen. Doch auch die malischen Streitkräfte fallen – so kritisieren
       es mehrere UN-Berichte – durch Menschenrechtsverletzungen auf. Von den
       Lebensbedingungen vieler ganz zu schweigen: Mehr als 400.000 Personen sind
       derzeit im eigenen Land auf der Flucht und mehr als 7,5 Millionen Menschen
       hungern.
       
       ## Probleme sind strukturell begründet
       
       Dass die Missionen als gescheitert betrachtet werden, liegt allerdings auch
       an den von Anfang an völlig überzogenen Erwartungen. Als die ersten
       französischen Soldat*innen Anfang Januar 2013 in Mali ankamen, wurden
       sie bejubelt, jede „Befreiung“ einer Stadt im Norden beklatscht. Es wirkte
       so, als würde es nur wenige Monate dauern und radikale Terrorgruppen
       gehören der Vergangenheit an. Der Höhepunkt sollten die Wahlen Ende Juli
       darstellen, die viele als übereilt empfanden und tatsächlich nur der alten
       Elite Auftrieb gaben.
       
       Die Probleme gehen jedoch tiefer und sind strukturell begründet: Die
       Regierung in Bamako ist für die meisten weit weg und wird als ein
       importiertes koloniales Konstrukt empfunden. Der Staat ist, von den großen
       Städten abgesehen, kaum präsent. Dabei geht es nicht nur um Sicherheit,
       sondern vor allem um Infrastruktur: Straßen, Schulen, Gesundheitszentren.
       Zahlreiche Dezentralisierungsprogramme haben das nicht verbessert.
       
       Druck übt zudem der hohe Bevölkerungsanstieg aus, der jährlich bei etwa 3
       Prozent liegt. Laut Weltbank leben knapp 42 Prozent unterhalb der
       Armutsgrenze, tatsächlich dürften es noch mehr sein. Eine ganze Generation
       wächst ohne nennenswerte Perspektiven auf, da auch der Klimawandel durch
       das Ausbleiben von Regen oder unberechenbaren Starkregen in Teilen des
       Landes große Probleme bringt. Auch diese existenziellen Sorgen machen
       anfällig dafür, von Terrorgruppen geschaffene Strukturen zu akzeptieren.
       
       Genau da liegt das Problem. Die Missionen sind nicht dafür verantwortlich,
       Strukturen zu ändern. Reformen sind Aufgabe des malischen Staates, der
       dieser nicht nachgekommen ist. Die letzte gewählte Regierung von Ibrahim
       Boubacar Keïta stürzte auch deshalb, weil die Korruption weiter zugenommen
       hatte, Wahlen nicht korrekt durchgeführt wurden und sich Politiker wie
       Keïtas Sohn Karim nicht für die Alltagsprobleme interessierten, sondern
       Geld im Ausland verprassten.
       
       ## Dialog ist die einzige Lösung
       
       [2][Ziehen sich immer mehr Länder aus den Missionen zurück,] würde das
       nicht zu einer Verbesserung führen, im Gegenteil. Es ist nicht klar, wie
       viele russische Söldner durch die Wagner-Kooperation im Land sind. Ihre
       Zahl dürfte im mittleren dreistelligen Bereich liegen. Ihre von der
       Militärregierung gerne zitierten Erfolge werden zwar bejubelt. Trotzdem
       wird ihr Einfluss sehr viel geringer sein als mitunter angenommen.
       
       Ein Abzug schafft stattdessen erneut Rückzugsräume für Dschihadisten sowie
       das organisierte Verbrechen, führen doch Schmuggelrouten durch den Norden
       Malis. Das symbolisiert: Sie haben gewonnen. Vergessen werden darf auch
       nicht, dass unklar ist, was in Mali ohne die Missionen passiert wäre.
       Möglicherweise hätten sich Gruppierungen weitaus schneller gen Süden
       ausbreiten können und vielleicht würde es in Timbuktu und Gao einen Alltag
       geben, wie ihn die Bevölkerung 2012 erlebt hat. Damals legten Islamisten
       die Scharia besonders radikal aus, sorgten für Angst und Unsicherheit.
       
       Klar ist allerdings, dass es nicht so weitergehen kann. Seit Jahren
       kritisieren Expert*innen im Land den militärischen Ansatz im Kampf gegen
       den Terrorismus, eine viel zu wenig nachhaltige Ausbildung durch EUTM,
       mangelndes Interesse an einer Zusammenarbeit. Die Liste ist lang.
       Spekulationen über Gespräche mit JNIM wurden von Regierungsseiten immer
       wieder dementiert.
       
       Dabei ist ein [3][Dialog letztendlich die einzige Lösung, egal wie unbequem
       er ist und wie aussichtslos er scheint]. Das gilt auch für die
       Übergangsregierung von Assimi Goïta und seinem Premier Choguel Maïga. Man
       mag sich andere Ansprechpartner wünschen. Lässt man aber eine
       Zusammenarbeit immer weiter abbrechen, hilft das der Bevölkerung nicht. Es
       stärkt eher den aufkeimenden Nationalismus im Land und sorgt für eine
       weitere Spaltung.
       
       23 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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