# taz.de -- Sexualisierte Gewalt durch Geistliche: Benedikt streitet Vorwürfe ab
       
       > Der emeritierte Papst bittet die Opfer sexualisierter Gewalt durch
       > Priester um Verzeihung. Er wehrt sich aber gegen die Anschuldigung,
       > solche Fälle vertuscht zu haben.
       
 (IMG) Bild: Will von nichts gewusst haben: der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Februar 2015
       
       ROM/MÜNCHEN dpa/afp | Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat zentrale
       Vorwürfe im Münchner Skandal um sexualisierte Gewalt durch Priester
       zurückgewiesen. In einer [1][Ordinariatssitzung zu einem Priester im Jahr
       1980] sei es weder um dessen Taten noch dessen geplanten seelsorgerischen
       Einsatz im Münchner Erzbistum gegangen, hieß es in einer am Dienstag vom
       Vatikan veröffentlichten Erklärung seiner persönlichen Berater. Benedikt
       richtete in einem Brief zugleich eine „aufrichtige Bitte um Entschuldigung“
       an sämtliche Opfer.
       
       „Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso
       größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen
       Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind“, schrieb er in der
       Stellungnahme.
       
       Er wolle seine „tiefe Scham“, seinen „großen Schmerz“ und seine
       „aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen
       Missbrauchs zum Ausdruck bringen“, heißt es in dem Schreiben weiter.
       
       Benedikt, der frühere Kardinal Joseph Ratzinger, [2][steht seit Wochen
       heftig in der Kritik], weil ihm ein Gutachten zu Fällen sexualisierter
       Gewalt im Erzbistum München und Freising Fehlverhalten in vier Fällen
       vorwirft. Die Gutachter der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW)
       gehen davon aus, dass Ratzinger in seiner Zeit als Münchner Erzbischof
       Priester, die Kindern sexualisierte Gewalt angetan hatten, wieder in der
       Seelsorge einsetzte.
       
       ## Mindestens 235 mutmaßliche Täter
       
       Diese Vorwürfe werden in einem ebenfalls am Dienstag veröffentlichten
       „Faktencheck“ von Ratzingers Anwälten und Beratern kategorisch
       abgestritten. „Das Gutachten enthält keinen Beweis für einen Vorwurf des
       Fehlverhaltens oder der Mithilfe bei einer Vertuschung“, heißt es darin.
       „Als Erzbischof war Kardinal Ratzinger nicht an einer Vertuschung von
       Missbrauchstaten beteiligt.“
       
       Benedikt äußerte sich auch selbst zu Vorwürfen, er habe über seine
       Teilnahme an einer Sitzung gelogen, in der es um die Versetzung eines
       Priesters von Nordrhein-Westfalen nach Bayern ging. Dieser Priester soll
       später in zwei oberbayerischen Gemeinden wieder Kindern Gewalt angetan
       haben. Die falsche Angabe, er sei bei der fraglichen Sitzung nicht dabei
       gewesen, beruhe auf einem Missverständnis. Das habe sich beim Verfassen der
       Stellungnahme zu dem Gutachten ergeben, bei dem „eine kleine Gruppe von
       Freunden“ ihm geholfen habe.
       
       „Bei der Riesenarbeit jener Tage – der Erarbeitung der Stellungnahme – ist
       ein Versehen erfolgt, was die Frage meiner Teilnahme an der
       Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 betrifft“. Der Fehler sei „nicht
       beabsichtigt“ gewesen – und „so hoffe ich, auch entschuldbar“, schreibt
       Benedikt. „Dass das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit
       zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen.“
       
       Die Teilnahme an der Sitzung belege nicht, dass er von früheren Taten des
       Priesters aus Essen gewusst habe, betonen Ratzingers Anwälte. Die Akten
       zeigten, „dass in der fraglichen Sitzung nicht thematisiert wurde, dass der
       Priester sexuellen Missbrauch begangen hat“, schreiben sie.
       
       Laut dem am 20. Januar vorgestellten Gutachten wurde mindestens 497 Kindern
       und Jugendlichen zwischen 1945 und 2019 in dem katholischen Bistum von
       Priestern, Diakonen oder anderen Mitarbeitern der Kirche sexualisierte
       Gewalt angetan. Mindestens 235 mutmaßliche Täter gab es demnach – darunter
       173 Priester und 9 Diakone. Allerdings sei dies nur das „Hellfeld“ – es sei
       von einer viel größeren Dunkelziffer auszugehen.
       
       In seinem Brief bittet Ratzinger die Gläubigen, für ihn zu beten: „Immer
       mehr verstehe ich die Abscheu und die Angst, die Christus auf dem Ölberg
       überfielen, als er all das Schreckliche sah, das er nun von innen her
       überwinden sollte“, schreibt er. „Dass gleichzeitig die Jünger schlafen
       konnten, ist leider die Situation, die auch heute wieder von Neuem besteht
       und in der auch ich mich angesprochen fühle.“
       
       8 Feb 2022
       
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