# taz.de -- Solardachpflicht in Niedersachsen: Keine sonnigen Aussichten
       
       > Eine Novelle des niedersächsischen Klimagesetzes steht an. Enthalten ist
       > eine Solardachpflicht – die ist den Grünen aber zu spät und zu wenig.
       
 (IMG) Bild: Bei Bestandsgebäuden soll die Solardachpflicht in Niedersachsen nicht gelten
       
       Wenn in der Politik etwas faul genannt wird, ist damit meistens ein
       Kompromiss gemeint. So ist es auch diesmal. Es geht um eine Novelle des
       Niedersächsischen Klimagesetzes, hart umkämpft zwischen SPD und CDU. Man
       habe sich auf Eckpunkte verständigt, teilt die Groko jetzt mit. Im Sommer
       sollen die Gesetzesänderungen im Landtag verabschiedet sein, vor dem Ende
       der Legislaturperiode.
       
       Man trete dem Klimawandel „mit Entschlossenheit entgegen“, sagt Marcus
       Bosse, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Die Einigung
       sei „eine gute Nachricht für das Klima und für künftige Generationen“, sagt
       Martin Bäumer, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.
       
       Einer der Kernpunkte der Novelle ist [1][die Solardachpflicht]. Sie soll
       für alle Neubauten festgeschrieben werden, auch für Wohngebäude. Aber was
       für Bosse und Bäumer ein „bedeutsamer Baustein für die klimaneutrale
       Erzeugung und Bereitstellung von Energie“ ist, ist für Christian Meyer,
       Fraktionsvize der Grünen im Hannoveraner Landtag, nur ein „fauler
       Kompromiss“.
       
       Das Problem: Die Pflicht zur Photovoltaikanlage gilt erst ab 2025. Und
       Bestandsbauten, deren Dächer saniert werden, sind ausgenommen – mithin der
       Großteil aller Gebäude. „Das ist ein Tritt auf die Bremse“, sagt Meyer zur
       taz. „Was wir brauchen, ist ein Turbo! Warum noch Jahre warten? Warum so
       unentschlossen? Warum ein solcher Beschluss erst so spät?
       Unverantwortlich!“
       
       ## Niedersachsen ist nicht so konsequent
       
       Meyer lobt Baden-Württemberg. Da gilt die Photovoltaik-Pflicht für alle
       Neubauten von Nicht-Wohngebäuden schon seit Januar 2022. Ab Mai sind auch
       die Privathäuser dran. Und ab Januar 2023 kommen die Bestandsgebäude dazu,
       bei umfassenden Dachsanierungen. Auch Berlin macht es besser. Die
       Solarpflicht wird dort [2][ab Januar 2023] gelten – auch für
       Bestandsgebäude.
       
       So konsequent ist Niedersachsen nicht. Eine Zögerlichkeit, die sich auch
       bei den landeseigenen Gebäuden zeigt. Dass das Land eine „Vorbildfunktion“
       einnimmt, wie SPD-Umweltsprecher Bosse sagt, kann Meyer nicht erkennen. Die
       Landesregierung sieht vor, bis 2025 mindestens 30 Prozent der landeseigenen
       PV-fähigen Dachflächen mit Anlagen auszustatten. Bis 2040 solle das auf 100
       Prozent steigen.
       
       In der Fragestunde „Land bei Klimaschutz als Vorbild? – Warum gibt es fast
       keine Solaranlagen und Ladestationen bei Landesgebäuden?“ ging Meyer am 25.
       Februar im Landtag Hannover hart mit der Landesregierung ins Gericht:
       „Selbst vor der eigenen Haustür“ bekomme sie die Energiewende „nicht
       gebacken“. Das sei eine Bilanz, „bei der man die Solaranlagen quasi mit der
       Lupe suchen muss“. Die Untätigkeit komme uns für die Zukunft teuer zu
       stehen: „Von daher versündigen Sie sich an unserem Landesvermögen und an
       der Landeskasse, indem Sie unsere Gebäude nicht klimaneutral machen, nicht
       effizient machen, nicht einsparen, sondern immer zögerlich alles
       hinausschieben.“ Darauf habe er „keinen Bock mehr“.
       
       Der Hintergrund: Das Land verfügt bei seinen knapp 3.000 Gebäuden zwar über
       2,6 Millionen Quadratmeter Dachfläche, und 1,5 Millionen davon weisen ein
       mittleres bis sehr hohes Solarpotenzial auf. In den letzten Jahren ist auf
       diesen Dächern allerdings fast nichts geschehen.
       
       ## Großaufgabe für die Politik
       
       Für die Kleine Anfrage „Landeseigene Gebäude für Solarstrom nutzen: Wie
       kommen die Pläne der Landesregierung voran?“ der Landtags-Grünen antwortete
       das niedersächsische Finanzministerium im Januar 2022 auf die Frage, wie
       viele Solaranlagen seit 2020 realisiert wurden und wie viel Strom sie pro
       Jahr erzeugen: „14 Solaranlagen mit einer Leistung von rund 1.057 kWp
       errichtet und erzeugen ca. 911 MWh/a Solarstrom.“ Weitere 25 Solaranlagen
       seien „in Planung“. Für Meyer sind diese Zahlen ein Skandal. „Das ist
       nichts! Bislang sind nur 0,5 Prozent der Landesdächer mit Photovoltaik
       ausgestattet.“
       
       Auch eine Lektüre des jüngst vorgestellten Positionspapiers
       „Photovoltaiknutzung in Niedersachsen“ des Naturschutzbundes (Nabu)
       Niedersachsen dürfte der Landesregierung zeigen, das sie nur Stückwerk
       vorlegt. Der Nabu begrüßt zwar die neuesten Entschlüsse für ein
       verschärftes Klimaschutzgesetz, auch die Photovoltaikanlagen-Pflicht. Doch
       noch immer seien diese Maßnahmen „zu langsam“ oder bewegten sich „in eine
       falsche Richtung“. Auch der Nabu besteht darauf, dass Bestandsbauten
       mitgedacht werden.
       
       Reenie Vietheer, Expertin Erneuerbare Energien bei Greenpeace Deutschland,
       sieht das genauso. Sie arbeitet auf eine bundesgesetzliche Regelung der
       Solarpflicht hin: „Natürlich muss es da auch um Bestandsbauten gehen, nicht
       nur um Neubauten. Da muss das Gewerbe mit rein, die Parkflächenüberdachung,
       die Freifläche neben Autobahnen und Eisenbahntrassen. Und es muss eine
       Prüfpflicht für kommunale Dächer geben.“ Eine Großaufgabe für die Politik.
       
       16 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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