# taz.de -- S(ch)ichtwechsel #11
       
       > Öffentliches Nachdenken über Privilegien, Urlaub, Corona und den Krieg
       
       Ich sitze vor meinem Lieblingscafé und trinke einen Eiskaffee. Es ist Ende
       März und fast 20 Grad warm. In der Ukraine tobt währenddessen der russische
       Angriffskrieg und ich frage mich, wie ich helfen kann. Sollte ich jemanden
       aufnehmen in die Zwei-Zimmer-Wohnung, die ich mit meinem Bruder bewohne?
       Sollte ich mich an den Berliner Hauptbahnhof stellen und Hilfe
       organisieren?
       
       Ich frage mich, wie ich helfen kann, und frage mich gleichzeitig nach
       meinem Sommerurlaub. Ist das egoistisch? Die Ukrainer:innen bangen um
       ihr Leben, fliehen aus der Heimat und ich denke an die Toskana, Oliven und
       Pinienkerne. Aber darf ich da überhaupt noch hinfliegen?
       
       Während sich meine inneren Urlaubsdebatten in den vergangenen Jahren um
       Flugscham und meinen CO2-Fußabdruck drehten, kommt jetzt noch eine Frage
       dazu: Darf ich in den Urlaub fahren, während Russland die Ukraine in Schutt
       und Asche legt? Es scheint mir unangemessen. Doch den Ukrainer:innen ist
       auch nicht geholfen, wenn ich nicht in den Urlaub fliege. Es dürfte ihnen
       ziemlich egal sein.
       
       Und auch die Reaktionen auf diesen Text stelle ich mir vor: Wie
       privilegiert ist es bitte, jetzt über seinen Urlaub nachzudenken? In der
       Ukraine herrscht Krieg und dann so ein Artikel?
       
       Privilegiert ist es ganz bestimmt. Weil ich einer Klasse angehören, die
       sich den jährlichen Sommerurlaub leisten kann. Es ist aber auch ein
       öffentliches Nachdenken nach zwei Jahren Pandemie und zwei
       Corona-Erkrankungen trotz Impfung. Anderen geht es schlechter und wir
       sollten alles Mögliche tun, um ihnen zu helfen. Das heißt aber nicht, dass
       wir nicht auch auf unsere eigene Gesundheit achten sollten. Viele sind
       ausgelaugt und gesundheitlich angeschlagen. Ein Urlaub kann da manchmal
       Wunder wirken.
       
       Ich trinke also meinen Kaffee aus und gehe nach Hause. Ich setze mich vor
       den Computer und schaue nach möglichen Reisezielen. Wie wär’s mit Kreta?
       Vincent Bruckmann
       
       Hier schreiben unsere Autor*innen wöchentlich über Klima, Klasse und
       Krieg.
       
       26 Mar 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Vincent Bruckmann
       
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