# taz.de -- Belagerte Stadt in der Ukraine: Der Diktator übernimmt
       
       > Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow ist angeblich seit Montag in
       > Mariupol. Doch ein Foto zeigt ihn in Russland.
       
 (IMG) Bild: Ein junges Mädchen läuft vor einem zerstörten Wohnhaus in Mariupol am 28. März
       
       BERLIN taz | Die schwarz gebrannten Häuser von Mariupol, Frauen, die mit
       zwei Kanistern durch Trümmer laufen, um Wasser zu holen, weinende Männer
       vor einem Berg von Steinen, die einmal die eigene Wohnung waren – all diese
       Bilder aus der ukrainischen Hafenstadt Mariupol erinnern sehr an die
       Eroberung der Hauptstadt Tschetscheniens, Grosnij, durch russische Truppen
       1994 und 1995.
       
       Auch damals hatten die russischen Truppen eine Stadt dem Erdboden
       gleichgemacht und mit anschließenden „Säuberungsaktionen“ die Bevölkerung
       terrorisiert. Der einzige Unterschied zu damals ist, dass Russland
       Separatisten bekämpft hatte, während es dieses Mal auf der Seite der
       Separatisten steht. Und damit auch dem Letzten der Zusammenhang zwischen
       Grosnij und Mariupol deutlich wird, leitet den russischen Kampf zur
       Eroberung von Mariupol der Diktator Tschetscheniens, [1][Ramsan Kadyrow.]
       
       Der soll, so berichtet die russische Nachrichtenagentur interfax.ru unter
       Berufung auf das tschetschenische Fernsehen grozny.tv, am Montag in
       Mariupol eingetroffen sein. „Ramsan Kadyrow hält sich in Mariupol auf und
       leitet persönlich die Sonderoperation zur Befreiung von Mariupol“, so
       interfax.ru. Der Chef der Tschetschenischen Republik, heißt es weiter, habe
       sich auch mit dem Kommandeur der russischen 8. Gardearmee, General
       Mordwitschew, getroffen.
       
       Mit diesem habe man die in zwei Tagen geplante Blockade der Fabrik Asowstal
       und die anschließenden „Säuberungsaktionen“ in den nächsten drei bis vier
       Tagen besprochen. Am Montagabend veröffentlichte Denis Pushilin, Chef der
       „Volksrepublik“ Donezk, auf seinem Telegram-Kanal ein Foto, das ihn vor
       einer russischen Fahne und Fenstern mit heruntergelassenen Rollladen mit
       Ramsan Kadyrow zeigt.
       
       Vielleicht deuten die Rollladen darauf hin, dass man nicht wollte, dass der
       Betrachter des Fotos Rückschlüsse auf deren Aufenthaltsort ziehen könnte.
       Interessant ist ein weiteres am 29. März im russischen Netz VKontakte
       veröffentlichtes Photo von Ramsan Kadyrow, das diesen betend, geschützt von
       einem bewaffneten Kämpfer, der neben einem Mercedes steht, auf einer
       Tankstelle zeigt. Merkwürdig an diesem Foto sei, kommentiert der
       ukrainische [2][Telegram-Kanal Hueviy Charkow], dass Kadyrow vor einer
       Tankstelle des russischen Unternehmens Rosneft bete. Und derartige
       Tankstellen gebe es gar nicht in der Ukraine.
       
       Humanitäre Katastrophe 
       
       Unterdessen fordert der Bürgermeister von Mariupol, Wadim Bojtschenko, die
       vollständige Evakuierung der Stadt. Derzeit halten sich nach Angaben der
       städtischen Behörden noch 160.000 Menschen in Mariupol auf, berichtet die
       Ukrajinska Prawda. Die Stadt, die seit dem 1. März weitgehend von der
       Außenwelt abgeschnitten sei, so Bojtschenko, befinde sich am Rande einer
       humanitären Katastrophe. Am Montag hätten zwar 26 Busse für eine
       Evakuierung bereitgestanden, so der Bürgermeister, aber die Russen, die die
       Stadt eingekesselt haben, hätten eine Evakuierung nicht erlaubt.
       
       Nach Ansicht des Bürgermeisters verhalten sich die Besatzer wie
       Terroristen. „Sie wollten uns als Nation zerstören. Was in Mariupol und
       Tschernihiw geschieht, ist ein Genozid“, sagte Bojtschenko. In der
       vergangenen Woche konnten 26.477 Menschen von Mariupol nach Saporischschja
       evakuiert werden. Auch für Dienstag war eine Evakuierung mit Pkws geplant.
       
       Unterdessen berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur Unian von
       gespenstischen Bildern aus einem überfüllten Leichenschauhaus in Mariupol.
       Viele Tote passten nicht mehr in das Haus und würden am Eingang gestapelt
       aufbewahrt. Im vergangenen Monat sind bei der Belagerung der Stadt, so die
       Ukrajinska Prawda, fast 5.000 Menschen, darunter etwa 210 Kinder ums Leben
       gekommen. 30.000 Bewohner seien gegen ihren Willen nach Russland deportiert
       worden.
       
       29 Mar 2022
       
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