# taz.de -- Miniserie „Shining Girls“: Frau jagt Frauenmörder
       
       > In „Shining Girls“ reist ein Serienmörder durch die Zeit. Das Konzept
       > unterhält dank Sci-Fi-Facette im Thriller-Plot und Elisabeth Moss.
       
 (IMG) Bild: Moss spielt in der Serie Kirby Mazrachi, eine Archivarin einer großen Chicagoer Tageszeitung
       
       Ein Serienmörder, der ausschließlich Jagd auf junge Frauen macht: eine
       Ausgangslage, die bereits Thema ermüdend vieler popkultureller Erzeugnisse
       gewesen ist. Ihr etwas Spannendes abzugewinnen ist denkbar schwierig.
       Obendrein keine Geschichte zu erzählen, die Frauen vor allem in die Rolle
       der Opfer drängt, ebenso.
       
       „Shining Girls“ gelingt beides. Die acht Episoden der Miniserie, die auf
       dem gleichnamigen Roman von Lauren Beukes basieren, sind fesselnd und
       entbehren gleichsam keines feministischen Tenors. Und eigentlich ist das
       keine Überraschung, schließlich hat die Produktion einen bedeutenden
       TV-Trumpf im Ärmel. Und der heißt Elisabeth Moss.
       
       Die 39-Jährige – berühmt gewoden vor allem durch ihre „Rolle in „Mad Men“ –
       beeindruckt vor allem durch ihr intensives Schauspiel. Eine flagrante Mimik
       – dazu gehören Gesichtsausdrücke, die wahlweise von Verzweiflung, Rage oder
       manischer Freude nahezu bis zur Unkenntlichkeit verzerrt sind – ist
       charakteristisch für sie.
       
       Im dystopischen [1][„The Handmaid’s Tale“] kämpft sie als June Osborne in
       einem frauenunterdrückendem Gottesstaat gegen ihre Peiniger*innen an.
       In der Serie stößt sie auf einen Spruch, der die Maxime vieler ihrer Rollen
       sein könnte: „Nolite te bastardes carborundorum“, also „Lass dich von den
       Mistkerlen nicht unterkriegen“.
       
       ## Wenn aus der Katze ein Hund wird
       
       Das gilt auch für ihre Rolle in „Shining Girls“: Kirby Mazrachi, die als
       Archivarin einer großen Chicagoer Tageszeitung eigentlich ein beschauliches
       Leben zu führen scheint. Leicht gelangweilt schiebt sie ihren Aktenwagen –
       da „Shining Girls“ in den Neunzigern angesiedelt ist, dekadentypisch mit
       Walkman-Kopfhörern auf den Ohren – durch die Bürogänge. Die Wohnung teilt
       sie sich mit ihrer Punk-Mutter Rachel (Amy Brenneman) und ihrer Katze.
       
       Allerdings ist das nur eine Version ihres Lebens. Binnen eines Augenblicks
       können sich kleinere Details ändern: Dann wird aus der Katze plötzlich ein
       Hund – dann wird der Kollege Marcus (Chris Chalk) plötzlich zum
       langjährigen Ehemann. Kirby versucht mithilfe umfangreicher Notizen einen
       Überblick über ihre eigene Vita zu behalten, jedoch vergeblich.
       
       Ausgerechnet als in der städtischen Kanalisation eine weibliche Leiche
       gefunden wird, schöpft sie neue Hoffnung. Denn das Opfer weist Spuren auf,
       die Kirby annehmen lassen, dass es sich beim Mörder um ihren eigenen
       Peiniger handelt, dem sie sechs Jahre zuvor nur knapp entkam.
       
       ## Nicht „wer“, sondern „wie“ ist die Frage
       
       Die Serie, bei der Moss zusammen mit Michelle MacLaren („[2][Breaking
       Bad]“) und Daina Reid („The Handmaid’s Tale“) auch Regie geführt hat, rückt
       dennoch nicht die Frage ins Zentrum, „wer“ die Tat begangen hat, sondern
       vielmehr „wie“ sie begangen werden konnte. Um sich dann zu fragen, wieso
       seither Kirbys Leben im ständigen Wandel ist.
       
       Gemeinsam mit dem Journalisten Dan Velazquez („Narcos“-Hauptdarsteller
       Wagner Moura) versucht sie mehr über den Täter (Jamie Bell) herauszufinden
       und muss dabei bald feststellen, dass er durch die Zeit reist und sein
       Handeln unmittelbaren Einfluss auf ihre Lebensumstände nimmt.
       
       Das fügt dem Psychothriller-Plot eine ungeahnte, originelle Sci-Fi-Facette
       hinzu und lässt ihn eine ganz andere als die erwartete Richtung nehmen. Ist
       das Muster des Täters erst einmal erkannt, geht es vor allem darum,
       potenzielle nächste Opfer zu schützen. Dass Kirby mit einem von ihnen, der
       Astronomin Jin-Sook (Phillipa Soo), zusammenarbeitet, um sich gemeinsam zur
       Wehr zu setzen, bewahrt „Shining Girls“ vor der durchgängigen
       Viktimisierung von Frauen.
       
       Was, trotz der ein oder anderen durchaus vorhandenen Länge, schließlich bis
       zum Finale zum Dranbleiben animiert, ist dann vor allem die Frage, ob sich
       Moss auch von diesem Mistkerl nicht unterkriegen lässt.
       
       28 Apr 2022
       
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