# taz.de -- Nordkorea meldet Test von Lenkwaffen: Trägersystem für Atomwaffen?
       
       > Nordkorea hat seit Jahresanfang bereits mehrere Waffentests durchgeführt.
       > Im jüngsten Fall handelt es sich offenbar um ein neues Waffensystem.
       
 (IMG) Bild: Fernsehnachrichten in Seoul über Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un
       
       SEOUL dpa | Nordkorea hat nach eigenen Angaben weitere Fortschritte bei der
       beabsichtigten Stärkung der eigenen Kapazitäten für einen Atomschlag
       gemacht. Das Land habe erfolgreich eine neuartige taktische Lenkwaffe
       getestet, berichteten die Staatsmedien am Sonntag, ohne den Zeitpunkt des
       Tests oder andere Details zu nennen. Doch hieß es, die Entwicklung dieses
       Waffensystems sei von großer Bedeutung, um die Feuerkraft von
       Artilleriegeschützen an der Frontlinie und die Effizienz beim Einsatz von
       „taktischen Atomwaffen“ zu erhöhen. Machthaber Kim Jong Un habe den Test
       überwacht.
       
       Unter taktischen Atomwaffen oder nuklearen Gefechtsfeldwaffen versteht man
       Kernwaffen, deren Wirkungskreis und Sprengkraft deutlich geringer ist als
       bei strategischen Atomwaffen, die über einen Kontinent hinaus eingesetzt
       werden können. Sie könnten bei Kämpfen theoretisch als wirkmächtige
       Alternative zu herkömmlichen Waffen eingesetzt werden, beispielsweise als
       Kurzstreckenraketen, Artilleriegeschosse oder auch Landminen. Sie könnten
       beispielsweise auch von Flugzeugen als Bomben abgeworfen werden.
       
       ## Atomwaffenprogramm – eines der gefährlichsten Konflikte
       
       Der Test erfolgte in einer Zeit größerer Unsicherheit auf der koreanischen
       Halbinsel. Die USA und ihr Bündnispartner Südkorea befürchten, dass das
       abgeschottete Nordkorea nach seinen jüngsten Raketentests auch schon bald
       wieder einen neuen Atomtest unternehmen könnte.
       
       [1][Nordkoreas Atomwaffenprogramm] gehört zu den gefährlichsten Konflikten
       weltweit. Das Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri schätzt auf
       Basis des produzierten spaltbaren Materials, dass das Land 40 bis 50
       Atomsprengköpfe bauen oder gebaut haben könnte. Nordkorea hatte sich 2003
       aus dem Vertrag über eine Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen
       zurückgezogen. Die international isolierte kommunistische Führung in
       Pjöngjang sieht in den Atomwaffen eine Überlebensgarantie. Sie hält an
       ihrem Atomprogramm trotz harter UN-Sanktionen fest und nimmt damit in Kauf,
       dass die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gehemmt wird.
       
       Die Angaben Nordkoreas zum jüngsten Waffentest können nicht unabhängig
       überprüft werden. Der Generalstab der südkoreanischen Streitkräfte
       bestätigte zwar den Test, sprach aber zunächst von zwei „Projektilen“, die
       Nordkorea am Samstagabend (Ortszeit) in Richtung offenes Meer im Osten
       abgefeuert habe. Sie seien etwa 110 Kilometer weit geflogen, bei einer
       Flughöhe von bis zu 25 Kilometern. Experten vermuteten, dass es sich dabei
       um ballistische Kurzstreckenraketen handeln könnte.
       
       ## USA wird als Hauptfeind betrachtet
       
       UN-Resolutionen verbieten Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen
       jeglicher Reichweite, die je nach Bauart auch einen Atomsprengkopf tragen
       können. Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die
       meistens über ein Steuerungssystem verfügen.
       
       Nordkoreas Machthaber brachte den jüngsten Waffentest in direkten
       Zusammenhang mit den Vorgaben der herrschenden Arbeiterpartei, die nukleare
       Abschreckung Nordkoreas zu verstärken. Kim habe angewiesen, die
       „Verteidigungsfähigkeiten und die Nuklearstreitmacht auszubauen“, wurde er
       zitiert.
       
       Kim hatte im Januar 2021 die Entwicklung taktischer Atomwaffen sowie
       [2][neuer Interkontinentalraketen (ICBM)] mit Feststoffantrieben gefordert,
       die auch die USA erreichen könnten. Die Vereinigten Staaten hatte er als
       „Hauptfeind“ bezeichnet. Taktische Atomwaffen zählen dabei zu einem großes
       Spektrum nichtstrategischer nuklearer Waffen. Nordkoreas
       Kurzstreckenraketen sollen laut Experten vor allem dazu dienen, etwa Ziele
       im benachbarten Südkorea treffen und der gegnerischen Raketenabwehr
       ausweichen zu können.
       
       ## Test mögliche Warnung gegen US-Militärmanöver
       
       Nordkorea hatte seit Anfang dieses Jahres bereits mehrfach Raketen
       getestet. Ende März wurden die Nachbarländer und die USA insbesondere durch
       den Abschuss einer nordkoreanischen (ICBM) alarmiert. ICBM haben
       Reichweiten von mehr als 5.500 Kilometer. Mit dieser Aktion hatte Pjöngjang
       auch ein selbst gesetztes Moratorium für solche Raketen gebrochen, das
       bisher auch für Atomtests gegolten hatte.
       
       Experten der auf Nordkorea spezialisierten Nachrichtenseite „38 North“ des
       Stimson Center in den USA berichteten zuletzt unter Berufung auf
       Satellitenbilder, dass Nordkorea offensichtlich weiter daran arbeite, einen
       Tunnel auf seinem Atomtestgelände im Norden wiederherzustellen. In dem 2018
       gesprengten Testkomplex Punggye-ri hatte das Land sechs Atomtests gemacht,
       den stärksten im September 2017.
       
       Nordkorea könnte laut Beobachtern den Zeitpunkt des jüngsten Waffentests
       auch gewählt haben, um Südkorea und den USA eine Warnung zukommen zu
       lassen. Südkoreas Militär kündigte am Sonntag an, dass beide Länder am
       Montag ein neuntägiges gemeinsames Manöver beginnen würden. Es gehe um
       „Computersimulationen“, Feldübungen seien nicht vorgesehen. Zweck sei es,
       die gemeinsamen Bereitschaftsfähigkeiten zu verbessern. Die Übungen waren
       seit längerem erwartet worden. Nordkorea wirft den USA regelmäßig vor, mit
       seinen Manövern in Südkorea einen Angriff vorzubereiten. Das wird von
       beiden Ländern bestritten.
       
       17 Apr 2022
       
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