# taz.de -- Frankreich vor der Stichwahl: Boxkampf mit gebotenem Abstand
       
       > Das TV-Duell zwischen Präsident Emmanuel Macron und seiner rechten
       > Widersacherin Marine Le Pen am Mittwoch könnte über die Stichwahl
       > entscheiden.
       
 (IMG) Bild: Macron muss am Mittwochabend mit heftigen Angriffen auf die Bilanz seiner Präsidentschaft rechnen
       
       PARIS taz | In Frankreich erinnern sich viele Wähler*innen noch an die
       Fernsehdebatte von 2017 zwischen dem damaligen Präsidentschaftskandidaten
       [1][Emmanuel Macron] und Marine Le Pen. Die Rechtspopulistin, der vor fünf
       Jahren nur krasse Außenseiterchancen eingeräumt worden waren, ging sehr
       aggressiv auf ihren jüngeren Konkurrenten los, den sie als unerfahren
       einschätzte. Sie machte sich damit aber bloß unglaubwürdig.
       
       Zudem wurde rasch deutlich, dass sie in wichtigen Fragen wie der EU-Politik
       schlecht vorbereitet war. Für sie wurde der Versuch, vor den
       Fernsehzuschauer*Innen das Ruder noch herumzureißen, zu einem
       Desaster. Wenige Tage danach unterlag sie Macron in der Stichwahl mit 34 zu
       66 Prozent der Stimmen.
       
       Le Pen hat Lehren daraus gezogen, bestimmt unterschätzt sie den Präsidenten
       dieses Mal nicht. Aus ihrem Mitarbeiterstab verlautet, sie habe sich „seit
       zwei Jahren“ auf die Gelegenheit zur Revanche vorbereitet. Macron muss
       davon ausgehen, dass er nicht so ein leichtes Spiel wie 2017 haben wird.
       Seiner Gegnerin werden reelle Aussichten auf die Wahl zum nächsten
       Staatsoberhaupt der Französischen Republik eingeräumt.
       
       Macron muss am Mittwochabend mit heftigen Angriffen auf die Bilanz seiner
       Präsidentschaft rechnen, in der er sich etliche Blößen gegeben hat. Er weiß
       auch, dass er mit Äußerungen, die ihm als Arroganz angekreidet wurden, bei
       einem Teil der Bevölkerung unpopulär, gar verhasst ist. Le Pen wird nicht
       zögern, diese Ressentiments gegen ihn auszuspielen, um ihn zu provozieren.
       
       ## Bis ins letzte Detail
       
       Die beiden Fernsehsender TF1 und France-2 bereiten die Debatte wie einen
       Box- oder Ringkampf vor. Die Regeln müssen bis ins letzte Detail geklärt
       und von beiden Seiten akzeptiert werden. Die beiden Kontrahent*innen
       sollen auf einer Distanz von exakt 2,5 Metern Platz nehmen.
       
       Schon der Streitpunkt, welche zwei Journalist*innen die Fragen stellen
       und wenn nötig als Schiedsrichter*innen einschreiten werden, musste in
       mehrtägigen Verhandlungen gelöst werden. Namentlich das Team von Marine Le
       Pen lehnte eine Journalistin von France-2 als voreingenommen ab und nannte
       andere Wunschkandidat*innen, die wiederum der Gegenseite nicht
       passten.
       
       Für beide geht es darum, ganz bestimmte Wählergruppen anzusprechen und zu
       überzeugen, die derzeit noch zögern. Marine Le Pen möchte alle, die einen
       Grund zu Unzufriedenheit haben und darum einen personellen und politischen
       Wechsel wollen, für sich gewinnen.
       
       Das war bereits das Ziel ihrer Imagekampagne als Kandidatin: Sie möchte das
       Etikett einer Extremistin loswerden und als bürgernahe Politikerin mit viel
       Verständnis für [2][die Anliegen der kleinen Leute vor allem in ländlichen
       Gebieten] betrachtet werden. Dabei besteht allerdings das Risiko, dass sie
       sich zwischen der reaktionären und rassistischen Ideologie ihrer
       traditionellen Basis und ihren sozialpolitischen Versprechen für
       Benachteiligte in Widersprüche verstrickt. Macron dagegen muss aufpassen,
       dass er mit seiner Sachkenntnis nicht als Technokrat empfunden wird.
       
       ## Linkswähler*innen gewinnen
       
       Er muss seine Gegnerin als prorussische „Putin-Vertraute“ und als Gefahr
       für die parlamentarische Demokratie entlarven, dabei aber jegliche
       Übertreibung vermeiden. Bisher funktionierte die „republikanische Front“
       der Linken und bürgerlichen Rechten und Zentristen gegen die extreme Rechte
       bei allen Wahlen fast automatisch.
       
       Das ist heute nicht mehr garantiert. Für sich gewinnen müsste Emmanuel
       Macron vor allem noch die Linkswähler*innen von Jean-Luc-Mélenchon.
       Dieser könnte mit seinen 21,5 Prozent im ersten Durchgang zum Zünglein an
       der Waage werden.
       
       20 Apr 2022
       
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 (DIR) Rudolf Balmer
       
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