# taz.de -- Missbrauchsvorwürfe an Rabbinerkolleg: Penis-Videos verschickt
       
       > Am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam soll ein Mitarbeiter Studenten
       > sexuell belästigt haben. Es handelt sich um den Ehemann des Rektors
       > Walter Homolka.
       
 (IMG) Bild: Gebäude des Abraham Geiger Kollegs im Schloßpark Sanssouci
       
       BERLIN taz | Der Zentralrat der Juden in Deutschland will eine
       Anwaltskanzlei beauftragen, Vorwürfe von sexualisierter Belästigung und
       Machtmissbrauch am liberalen Abraham-Geiger-Kolleg zu untersuchen. Eine
       „vorbehaltlose, lückenlose und völlig unabhängige Untersuchung und
       Aufklärung“ sei zwingend geboten, [1][erklärte Zentralratspräsident Josef
       Schuster]. „Es geht hier nicht nur um eine strafrechtliche Dimension der
       Taten, sondern auch um das moralische Verhalten von
       Führungspersönlichkeiten und Mitarbeitern in jüdischen Einrichtungen sowie
       den Schutz und die Rechte der Betroffenen.“
       
       Hintergrund ist ein Artikel in der Tageszeitung Welt, wonach ein
       Mitarbeiter des an die Universität Potsdam angegliederten Rabbinerseminars
       einem Studenten ein Video eines erigierten Penis geschickt haben soll.
       
       Die Vorwürfe richten sich gegen Hartmut Bomhoff – den Ehemann von Rabbiner
       Walter Homolka, der nicht nur Rektor des Kollegs ist, sondern in der
       Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland zuletzt viele andere wichtige
       Positionen bekleidete. So ist er bisher Vorsitzender der Leo Baeck
       Stiftung, der Union Progressiver Juden und Direktor des Ernst Ludwig
       Ehrlich Studienwerks für jüdische Begabtenförderung (Eles). Homolka sitzt
       außerdem im Kuratorium des Koordinierungsrats der Gesellschaften für
       christlich-jüdische Zusammenarbeit.
       
       Homolka erklärte in Folge der Vorwürfe, alle seine Aufgaben in der
       jüdischen Gemeinschaft und an der Universität Potsdam zunächst ruhen zu
       lassen. Er selbst räumte kein Fehlverhalten ein und erklärte, auf das
       Verhalten ihm nahestehender Menschen habe er „keinen Einfluss und möchte
       ihn auch nicht haben“.
       
       ## Weitreichendes Entsetzen
       
       Das [2][Abraham-Geiger-Kolleg erklärte], man habe „unmittelbar nach
       Kenntniserlangung des ersten Vorwurfs“ Ende 2020 Maßnahmen zur Aufklärung
       ergriffen, den Mitarbeiter abgemahnt und ihm den Lehrauftrag entzogen. Es
       sei eine unabhängige interne Kommission eingesetzt worden, dem betroffenen
       Studenten sei „ein umfassendes Gesprächsangebot unterbreitet“ worden, das
       dieser auch angenommen habe. Nach Bekanntwerden eines zweiten Falles im
       Februar 2022 habe man das Arbeitsverhältnis sofort beendet.
       
       Die Allgemeine Rabbinerkonferenz, in der sich die eher liberalen Strömungen
       des Judentums in Deutschland organisieren, [3][erklärte ihre „Bestürzung“]
       über die Presseberichte. Sie betonte die große Bedeutung der von Homolka
       mitinitiierten Institutionen für das jüdische Leben in Deutschland und
       forderte, die Untersuchungen sollten „mit der gebotenen Sachlichkeit und
       angemessener Zügigkeit“ vorgenommen werden – bis dahin gelte die
       Unschuldsvermutung.
       
       „Wir wissen um unsere Verantwortung, Machtmissbrauch und sexualisierte
       Übergriffe zu verhindern und zu ahnden und nehmen diese Verantwortung sehr
       ernst“, [4][erklärte Jo Frank, Geschäftsführer des Ernst Ludwig Ehrlich
       Studienwerks]. Man sei seit Erscheinen des Artikels intern in engem
       Austausch und bitte alle Stipendiat*innen und Ehemaligen, sich zu
       melden, sollten sie „unangemessenes Verhalten“ erlebt haben.
       
       Der Zentralrat erklärte, man sei sich mit dem Abraham-Geiger-Kolleg, der
       Union Progressiver Juden in Deutschland, der Allgemeinen Rabbinerkonferenz
       und dem Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk einig, „dass unter keinen
       Umständen bei solchen Vorwürfen weggeschaut werden darf“.
       
       Dass nun eine Anwaltskanzlei eingeschaltet werde, geschehe „in Abstimmung
       und mit ausdrücklicher Unterstützung“ der genannten Institutionen. Wer mit
       Vorwürfen konfrontiert sei, müsse sich verteidigen können, erklärte
       Zentralratspräsident Schuster. „Sollten sich die Vorwürfe jedoch als
       berechtigt erweisen, wäre ein Verbleib in den bisherigen Ämtern und
       Positionen und in Zukunft auch an anderen verantwortungsvollen Stellen
       innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ausgeschlossen.“
       
       Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 16.06.2022 bearbeitet.
       
       11 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zentralratderjuden.de/aktuelle-meldung/artikel/news/presseerklaerung-zu-vorwuerfen-der-sexuellen-belaestigung/
 (DIR) [2] https://www.abraham-geiger-kolleg.de/2022/05/10/stellungnahme-vom-9-mai-2022/
 (DIR) [3] http://a-r-k.de/meldung/109/
 (DIR) [4] https://eles-studienwerk.de/stellungnahme-von-eles/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
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