# taz.de -- Feiern zum 8. Mai in Berlin: Das Gedenken gelingt friedlich
       
       > Am „Ort der Kapitulation“ in Karlshorst feiern Menschen den Tag der
       > Befreiung. Im Tiergarten werden „Melnyk raus“-Rufe laut.
       
 (IMG) Bild: Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk und seine Frau Svitlana zeigen Flagge im Tiergarten
       
       BERLIN taz | „Ort der Kapitulation Mai 1945“, steht an dem Museum in
       Karlshorst. Es ist der Ort, an dem in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 die
       Deutsche Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation unterzeichnete. Bis zum
       [1][Kriegsbeginn in der Ukraine] stand dort „Deutsch-Russisches Museum“, am
       25. Februar hatten Museumsmitarbeiter die Worte „Deutsch-Russisches“
       überklebt.
       
       Wie jedes Jahr am 8. Mai hatten Museum, Kirchen, Antifa und der örtliche
       Bürgerverein zu einem Fest eingeladen. 1.500 Menschen kamen über den Tag
       verteilt. Sie kamen aus der Nachbarschaft, aber es kamen auch Touristen.
       Die am häufigsten nachgefragte Sprache bei den Führungen durchs Haus und
       durch eine Ausstellung zu sowjetischen Zwangsarbeitern im Zweiten
       Weltkrieg, von der 2021 in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation
       Memorial konzipiert, war Englisch – allerdings dicht gefolgt von Deutsch
       und Russisch.
       
       Es war ein stilles Fest, und es verlief friedlich. Auch problematische
       Sprechchöre russlandfreundlicher Demonstranten unterblieben. Am
       Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten hatten [2][am Vormittag etliche von
       ihnen „Melnyk raus“ und „Faschisten raus“ skandiert,] als der ukrainische
       Botschafter Andrij Melnyk dort am Vormittag Blumen niederlegte.
       Exilrussische und ukrainische Teilnehmer einer Kundgebung hatten
       dagegengehalten.
       
       Vor dem Haus in Karlshorst hängt die ukrainische Fahne. Die neben ihr
       hängenden Fahnen von Russland, Belarus und Deutschland hatten die
       Museumsmitarbeiter bereits am 25. Februar abgehangen. Doch das Umfeld des
       Museums gehört zu den Orten in der Hauptstadt, an denen durch eine
       Allgemeinverfügung für Sonntag und Montag das Zeigen von Uniformen und
       Fahnen aller Art untersagt wurde.
       
       Museumsdirektor Jörg Morré hat jedoch mit der Polizei verhandelt: „Unser
       Haus ist eine Bundeseinrichtung und damit quasi Privatgelände. Das
       Fahnenverbot gilt erst auf öffentlichem Straßenland.“ Das Museum hatte sich
       mit einer eigens für diesen Tag aktualisierten Hausordnung auf einen
       friedlichen Verlauf vorbereitet. Besucher durften keine eigenen Fahnen
       mitführen, keine Transparente und Schleifen. Auch Sprechchöre waren
       untersagt. Als musikalische Einlage war lediglich die Kirchenmusik des
       Posaunenchors der örtlichen evangelischen Gemeinde gestattet.
       
       In den Vorjahren waren russische Musikformationen mit Marschmusik aus
       Kriegstagen aufgetreten, unter reger Anteilnahme nicht nur der
       russischsprachigen Besucher. Diese „militarisierten Erinnerungsformen“, wie
       Museumsdirektor Morré es nennt, sollten völlig aus dem Haus gebannt werden.
       „Wir sind ja eigentlich ein Museum. Doch durch die Reaktionen unserer
       Besucher auf unser klares Statement für die Ukraine ist uns bewusst
       geworden, dass viele Besucher uns als Gedenkort wahrnehmen.“
       
       Das hätte er an zahlreicher Kritik gemerkt, mit der ihn am Sonntag Besucher
       konfrontierten, weil die russische Fahne abgehängt war. Sie sahen den Dank
       für die Befreiung durch die Sowjetunion nicht gebührend gewürdigt.
       
       Es war der evangelische Gemeindepfarrer Edgar Dusdal, der für dieses
       Dilemma die richtigen Worte fand. „Der Dank für unsere Befreiung bleibt
       gültig, auch wenn wir die Freude heute nicht ungeteilt empfinden.“
       
       Den Gottesdienst hielt er gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen
       Wilhelm Steenken in einem Zelt direkt vor einem mit Blumen geschmückten
       sowjetischen Panzer. Der ökumenische Gottesdienst wird dort jedes Jahr am
       8. Mai gefeiert. Lange hatte auch ein Priester der Russisch-Orthodoxen
       Kirche aus Karlshorst daran teilgenommen. In diesem Jahr hatten das Haus
       und die anderen Kirchen ihn nicht eingeladen, weil, so Dusdal, „wir nicht
       wissen, ob sie das für Kriegspropaganda nutzt“.
       
       Die Russisch-Orthodoxe Kirche in Karlshorst besteht seit DDR-Zeiten, wo vor
       Ort auch die Sowjetische Militäradministration ihren Sitz hatte. Sie wurde
       abwertend „Außenstelle des KGB für die Seele“ genannt. Nach der Wende nahm
       sie einerseits eine große soziale Funktion als Treffpunkt für die stetig
       wachsende russische Community wahr. Auf der anderen Seite ist dort auch der
       Sitz von Erzbischof Teofan, dem geistigen Oberhaupt seiner Kirche für
       Deutschland. Wie Patriarch Kyrill in Moskau gilt er als extrem kremltreu.
       
       8 May 2022
       
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