# taz.de -- Evakuierungen aus Mariupol: „Ihr müsst sie holen“
       
       > Mehr als Hundert Zivilisten können aus dem Asowstal-Komplex in Mariupol
       > gerettet werden. Selenski hofft auf eine Fortsetzung der Aktion.
       
 (IMG) Bild: Evakuierte Zivilisten aus dem Stahlwerk in Mariupol am 1. Mai
       
       taz | Die Rettung von Zivilisten aus dem Stahlwerkskomplex Asowstal in der
       ostukrainischen Hafenstadt [1][Mariupol] kommt offenbar voran. Es seien am
       Wochenende 126 Menschen in Sicherheit gebracht worden, teilte das russische
       Verteidigungsministerium am Montag mit. Ukraines Präsident Wolodimir
       Selenski hoffte auf eine Fortsetzung der Aktion. „Zum ersten Mal hatten wir
       zwei Tage lang eine Waffenruhe in diesem Gebiet, und wir haben es
       geschafft, mehr als hundert Zivilisten, Frauen, Kinder, herauszubringen“,
       sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache.
       
       Bilder aus dem Werk zeigten wie Kämpfer des ukrainischen Asow-Regiments
       Zivilpersonen durch Trümmer zu einem Bus halfen. Am Montag sollten
       eigentlich weitere Menschen herausgebracht werden. Die Stadtverwaltung
       widersprach am Nachmittag allerdings Angaben eines Bürgermeisterberaters,
       dass weitere Evakuierungsbusse die Stadt bereits verlassen hätten. Die
       Busse hätten den vereinbarten Abholpunkt noch gar nicht erreicht, hieß es.
       
       Ein erster Buskonvoi hatte am Wochenende Zivilisten aus dem Stahlwerk
       gebracht. Beteiligt waren die Vereinten Nationen und das Internationale
       Komitee vom [2][Roten Kreuz] (IKRK). Nach ukrainischen Angaben sollen in
       den Bunkeranlagen des Stahlwerks noch etwa 1.000 Zivilisten und 2.000
       Soldaten eingeschlossen sein.
       
       Die Evakuierten wurden in das 230 Kilometer entfernte Saporischschja
       gebracht, durch teils schwer umkämpftes Gebiet. Von dort war am Samstag
       morgen der Konvoi losgefahren, um die Zivilisten aus Mariupol abzuholen.
       Bei bisherigen Evakuierungsversuchen mussten die Busse immer vorher
       umkehren, weil das russische Militär sie nicht durchließ.
       
       Diesmal scheint es zumindest einmal gelungen zu sein. Aber „sobald die
       Busse mit Evakuierten Asowstal gestern verlassen hatten, begann sofort
       neuer Beschuss“, sagte Petro Andryuschtschenko, ein Mitarbeiter von
       Mariupols Bürgermeister, im ukrainischen Fernsehen. Das IKRK teilte am
       Sonntagabend mit, es werde keine Einzelheiten über die Evakuierung bekannt
       geben, „um eine Gefährdung der Sicherheit der Zivilisten und des Konvois zu
       vermeiden“.
       
       Wer kein Auto hat, der hat keine Chance 
       
       Gegenüber der Nachrichtenagentur AP schilderten mehrere Familien die
       katastrophalen Bedingungen der vergangenen Monate. Mit Wasser aus einem
       Brunnen und spärlichem Essen von einem behelfsmäßigen Herd hätten sie sich
       am Leben gehalten, sagte Anastasija Dembytska am Montag gegenüber AP nach
       ihrer Ankunft in Saporischschja. Sie habe die kurze Waffenruhe am Sonntag
       genutzt, um mit ihrer Tochter, ihrem Neffen und einem Hund zu fliehen.
       Olena Gibert gelang ebenfalls die Flucht aus Mariupol, in einem Privatauto.
       Wer kein Auto habe, der habe keine Chance, aus der Stadt rauszukommen,
       sagte sie in Saporischschja. „Sie sind verzweifelt. Ihr müsst sie holen.
       Die Leute haben nichts. Wir hatten nichts.“
       
       Swjatoslaw Palamar, stellvertretender Kommandeur des Asow-Regiments,
       sagte, die Verteidigung von Asowstal werde durch die Anwesenheit von
       Kindern und Zivilisten erschwert. Das Trinkwasser reiche nicht aus, in der
       Luft liege der Gestank verwesender Leichen. Es gebe keine
       Spezialausrüstung, um Trümmer zu beseitigen, und es sei schwierig, zu
       Verletzten zu gelangen. Alle Menschen sollten aus der Anlage gebracht
       werden, sagte Palamar. (ap, rtr, dpa, afp, taz)
       
       2 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Putins-Krieg-in-der-Ukraine/!5849711
 (DIR) [2] https://www.drk.de/hilfe-weltweit/wo-wir-helfen/europa/ukraine-krise-humanitaere-hilfe/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Mariupol
 (DIR) Kriegsverbrechen
 (DIR) Mariupol
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Russlands Pläne für den 9. Mai: Parade auf dem Schlachtfeld
       
       Im ukrainischen Mariupol will der Kreml das Ende des „Großen
       Vaterländischen Krieges“ zelebrieren. Auch der Rote Platz in Moskau ist
       gerüstet.
       
 (DIR) Notizen aus dem Krieg: „Durch das Loch im Vorhang“
       
       Fünf Tage lang versteckte sich Maria Tarasenko mit ihrer Familie vor den
       russischen Soldaten in Butscha. Der Bericht einer Überlebenden.
       
 (DIR) Nach dem Krieg: Wenn Putin siegt
       
       Der Kreml darf keine Chance haben, international wieder hoffähig zu werden,
       bevor die Machthaber in Moskau eine demokratische Umwandlung vollziehen.
       
 (DIR) Unterdrückung in Russland: Protest zwischen den Nudelpackungen
       
       Auf das Hochhalten von Tolstois „Krieg und Frieden“ folgt Anzeige, bei
       offener Kritik am Krieg droht Haft. In Russland verschärft sich die
       Repression.