# taz.de -- „Praktikumsoffensive“ nach Corona: Praktisch verzweifelt
       
       > Berlin plant eine „Praktikumsoffensive“ post-Corona. Dass die
       > Pflegebranche als erstes nach dem Nachwuchs ruft ist kein Zufall.
       
 (IMG) Bild: Pflegefall Pflegeberufe – ob eine Praktikmusoffensive hilft?
       
       Als Kind lernt man meistens irgendwann, dass nicht alle Geschenke auch
       tatsächlich solche sind. Und je hübscher die Verpackung, desto genauer
       achte man auf den Inhalt. Die Berliner Bildungsverwaltung hat eine
       „Praktikumsoffensive“, und zwar für alle Schüler*innen, die [1][in den
       vergangenen zwei Corona-Jahren „pandemiebedingt kein Praktikum] absolvieren
       konnten“. Laut Bildungsverwaltung sind das etwa 3.000 bis 4.000 Kinder. Sie
       alle sollen sich bis Ende des Schuljahres Unternehmen als „potentielle,
       zukünftige Auszubildende präsentieren“ können.
       
       Berufsorientierung ist immer gut, ein Praktikum ist wichtig, also ist diese
       Offensive natürlich richtig. Genausowenig ist es aber auch ein Zufall, dass
       ausgerechnet die „Berliner Pflegebranche“ zum Auftakt gleich mal
       bereitwillig 126 Praktikumsplätze zur Verfügung stellt, wie die
       Gesundheitsverwaltung mitteilt.
       
       Der [2][Pflegejob ist wohl so ziemlich das Härteste], was man sich gerade
       auf dem Arbeitsmarkt aussuchen kann – die einschlägigen Statistiken sind da
       immer wieder beeindruckend desillusionierend. Im gegenläufigen Trend zu
       anderen Ausbildungsberufen ist die Abbrecher*innenquote in der
       Pflegeausbildung zuletzt gestiegen, meldete das Statistische Bundesamt.
       Schuld sind laut Deutschem Pflegerat vor allem völlig falsche Vorstellungen
       von dem Job. Der Irrglaube vielleicht, dass man sich so um Menschen kümmern
       kann, dass man das Gefühl hat, man kann ihrer Hilfsbedürftigkeit gerecht
       werden.
       
       ## Der Zorn des Personals
       
       Die Realität ist eine andere, das weiß man auch längst: ein [3][krasser
       Fachkräftemangel] in der Altenpflege, chronisch unterbesetzte Stationen in
       den Krankenhäusern. In Berlin mündete der Zorn des Pflegepersonals in den
       landeseigenen Klinken 2021 in einen harten, am Ende erfolgreichen,
       Arbeitskampf für mehr Personal auf den Stationen.
       
       Nun sind natürlich die Fachkräfte von morgen die Praktikant*innen von
       heute. Nur leider ist es eben nur der halbe Schritt, die Menschen in den
       Beruf zu bringen. Sie müssen auch dort bleiben und nicht nach ein paar
       Jahren schreiend das Weite suchen. Das wiederum ist natürlich die
       eigentliche Aufgabe der Politik, auch des rot-grün-roten Senats: Die
       Strukturen in der Pflege besser zu machen. Erst kürzlich hat ein breites
       Klinik-Bündnis eine [4][Unterfinanzierung der landeseigenen Krankenhäuser
       im Haushaltsentwurf] für die beiden kommenden Jahre angemahnt. Charité und
       Vivantes würden dadurch nur weiter angehalten, Personalmittel für
       Investitionsvorhaben zweckentfremden.
       
       Nun gut, dafür kann die Bildungsverwaltung wiederum nichts. Sie hat Gutes
       im Sinn, wenn sie den coronageplagten Jugendlichen ein Praktikum angedeihen
       lassen will. Und dass der Pflegejob kein Geschenk ist, das können die
       Schüler*innen besser früher als später auch selbst feststellen. Etwas
       zynisch könnte man feststellen: Je höher der Fachkräftemangel, desto höher
       der Druck auf die Politik, etwas zu ändern.
       
       17 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Lernluecken-nach-den-Pandemiejahren/!5843953
 (DIR) [2] /Reformen-in-der-Pflege/!5825343
 (DIR) [3] /Fachkraeftemangel-in-der-Pflege/!5853092
 (DIR) [4] /Investitionen-in-Berliner-Kliniken/!5849896
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Krankenpflege
 (DIR) Fachkräftemangel
 (DIR) Krankenhäuser
 (DIR) Altenpflege
 (DIR) Pflege
 (DIR) Nordrhein-Westfalen
 (DIR) Fachkräftemangel
 (DIR) Pflegekräftemangel
 (DIR) Vivantes
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krise an Berliner Berufsschule: Ohne Fachkräfte keine Ausbildung
       
       Mehrere Klassen einer Berliner Schule für Gesundheitsberufe werden
       kurzfristig aufgelöst. Die Schüler*innen fühlen sich alleingelassen.
       
 (DIR) Deutsches Schulbarometer zu Corona: Pandemie belastet Lehrkräfte
       
       Laut einer Umfrage sind Lehrkräfte überlastet – vor allem in NRW.
       Schülerinnen und Schüler können sich schlechter konzentrieren und sind
       aggressiver.
       
 (DIR) Reformen in der Pflege: In die Flucht getrieben
       
       Was ist der Unterschied zwischen der Auto- und der Pflegebranche?
       Arbeitsbedingungen wie in der Pflege würden in Autoindustrie niemals
       geduldet.
       
 (DIR) Kranke Familienmitglieder: Viele bereit zur Angehörigenpflege
       
       Ein Viertel der Jüngeren hat schon Verwandte gepflegt, zwei Drittel sind
       dazu bereit. Aber nur wenige nehmen Beratungs- und Unterstützungsangebote
       an.
       
 (DIR) Notstand in der Pflege: Die kranken Häuser heilen
       
       Die überlasteten Beschäftigten der landeseigenen Kliniken in Berlin kämpfen
       für bessere Arbeitsbedingungen. Die Missstände sitzen tief im System.