# taz.de -- Neue Regierungschefin in Frankreich: Erfahren und loyal
       
       > Elisabeth Borne wird neue Premierministerin Frankreichs. Zuvor bekleidete
       > sie verschiedene Ministerposten. Macron dürfte sie nicht in den Schatten
       > stellen.
       
 (IMG) Bild: Die neue Premierministerin Elisabeth Borne bei der Übergabezeremonie
       
       PARIS taz | Wie erwartet hat der bisherige französische Premierminister
       Jean Castex am Montagnachmittag seinen Rücktritt eingereicht. Präsident
       Emmanuel Macron hat als Nachfolgerin die 61-jährige Elisabeth Borne
       nominiert, die er seit 2017 aufgrund ihrer Tätigkeit in Ministerkabinetten
       als effiziente und getreue Mitarbeiterin kennt.
       
       Seit Tagen war darüber spekuliert worden, wer am ehesten den von Macron
       definierten Kriterien entsprechen könnte. Wenn möglich eine Frau mit
       Erfahrung und Engagement in Umwelt- und Sozialfragen, hatte er selbst dazu
       vor einigen Tagen gesagt.
       
       Das hätte auf eine ganze Reihe von Persönlichkeiten von links bis rechts
       gepasst. Doch Macron hielt seine bereits vor Tagen getroffene Wahl geheim.
       
       Unter denen, über die oft spekuliert wurde, waren auch Prominente wie die
       EZB-Vorsitzende Christine Lagarde und Unesco-Generaldirektorin Audrey
       Azoulay, die Macron aber letztlich lieber auf ihren derzeitigen
       internationalen Posten wissen möchte.
       
       ## Erfahrungen als Ministerin für Transport, Umwelt und Arbeit
       
       Die 1961 in Paris geborene Borne hat ein Ingenieurstudium absolviert. Da
       sie vor ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin von verschiedenen Ministern bei
       der Staatsbahn SNCF und der Pariser Metro führende Posten bekleidet hat,
       gilt sie als Verkehrsexpertin.
       
       Sie wurde darum 2017 zuerst Transportministerin, dann in der Regierung
       verantwortlich für Umweltfragen und schließlich 2019 Arbeits- und
       Sozialministerin. Le Figaro sieht in ihr eine „linke Technokratin“. Links
       wohl darum, weil sie vor der Gründung von Macrons Bewegung „En marche“ eher
       mit den Sozialisten sympathisierte.
       
       Für Macron zählt vielmehr der Umstand, dass er wie schon beim
       Ex-Spitzenbeamten Castex weiß, dass sie ihr Amt kaum dafür verwenden wird,
       um eigene politische Interessen zu verfolgen.
       
       Dass nämlich Macrons erster Regierungschef Edouard Philippe rasch populärer
       war als er selbst, ist dem Präsidenten noch in sehr unguter Erinnerung.
       Ohnehin soll in Frankreich der Premierminister immer die zweite Geige
       spielen, Solist und Dirigent ist der Präsident.
       
       ## Borne gilt als autoritär, aber auch absolut loyal
       
       Von Borne, die zwar von ehemaligen Mitarbeiter*innen als autoritär,
       aber absolut loyal geschildert wird, muss er nicht befürchten, dass sie ihm
       drein redet oder ihn gar in den Schatten zu stellen versucht.
       
       Geschlagene dreißig Jahre hat es gebraucht, damit in Frankreich erneut und
       erst zum zweiten Mal eine Frau an der Spitze der Regierung steht. Die
       Sozialistin Edith Cresson war 1991 die Erste während der Präsidentschaft
       von François Mitterrand.
       
       Elisabeth Borne wurde an Montagabend von Präsident Macron als „Première
       ministre“ nominiert. Die sprachliche Feminisierung ihres Amtstitels ist ein
       beachtenswertes Novum, denn auch in diesem Bereich hat Frankreich einen
       enormen Rückstand. Cresson, die weiß, wie sehr Frankreichs Politik noch von
       sexistischen Diskriminierungen und Vorurteilen geprägt ist, wünschte Borne
       „bon courage“.
       
       Kann Frankreich nun von der Premierministerin eine feministische Wende der
       Politik und der Art der Staatsführung erwarten? Mit der Wahl der bisherigen
       Arbeitsministerin wollte Macron wohl eher ein Zeichen der Kontinuität
       setzen.
       
       Die Opposition erwartet nichts Spektakuläres. Von Borne, die mit einer
       Reform für verschlechterte Leistungen der Arbeitslosenversicherung
       verantwortlich zeichnet, erwartet [1][der Linke Jean-Luc Mélenchon] im
       Gegenteil einen „Auftakt zu einer zweiten Serie sozialer Misshandlungen“.
       Greenpeace meint zur Bilanz der früheren Umweltministerin Borne, ihr
       Versprechen, die Klimaziele zu erreichen, sei „wohl die größte Lüge der
       ersten Amtszeit“ von Macron gewesen.
       
       17 May 2022
       
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