# taz.de -- Ehemalige JVA in Göttingen: Soziales Zentrum hinter Gittern
       
       > In Göttingen steht ein ehemaliges Gefängnis leer. Initiativen wollen
       > daraus ein Soziales Zentrum machen, die Stadt will an einen Investor
       > verkaufen.
       
 (IMG) Bild: Steht seit vielen Jahren leer: ehemalige Jugendvollzugsanstalt Göttingen
       
       HAMBURG taz | Es sind mittlerweile schon 14 Jahre, die die ehemalige
       Jugendvollzugsanstalt in der [1][Göttinger] Innenstadt leer steht.
       Verschlossen präsentiert sich das Gebäude weiterhin: Die Gitter in den
       Fenstern des U-förmigen Baus mit seiner gelb-roten Fassade sind noch immer
       installiert.
       
       Seit fast ebenso vielen Jahren gibt es zivilgesellschaftliche Ideen für die
       künftige Nutzung. Und nun kommt Bewegung in die Debatte, wie das Gebäude
       künftig genutzt werden kann. Allein: Es droht zum Projekt eines privaten
       Investors zu werden, weil die Stadt auf einmal das Gebäude loswerden will.
       Dabei stehen die Initiatorengruppen eines „Sozialen Zentrums“ in den
       Startlöchern. „Ein Verkauf wäre total verrückt“, sagt Almut Schilling.
       
       Die Sozialarbeiterin und gelernte Krankenpflegerin gehört zum „Göttinger
       Gesundheitskollektiv“. Mit neun weiteren Aktivist:innen aus dem
       medizinischen Bereich gründete Schilling im vergangenen Jahr das Kollektiv.
       Dessen Ziel: Ein solidarisches Gesundheitszentrum in der
       südniedersächsischen Stadt aufzubauen. „In dem Zentrum sollen verschiedene
       Gesundheits- und Sozialangebote unter einem Dach realisiert werden“, sagt
       Schilling. Es soll eine Alternative zu ökonomisierten Gesundheitsangeboten
       darstellen.
       
       Dafür will das Kollektiv gemeinsam arbeiten – ohne Gewinnabsicht und mit
       ausgeglichener Bezahlung aller Mitarbeiter:innen. Profitieren sollen davon
       besonders all jene, denen etwa eine Krankenversicherung fehlt oder die als
       Geflüchtete ohne Aufenthaltsgenehmigung von der medizinischen Versorgung
       weitgehend ausgeschlossen sind.
       
       ## Braunschweiger Investor hat Interesse
       
       Vorbild dafür ist die Poliklinik Veddel in Hamburg. Auch in Berlin oder
       Leipzig gibt es bereits solche Zentren, in denen eine Allgemeinarztpraxis
       sowie Gesundheits- und Sozialberatung unter einem Dach von einem
       [2][Kollektiv] betrieben werden. „So etwas fehlt hier in der Stadt“, sagt
       Schilling.
       
       Gemeinsam mit drei weiteren Gruppen will das Gesundheitskollektiv das
       ehemalige Gefängnis beziehen: Die Anwohnerinitiative Forum
       Waageplatz-Viertel will ein inklusives selbstorganisiertes Café, die
       „Sozialistische Jugend – Die Falken“ brauchen ebenfalls größere Räume – und
       es soll auch Ausstellungsräume geben. Denn gegenüber der ehemaligen JVA
       befindet sich der Platz der Synagoge.
       
       Mittlerweile erinnert ein Mahnmal an die Synagoge, die hier bis 1938 stand
       – Ausstellungsräume, die von der Göttinger Geschichtswerkstatt betrieben
       würden, könnten weitere Erinnerungsmöglichkeiten schaffen. Durch die
       anderen Angebote würde auch das Gesundheitszentrum profitieren: „Wir haben
       einen sozialmedizinischen Ansatz“, sagt Schilling – Räume zum Austausch
       und Kennenlernen passten da gut rein.
       
       Doch so sehr die Initiator:innen auch von ihrem angedachten Sozialen
       Zentrum überzeugt sind – nun scheint das Ziel weit weg: Die Stadt erwägt
       den Verkauf des Gebäudes. 2008 hatte sie es vom Land Niedersachsen gekauft.
       Kurz darauf begannen schon die städtischen Überlegungen, was sie damit
       anfangen könnte. Doch zunächst fehlte das Geld, weil Fördermittel des
       Bundes ausblieben.
       
       ## Bürgermeisterin für Coworkingspaces
       
       Nun aber stehen Fördermittel zur Sanierung des Gebäudes bereit – Politik
       und Verwaltung haben für die nördliche Innenstadt eine Aufnahme in das
       Bund-Land-Förderprogramm „Soziale Stadt“ erreicht. Im Falle des ehemaligen
       Gefängnisses würden etwa zwei Drittel der Sanierungskosten von Bund und
       Land übernommen werden.
       
       Doch diese Option – Sanierung und anschließende Vermietung – will die
       Göttinger Oberbürgermeisterin eher nicht. „Ich kann mir gut vorstellen,
       dass aus diesem Ort ein Coworkingspace entsteht“, schrieb Petra Broistedt
       (SPD) Ende vergangenen Jahres, als sie sich im Wahlkampf zur
       Oberbürgermeisterwahl befand.
       
       Nach ihrer erfolgreichen Wahl verfolgt sie das Ziel nun offenbar unbeirrt
       weiter: Die Stadt führt bereits Gespräche mit einem Braunschweiger
       Investor. Kommende Woche könnte auch die hinter ihr stehende Ratsmehrheit
       in diesem Sinne entscheiden. Das Gesundheitskollektiv und die weiteren
       Initiativgruppen hoffen indes, das noch mit einer bereits [3][laufenden
       Petition] verhindern zu können.
       
       8 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bundeswehr-Werbung-auf-Stadtbussen/!5854879
 (DIR) [2] /Kollektiv-fuer-eine-bessere-Behandlung/!5635557
 (DIR) [3] https://www.openpetition.de/petition/online/soziales-zentrum-statt-gentrifizierung-durch-privatinvestor-alte-jva-goettingen-2
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) André Zuschlag
       
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