# taz.de -- Boris Johnsons langer Rücktritt: Nach ihm ein Trümmerfeld > Der Abgang des britischen Premierministers kommt spät. In seinen drei > Jahren Amtszeit hat er viel Schaden angerichtet, auch abseits des Brexit. (IMG) Bild: Boris Johnson am Mittwoch vor seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street Am Ende war kaum noch jemand übrig, um die zurückgetretenen Regierungsmitglieder zu ersetzen. Mehr als 50 von ihnen sprangen von Bord, binnen drei Tagen kamen und gingen drei Bildungsminister, der Schatzkanzler hielt es gerade mal zwei Tage aus. Ein Ex-Minister sagte nach dem Rücktritt des britischen Premierministers [1][Boris Johnson] gehässig, man habe „das fette Schweinchen endlich aufgespießt“. Aber: Man hat dafür viel zu lange gebraucht. Dieselben Regierungsmitglieder, die plötzlich ihre „Würde“ und „Integrität“ entdeckten, haben noch bis vor Kurzem Johnson verteidigt. In Wahrheit geht es den „sinkenden Schiffen, die die Ratte verlassen“, wie es Labour-Chef Keir Starmer ausdrückte, um ihre Pfründe. Sie sind aufgeschreckt: Vielen von ihnen hätte bei den nächsten Wahlen der Verlust ihres lukrativen Abgeordnetensitzes gedroht, wäre [2][Johnson] im Amt geblieben. Der warf seinen abtrünnigen Parteikollegen eine „Herdenmentalität“ vor: Sie ignorierten das überwältigende Mandat, das er 2019 mit dem höchsten Stimmanteil seit 45 Jahren eingefahren hatte. Grund dafür war der Brexit. Den hatte Johnson nur aus Opportunismus propagiert. Zunächst hatte er sich dagegen ausgesprochen, aber rechtzeitig erkannt, dass es seinen Ambitionen förderlich sein würde, sich an die Spitze der „Leave“-Kampagne zu drängen. Das funktionierte zwar, doch nach seiner Wahl zum Premier stellte sich heraus, dass er kaum andere politische Visionen hatte. Sein Ex-Berater Dominic Cummings bezeichnete ihn als „außer Kontrolle geratenen Einkaufswagen“, der bei vielen Themen, nicht zuletzt bei der Corona-Politik, ständig seine Meinung änderte. [3][Johnson] hinterlässt einen Trümmerhaufen. Seine Regierung hat die Menschenrechte durch ein neues Gesetz verwässert, das es erlaubt, Flüchtlinge nach Ruanda auszulagern. Sie will die Unabhängigkeit der Wahlrechtskommission abschaffen und neue Hürden für Wähler:innen aufbauen, die bis zu zwei Millionen vom Wahlrecht ausschließen würden, – was vor allem junge und ärmere Leute beträfe. Diese schäbigen Projekte werden Johnson überdauern. Selbst sein Paradeprojekt, der Brexit, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Auch bei diesem Thema hat Johnson einen Eiertanz vollführt und seine ehemaligen Verbündeten, die nordirischen Unionisten, im Regen stehen lassen, um seine Haut zu retten. In seiner Rücktrittsrede schwor Johnson, seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger so gut wie möglich zu unterstützen. In Anbetracht seiner bisherigen Loyalität kommt das einer Drohung gleich. 7 Jul 2022 ## LINKS (DIR) [1] /Regierungskrise-in-Grossbritannien/!5866207 (DIR) [2] /Johnson-Nachfolge-bei-den-Tories/!5862547 (DIR) [3] /Ruecktritte-bei-Grossbritanniens-Tories/!5866080 ## AUTOREN (DIR) Ralf Sotscheck ## TAGS (DIR) Boris Johnson (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Tories (DIR) GNS (DIR) Großbritannien (DIR) Finnland (DIR) Boris Johnson (DIR) Boris Johnson (DIR) Boris Johnson (DIR) Boris Johnson (DIR) Boris Johnson (DIR) Boris Johnson (DIR) Großbritannien ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Aufregung um Sanna Marins Tanz: Mit zweierlei Maß Partygate in Finnland? Nein. Sanna Marin hat legal und im privaten Rahmen getanzt. Nicht im Lockdown wie Boris Johnson. (DIR) Boris Johnson im Porträt: Premier der Skandale Großbritanniens Premier Johnson hat seinen Rückzug angekündigt. Doch wer ist er überhaupt? Porträt eines Mannes, dem es vor allem um sich geht. (DIR) Regierungskrise in Großbritannien: Die Stunde der Opposition? Labour-Chef Keir Starmer hätte nach Boris Johnsons Rücktritt eine Chance, sich zu profilieren. Doch sein eigener Posten könnte bald wackeln. (DIR) Rücktritt von Boris Johnson: Die Konservativen schütteln ihn ab Boris Johnson hatte für die Tories den größten Wahlsieg seit der Ära Margaret Thatchers eingefahren. Aber sein Politikstil wird ihm nun zum Verhängnis. (DIR) Rücktritt von Boris Johnson: Chronologie eines Abgangs Nach der Rücktrittserklärung von Boris Johnson streiten Tory- und Labour-Abgeordnete über das weitere Verfahren. Andere bringen sich in Stellung. (DIR) Regierungskrise in Großbritannien: Johnson bleibt vorerst Premier Premierminister Boris Johnson tritt als Vorsitzender der Konservativen zurück. Das Amt des Premierministers will er bis zum Herbst behalten. (DIR) Johnson-Nachfolge bei den Tories: Zwischen Patrioten und Liberalen Bei den britischen Konservativen laufen sich die Politiker:innen für Johnsons Nachfolge warm. Die Bandbreite der Kandidat:innen ist groß. (DIR) Regierungskrise in Großbritannien: Das Kartenhaus bricht zusammen Nach neuen Vorwürfen der sexualisierten Gewalt wackelt die Regierung von Boris Johnson. Seine Fraktion arbeitet wieder an einem Misstrauensvotum.