# taz.de -- 20 Jahre nach Flugunglück von Überlingen: Gedenken als Drahtseilakt
       
       > Am 1. Juli 2002 stießen am Bodensee zwei Flugzeuge zusammen, 71 Menschen
       > starben. Beim jüngsten Erinnern warf der russische Krieg seine Schatten.
       
 (IMG) Bild: Blumen für die Opfer von Überlingen: eine Angehörige aus Russland an der Gedenkstätte
       
       STUTTGART taz | Am Schluss des Gedenkakts am Freitagabend kommt es dann
       doch zum Eklat, den eigentlich alle vermeiden wollten. Angehörige hatten
       gesprochen, der Überlinger Bürgermeister und ein Vertreter der
       Landesregierung. Aufgrund des [1][Ukrainekriegs] waren zum 20.
       [2][Jahrestag des Flugunglücks von Überlingen] jedoch keine russischen
       Amtsträger eingeladen. Der russische Generalkonsul war trotzdem gekommen
       und konnte nur mit Mühe daran gehindert werden, uneingeladen zu sprechen.
       
       Am 1. Juli 2002 wurde das Städtchen Überlingen zum Schauplatz eines der
       dramatischsten Flugunglücke der jüngeren Luftfahrtgeschichte. Elf Kilometer
       über dem Städtchen am Bodensee stießen damals eine DHL-Frachtmaschine und
       eine russische Tupulev, die auf dem Weg von Moskau nach Barcelona war,
       zusammen. Die beiden Piloten der Frachtmaschine, alle 71 Insassen der
       Verkehrsmaschine, darunter [3][49 Kinder einer Schule aus Ufa starben.]
       Wrackteile und Leichen stürzten über einer Fläche von über 30
       Quadratkilometern ab. Manche direkt in die Vorgärten der Überlinger. Doch
       wie durch ein Wunder kam am Boden niemand zu schaden.
       
       Angehörige, Rettungskräfte und Freiwillige aus der Region halfen in den
       folgenden Tagen gemeinsam bei der Bergung der Toten. So sind zwischen den
       Überlingern und vielen russischen Familien freundschaftliche Beziehungen
       entstanden, die über die Jahre immer enger wurden, wie die Vorsitzende des
       Überlingers Vereins „Brücke nach Ufa“, Nadja Wintermeyer sagte. Zu runden
       Jahrestagen kamen bis zu hundert Russinnen und Russen nach Überlingen.
       
       ## Nur wenige Angehörige konnten anreisen
       
       Doch ausgerechnet zum 20. Jahrestag, den der Verein mit den Angehörigen
       eigentlich in einer ganzen Gedenkwoche mit einem Jugendaustausch begehen
       wollte, gelang das nicht. Obwohl sich etwa 40 Angehörige frühzeitig um Visa
       bemüht haben, konnten am Ende nur wenige anreisen. Die Bedingungen für die
       Reisen seien lange unklar gewesen, berichtet Wintermeyer. Die ersten Visa
       seien erst am Donnerstag vom Generalkonsulat in Jekatarinenburg zugestellt
       worden. Eine Familie habe sogar erst wenige Minuten vor Beginn der
       Gedenkveranstaltung ihre Unterlagen erhalten. Wintermeyer sieht darin eine
       Verschleppungstaktik der Politik.
       
       ## Technische Probleme in der Unglücksnacht
       
       Der Verein hatte für die Einreise der Angehörigen in Kriegszeiten bei Stadt
       und Land um Hilfe gebeten. Doch beide wollten keine Einladungen aussprechen
       und sich auch nicht finanziell an dem Treffen beteiligen. Die Angehörigen
       seien auch in diesem Jahr in Überlingen willkommen, sagte Oberbürgermeister
       Jan Zeitler im Vorfeld. Aber finanziell habe man sich auch früher nicht
       beteiligt.
       
       Das Gedenken war auch in der Vergangenheit oft ein Drahtseilakt.
       Hauptverantwortlich für das Unglück war das Schweizer
       Flugsicherungsunternehmen Skyguide. In der Nacht des Unglücks hatte es
       technische Pannen gegeben, zudem war der Fluglotse allein im Dienst. Gegen
       ihn und weitere Mitarbeiter wurde wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. 2004
       wurde der Lotse von Witali Kalojew, der bei dem Unglück seine Frau und zwei
       Kinder verloren hatte, getötet. Seitdem gedenkt man in Überlingen jährlich
       einem weiteren Opfer.
       
       Der Täter war nach seiner Haft in der Schweiz in seiner Heimat Nordossetien
       zum stellvertretenden Bauminister aufgestiegen und hatte die höchste
       Auszeichnung des Landes erhalten. In den vergangenen Jahren hatte auch
       Kalojew immer wieder an den Gedenkveranstaltungen in Überlingen
       teilgenommen.
       
       Am Freitagabend ergriff stellvertretend für die Hinterbliebenen Taras
       Kostenko das Wort. Er hat bei dem Unglück seine Schwester verloren und
       dankte den Überlingern, dass sie damals das Leid mit ihnen geteilt hatten.
       Kostenko lebt seit wenigen Monaten am Bodensee. Er ist vor den russischen
       Angriffen auf seinen Wohnort Charkiw geflohen.
       
       3 Jul 2022
       
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