# taz.de -- Türken und Deutsche: Das Wassermelonen-Erlebnis
       
       > Wer etwas über Türken und Deutsche erfahren möchte, muss nur nach dem Weg
       > fragen – einmal in Deutschland und einmal in der Türkei.
       
 (IMG) Bild: Spaß mit Wassermelonen gibt es auch in Deutschland: Gemüsestand in Schwalbach am Taunus
       
       Es kommt immer wieder vor, dass ich nach den kulturellen Unterschieden
       zwischen den beiden Völkern gefragt werde. Ich erzähle mal zwei Erlebnisse
       aus meinem Alltag, um zu gucken, ob da überhaupt kulturelle Unterschiede
       bestehen.
       
       Letztens fragte ich jemandem in [1][Deutschland] nach der
       Knochenhauer-Straße, da zückte er sofort sein Handy und erklärte mir in
       knapp zwei Sätzen, wie ich dahinkomme.
       
       Als ich jetzt in der [2][Türkei] auf der Straße einen jungen Mann nach der
       ‚Kırmızı-Karpuz-Caddesi‘ (Rote-Wassermelone-Straße) frage, zückt er auch
       sofort sein Handy und sagt:
       
       „Gut, dass Sie mich daran erinnern, mein Herr. Mama, wie viele
       Wassermelonen soll ich denn für heute Abend kaufen? Zwei oder drei? Wie
       bitte? Fünf? Bekommen wir wieder einen Haufen Gäste?“ Dann brüllt er:
       „Hoooop, Hüseyin Abi, hooop!“ Sofort kommt ein älterer Mann angelaufen.
       
       „Hüseyin Abi, weißt du, wo diese Rote-Wassermelone-Straße ist?“, fragt der
       junge Mann.
       
       Hüseyin Abi hält kurz inne, schaut zum Himmel und murmelt leise vor sich
       hin:
       
       „Rote-Wassermelone-Straße … Rote-Wassermelone-Straße … Komm mal mit“, sagt
       er dann zu mir und bringt mich zu einem Mann, der am Straßenrand auf einem
       Traktor Wassermelonen verkauft. Kann ich etwa nach gefühlt hundert Jahren
       in Deutschland so schlecht Türkisch, dass kein Mensch mich versteht?
       
       „Ich will keine roten Wassermelonen kaufen. Ich will zu der
       Rote-Wassermelone-Straße“, sage ich etwas scharf.
       
       Hüseyin Abi überhört mich einfach und meint zum Verkäufer:
       
       „Kamil Abi, du weißt sicher, wo diese Rote-Wassermelone-Straße ist, nicht
       wahr?“
       
       Kamil Abi packt gerade eine riesengroße Wassermelone in den Kofferraum
       eines Wagens und ruft dann in den Wagen hinein:
       
       „Du, Ismail, weißt du, wo diese Rote-Wassermelone-Straße ist?“
       
       „Klar“, antwortet der Ismail aus dem Wagen und ruft mir dann zu:„Steig ein,
       Bruder.“
       
       Dann fahren wir los. Dicht gefolgt von drei weiteren Autos.
       
       „Wollt Ihr mich etwa mit vier Autos bis dahin begleiten?“, frage ich
       überrascht, obwohl ich mir inzwischen vorgenommen hatte, mich in der Türkei
       von nichts mehr überraschen zu lassen.
       
       „Wir fahren alle zusammen zu einer Brautschau. Der Sohn meiner Schwester
       hat sich in ein hübsches Mädchen verguckt“, erklärt mir Ismail die
       ungewöhnliche Situation.
       
       „Und das Mädchen wohnt zufällig in der Rote-Wassermelone-Straße?“, frage
       ich hoffnungsvoll.
       
       „Das nicht. Aber da werden so viele Leute sein, dass irgendjemand die
       Straße sicher kennen wird.“ Sehr logisch, wie ich finde.
       
       Die Brautschau ist super amüsant. Ich sitze bis tief in die Nacht mit
       meinen [3][neuen Freunden] im Garten unter dem Sternenhimmel. Und es gibt
       viel zu essen und zu trinken.
       
       „Du suchst die rote Wassermelone, nicht wahr, Bruder?“, fragt Ismail mich
       kurz nach Mitternacht stark angetrunken.
       
       „Wie kommst du denn da drauf? Ich esse doch schon die ganze Zeit eine super
       leckere Wassermelone“, schmatze ich leicht beschwipst.
       
       Wie man sieht, gibt es gar keine kulturellen Unterschiede.
       
       12 Aug 2022
       
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