# taz.de -- Neuer Premier für Großbritannien: Ein Comeback für Boris Johnson?
       
       > Konservative fordern, Johnson müsse bei der kommenden Wahl antreten
       > dürfen. Die Kluft zwischen Fraktion und Mitgliedern ist groß.
       
 (IMG) Bild: Verschwindet er doch nicht ganz von der Bildfläche? Boris Johnson deutet das zumindest an
       
       LONDON taz | Mit „Hasta la vista, Baby!“ hatte sich der britische
       Premierminister Boris Johnson am Mittwoch am Ende seiner wohl letzten
       Fragestunde im Parlament verabschiedet. Manche munkeln nun über die Zeile,
       die Johnson aus dem Film „Terminator“ nicht zitiert hatte: „I will be
       back.“ Denn genau das soll Johnson laut Tim Montgomerie, einem exzellent
       vernetzten konservativen Journalisten, privat in 10 Downing Street gesagt
       haben, nämlich, dass er in einem Jahr zurück sein werde.
       
       Denkt Johnson, der jegliche Schuld für seinen Rücktritt auf andere schiebt,
       schon jetzt an ein Comeback als Premierminister, so wie einst sein
       politisches Idol Winston Churchill, dessen politische Karriere mehrfach
       endgültig beendete schien, bevor er plötzlich wieder da war?
       
       Eine Gemeinde von ultratreuen Anhänger:innen hat Johnson bereits. Rund
       8000 konservative Parteimitglieder, 5 Prozent der 160.000 Mitglieder, haben
       inzwischen eine Petition beim Parteivorstand eingereicht, dass sie über
       Johnsons Rücktritt Mitbestimmung verlangen. Boris Johnson solle ebenfalls
       zur Wahl stehen, wenn die Basis sich zwischen den von der
       Parlamentsfraktion aufgestellten [1][Nachfolgekandidaten Rishi Sunak und
       Liz Truss] entscheiden soll, so die Forderung.
       
       Mitorganisiert hat dies Multimillionär und Parteispender Peter Cruddas,
       Mitglied des Oberhauses. In der Daily Mail begründete Cruddas seinen
       Vorstoß: Der Rauswurf Johnsons durch Abgeordnete sei zutiefst
       undemokratisch, weil er dem Willen des Landes und der Parteimitglieder, die
       Johnson 2019 wählten, widerspreche. Es gleiche einem Putsch: „Ich schäme
       mich, dass sich dies in Großbritannien, dem Geburtsort der modernen
       Demokratie, abspielt.“
       
       ## Großspender sollen gedroht haben, Gelder zurückzuhalten
       
       Die Parteimitglieder sollten deshalb um ihre Meinung gebeten werden, ob sie
       den Rücktritt Johnsons überhaupt akzeptieren. Laut Cruddas würden sie das
       nicht wollen. Sein Sturz sei von konservativen Hinterbänklern, „Männern in
       grauen Anzügen“, ausgekungelt worden, Symbol für „ein elitäres,
       undemokratisches System“.
       
       Auch einige Großspender der Konservativen sollen gedroht haben, Gelder
       zurückzuhalten, falls Johnson nicht die Möglichkeit erhalte, sich neu zur
       Wahl zu stellen.
       
       Eigentlich steht im Regelbuch der Tories, dass ein zurückgetretener
       Parteichef bei der Nachfolgewahl nicht kandidieren kann. Doch Cruddas
       behauptet, es ginge um die Frage, ob der Rücktritt überhaupt Gültigkeit
       habe.
       
       Dass Johnson weiterregieren könnte, ist aber wohl eher Wunschdenken.
       Johnsons Probleme sind nicht nur die 57 zurückgetretenen Minister:innen
       und Staatssekretär:innen, die seine Rücktrittserklärung am 7. Juli
       auslösten, sondern auch 148 Abgeordnete, die bei dem [2][Misstrauensvotum
       einen Monat vorher] gegen ihn stimmten. Mit solchen Zahlen könnte Johnson
       nicht mit Gewissheit weiterregieren – deswegen erklärte er ja seinen
       Rücktritt.
       
       ## Gegen Johnson läuft noch eine parlamentarische Untersuchung
       
       Und Johnson könnte sogar noch Schlimmeres bevorstehen. Sollte eine laufende
       [3][parlamentarische Untersuchung] ergeben, dass er im Dezember nicht die
       Wahrheit sagte, als er im Parlament angab, es habe seines Wissens keine
       Partys während des Lockdowns in 10 Downing Street gegeben und man habe bei
       allen Zusammenkünften die Distanzregeln eingehalten, müsste er als Premier
       zurücktreten, falls er dann noch Premier wäre. Unter Umständen muss er dann
       ohnehin sogar seinen Wahlkreis in einer Nachwahl verteidigen.
       
       Dennoch beweist die Petition, dass die Kluft zwischen Mitgliedern und
       Fraktion bei den Konservativen immer größer wird. Viele glauben, dass
       gerade die 2019 eroberten Labourhochburgen sich von den Tories abwenden
       könnten, weil ihre Stimme eher der Person Johnson als der Partei galt.
       
       24 Jul 2022
       
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