# taz.de -- Tischtennis-EM in München: Spätentwickler mit Ehrgeiz
       
       > Deutsche Tischtennisspieler sind immer vorne mit dabei, wenn es um
       > EM-Medaillen geht. Neu im Kreis der Favoriten ist der deutsche Meister
       > Dang Qiu.
       
 (IMG) Bild: Kämpferischer Emporkömmling: Dang Qiu bei der EM in München
       
       MÜNCHEN taz | Anno 2015 fasste man im deutschen Tischtennis einen Plan: Um
       auch künftig mit den besten Nationen aus Asien mithalten zu können,
       stampfte der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) einen neuen Nationalkader aus
       dem Boden. Eine U23-Gruppe sollte Spielern einen verspäteten Einstieg in
       eine Profilaufbahn bieten. Erst sollten sie die Schule beenden, dann mit
       hohen Trainingsumfängen in die internationale Spitze vorstoßen – auf dem
       zweiten Bildungsweg in die Weltklasse.
       
       Für seine Horde an Spätberufenen holte der Verband Helmut Hampl nach
       Düsseldorf, Entdecker und Förderer von Jörg Roßkopf und Timo Boll. Zwar
       waren Zweifel daran, ob die Strategie aufgehen würde, berechtigt. Doch eine
       Alternative gab es nicht. Talente, wie sie Timo Boll und [1][Dimitrij
       Ovtcharov] einst waren, waren nicht in Sichtweite.
       
       Sieben Jahre später wird man beim DTTB selbst ein wenig verwundert darüber
       sein, wie gut der Plan aufgegangen ist. Ein Spieler aus dem
       Gründungsjahrgang des Perspektivkaders ist einer der Favoriten auf den Sieg
       bei der Heim-Europameisterschaft, die im Rahmen des European Games in
       Rudi-Sedlmayer-Halle in München stattfindet: Dang Qiu startet heute als
       Nummer vier der Setzliste in den Einzelwettbewerb.
       
       Wenn Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf vor dem Turnier davon sprach, jeder
       Spieler seiner Mannschaft könne Europameister werden, meinte er nicht mehr
       bloß die Dauer-Europameister Boll und Ovtcharov, die seit 2007 neun von elf
       EM-Titeln unter sich aufteilten – sondern auch Qiu.
       
       ## Rasanter Aufstieg
       
       Hinter dem Rechtshänder liegt ein rasanter Aufstieg. In der Weltrangliste
       schoss der Spieler, der den Schläger im Penholder-Griff hält,
       zwischenzeitlich bis in die Top 10, vorbei an Deutschlands Legende Boll,
       der in München im Alter von 41 Jahren mal wieder als Titelverteidiger
       antritt. Im vergangenen Jahr wurde Qiu gemeinsam mit Nina Mittelham
       Europameister im Mixed, in diesem Jahr erstmals Deutscher Meister im
       Einzel.
       
       In der Bundesliga steht er mittlerweile nicht nur für Borussia Düsseldorf
       unter Vertrag, sondern ist Leistungsträger beim Rekordmeister. Und es ist
       nicht einmal auszuschließen, dass Qius Aufstieg seinen Höhepunkt noch nicht
       erreicht hat. Düsseldorfs Manager Andreas Preuß nannte seinen Angestellten
       jüngst einen „Spieler, für den man kein Limit sieht“.
       
       Qius Weg ist eine Blaupause dafür, wie Deutschland seine Position unter den
       besten Tischtennis-Nationen der Welt behaupten will. Der gebürtige
       Nürtinger zählte in der Jugend zwar zur erweiterten europäischen Spitze,
       eine Profilaufbahn aber schien nicht vorgezeichnet. Stattdessen baute der
       Sohn der ehemaligen chinesischen Nationalspieler Chen Hong und Qiu Jianxin,
       die beide einst in der Bundesliga aktiv waren, 2015 zunächst sein Abitur.
       Doch Qiu war technisch hervorragend ausgebildet, körperlich robust und galt
       als lernfähig. Der ideale Mix, um auch in seinen 20ern noch
       Entwicklungssprünge zu machen, wie man sie eigentlich nur von
       Nachwuchsspielern kennt.
       
       [2][Spricht man den Aufsteiger auf seinen Aufstieg an], wirkt es manchmal,
       als täte Dang Qiu leid, dass er keine ausgefallene Erklärung für seinen
       Entwicklung liefern kann. „Es ist das Ergebnis von langer, harter Arbeit
       über Monate und Jahre“, sagt er dann. „Auch wenn das vielleicht langweilig
       klingt.“
       
       Durch seine jüngsten Erfolge ist Qiu allerdings in eine neue Rolle
       gerutscht. Im Nationalteam ist er nicht mehr nur Teamkollege von Boll und
       Ovtcharov – sondern auch Konkurrent um einen der beiden Einzel-Startplätze
       für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. „Ich würde lügen, wenn ich sagen
       würde, dass ich in Paris 2024 nicht gerne spielen würde“, erklärt Qiu. Es
       ist eine Kampfansage, die nicht wie eine Kampfansage klingen soll.
       
       Und auch vor heimischem Publikum in München lastet erstmals auch im
       Nationaltrikot Druck auf dem Emporkömmling. „Als Nummer 13 der Welt kann
       man schlecht sagen, man fährt zur EM, um ein bisschen Erfahrung zu
       sammeln“, sagt Qiu. Doch im Mixed-Wettbewerb blieb er zum Auftakt der
       Wettbewerbe hinter den Erwartungen zurück, die Titelverteidiger
       Qiu/Mittelham schieden im Achtelfinale aus. Im Einzel startet der
       Rechtshänder am Mittwoch gegen einen Qualifikanten ins Turnier. Auf dem Weg
       zur EM-Medaille würde sich Dang Qiu voraussichtlich auch Timo Boll in den
       Weg stellen. Der Spätberufene wäre im Duell mit dem Rekordeuropameister
       zwar noch immer nicht der Favorit – aber eben auch längst kein Außenseiter
       mehr.
       
       17 Aug 2022
       
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