# taz.de -- Die These: Sparen ist auch für den Arsch
       
       > Hakle hat Insolvenz angemeldet. Wer gedacht hat, das sei „doch bloß
       > Klopapier“, landet auf einmal mit dem Hintern mitten in der Weltpolitik.
       
 (IMG) Bild: Wie viel kann man für Klopapier verlangen? Genau diese Frage zerquetschte Hakle letztlich
       
       Eine weitere Schockwelle erschüttert das Land: Der
       Toilettenpapierhersteller Hakle meldet Insolvenz an. Seit 1928
       umschmeichelt der Traditionsbetrieb aus Düsseldorf die deutschen Popos.
       Sein Flaggschiffprodukt Hakle Feucht revolutionierte vor 40 Jahren die
       deutsche Intimhygiene und hielt, ähnlich wie Tempo-Taschentücher oder
       Nescafé, Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch. Doch damit scheint es
       nun vorbei zu sein.
       
       Nanu, denkt sich die Leserschaft, das ist ja merkwürdig: Ist die
       Verzweiflung schon so allumfassend, dass sich keiner mehr den Po abwischt?
       Sie erinnert sich an das Jahr 2020 mit dem legendären Run der Angsthasen
       und Gierhälse auf alles, was auch nur annähernd wie Klopapier aussah. Die
       ersten Lockdowns im Verlauf der damals noch völlig fremden Coronapandemie
       [1][führten zu bizarren Massenübersprunghandlungen]: Unerfahrene Prepper
       gingen den zweiten Schritt vorm ersten und wappneten sich statt mit Nahrung
       zunächst mit Tools für deren Ausscheidung. Die heimischen Hersteller kamen
       mit der Lieferung nicht nach. Wie kann es sein, dass so jemand jetzt
       einfach pleitegeht?
       
       Die Nachfrage ist nämlich ungebrochen. Klopapier, Küchenrollen,
       Taschentücher werden immer gebraucht. Die entsprechenden Umsätze der
       Einzelhändler liegen erheblich über denen vom Vorjahr, und seit Klopapier
       in der Pandemie als Wertanlage entdeckt wurde, hat jeder Haushalt, der ein
       bisschen auf sich hält, permanent ein oder zwei Paletten gebunkert.
       
       Doch wie viel kann man für Klopapier verlangen? Genau das ist die
       Zwickmühle, in der Hakle letztlich zerquetscht wurde. Denn gerade billige
       Massenprodukte gelten als besonders heikel in der Preisgestaltung. Aktuell
       sind Ladenendpreiserhöhungen um die 20 Prozent zu beobachten, auch bei Ebay
       tauchen bereits Angebote für Toilettenpapier auf. Damit ist für die
       Kundschaft oftmals schon die Grenze des Zumutbaren erreicht.
       
       Auch hier wird die Bürgerin also sparen müssen. Ein, höchstens zwei Blätter
       pro Stuhlgang; mehr sollten verantwortungsvolle Stuhlgänger keinesfalls in
       Anschlag bringen. Da hat Wirtschaftsminister Robert Habeck vollkommen
       recht: Wo schnell geduscht wird, kann auch knapp geputzt werden.
       
       Begleitend müssen natürlich nachhaltigere Wischmoves Einzug halten, die
       einzelnen Blätter intensiver genutzt werden. Entsprechende Tutorials auf
       Youtube und tagesschau.de könnten den Stuhlgehenden die ergonomisch
       optimierten Methoden didaktisch näherbringen. „Ein Blatt, alles glatt!“
       oder „Denk an Olaf, wenn am After / hängt mehr als ein Zehntel Klafter“ –
       etwa so sähe womöglich eine offizielle Kampagne der Bundesregierung aus.
       
       Die Einschränkungen werden für die Endverbrauchenden alles andere als
       einfach. In Bars werden die Blättchen am Tresen einzeln ausgegeben. Und
       speziell Konsumenten mit starker Behaarung rund um die Rosette werden mit
       Hakle den führenden Hersteller für feuchtes Toilettenpapier vermissen, mit
       dem sie sich in puncto Sauberkeit stets am sichersten fühlten.
       
       Die Ursache für das Preisdilemma im Hygienepapiersektor liegt, wie
       bei so vielen anderen Waren auch, im Krieg begründet. Neben der
       Unterbrechung der Lieferketten und der Zinswende der Europäischen
       Zentralbank (EZB) wiegen vor allem die steigenden Energiekosten schwer: Die
       Trocknungsverfahren bei der Produktion von Toilettenpapier, ob trocken oder
       feucht, sind äußerst gasintensiv. Und auch wer zu Hause das behutsam
       benutzte Klopapier zum Zwecke der Wiederverwendung auszuwaschen versucht,
       wird bestätigen können, dass das Trocknen über der aufgedrehten Heizung
       seinen Preis hat. Im Selbstversuch kann so nachvollzogen werden, was in der
       Industrie im Großen passiert. Das ist schon ausgesprochen scheiße.
       
       Denn wer gedacht hat, das sei „doch bloß Klopapier“, landet auf einmal mit
       dem Hintern mitten in der Weltpolitik und ihrer seit Jahrzehnten größten
       Krise. Keinesfalls sollte man dabei das hochexplosive Konfliktpotenzial
       unterschätzen, wenn einer Bevölkerung plötzlich grundlegende Dinge fehlen
       oder die Preise dafür in für die breite Masse nicht mehr tragbare Höhen
       klettern.
       
       Meistens gilt das für Brot – die Brotunruhen 1984 in Tunesien sind längst
       nicht das einzige Beispiel –, und Klopapier ist nun mal das Brot der
       Deutschen. Diese Bedeutung hat es spätestens seit 2020 endgültig inne.
       Daher ist die Sorge alles andere als unbegründet, dass eine Verteuerung und
       Verknappung auch dieses stinknormalen Konsumprodukts Unruhen auslösen
       könnte.
       
       Da stellt sich schon die Frage, ob die Gasumlage hier nicht viel zu spät
       kommt. Denn ganz offensichtlich wäre sie in diesem Fall ja mehr als
       angebracht gewesen. Wo eine Firma aufgeben muss, besteht schwerlich der
       Verdacht, dort werde mit Steuergeld ein Kriegsgewinnler gepampert.
       Apropos, wir hoffen natürlich alle, dass im Zuge der Entwicklungen nicht
       auch noch die Stoffwindel ihr Revival erlebt. Das wäre dem Hausmann kaum
       zuzumuten, der doch bereits mit dem Trocknen und regelmäßigen Wenden des
       gewaschenen Klopapiers mehr als ausgelastet ist.
       
       Doch nicht nur der Mensch besitzt eine Kehrseite, sondern auch die Pleite
       von Hakle: Feuchtes Toilettenpapier ist unökonomisch und unökologisch.
       Seine Herstellungsweise greift auf die von Vliesstoff zurück, Produktion
       und Material sind aufwendiger als bei gewöhnlichem Papier. Überdies sind
       zahlreiche Sorten mit gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffen wie
       Parabenen und Tensiden versetzt, die dann auch wieder im Trinkwasser
       zirkulieren. Und in der Kanalisation fängt der Ärger erst so richtig an.
       Denn Feuchttücher sind nicht unwesentliche Bestandteile riesiger
       sogenannter Fettberge, wie sie zum Beispiel in London wiederholt das
       veraltete Abwassersystem verstopften.
       
       Ähnlich wie bei Homeoffice oder 9-Euro-Ticket könnte auch hier die Krise
       zur Chance werden, indem sie ein überfälliges Umdenken befördert. Der
       Verzicht auf feuchtes Klopapier ist erst der Anfang, bewussterer Umgang mit
       dem trockenen ein nächster guter Schritt. Vielleicht ließe sich wie früher
       auch die Tageszeitung, in saubere Streifen aufgeschnitten und am Lokus
       aufgehängt, wieder einer längst vergessen geglaubten Zweit- und Endnutzung
       zuführen. Mit der Digitalisierung wird das zwar nicht leichter, doch die
       dicke Wochenendausgabe genügt allein wohl für die ganze Woche. Zumindest
       bei sparsamem Gebrauch.
       
       11 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hamstern-in-Coronazeiten/!5721253
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Klopapier
 (DIR) Gasknappheit
 (DIR) Insolvenz
 (DIR) Sparen
 (DIR) GNS
 (DIR) Energiekrise 
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) Gas
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krisenproteste von links: Ohne Despoten und fossile Energien
       
       Die gesellschaftliche Linke will mit der soziale Frage durchdringen. Dafür
       aber muss sie aber mehr anbieten als ein Zurück zum Status quo.
       
 (DIR) Einsparpotenzial für Energie: Sparen, sparen, sparen
       
       Warum noch Werbeprospekte? Auch im gewerblichen und industriellen Sektor
       gibt es viele Möglichkeiten, kurzfristig weniger Energie zu verbrauchen.