# taz.de -- „Wetten, dass..?“ und „TV Total“ zurück: Boomer haben ausgedient
       
       > Verschiedene TV-Sender graben alte Sendungen wieder aus. Ist die Rückkehr
       > von „Barbara Salesch“ und „Britt“ eine Nostalgie-Offensive für
       > Millenials?
       
 (IMG) Bild: In unbekümmerte Kindheitstage zurückbeamen: Ulla Kock am Brink in der Kulisse der 100.000-Mark-Show
       
       Ein Distinktionsmerkmal unter Akademiker*innen ist es, keinen
       Fernseher zu besitzen. Damit wollen sich viele Menschen mit
       Hochschulabschluss vom Rest der Bevölkerung absetzen. Ich besitze zwar auch
       keinen Fernseher, habe aber [1][als Kind genug für ein ganzes Leben] in die
       Röhre geglotzt.
       
       Meine Persönlichkeit ist ein Produkt des TV-Programms der 1990er und
       2000er. Natürlich wurde ich hellhörig, als in den vergangenen Wochen
       bekannt wurde, dass TV-Sendungen aus meiner Kindheit aus der Mottenkisten
       geholt wurden: „Britt, der Talk“ bei Sat.1; „Der Preis ist heiß“, „Die
       100.000 Mark Show“, [2][„Richterin Barbara Salesch“] bei RTL; „TV Total“
       auf ProSieben oder „Wetten, dass..?“ beim ZDF. Diese Sendungen habe ich als
       Kind geguckt. Außer Thomas Gottschalk, der war mir schon immer zu peinlich,
       zu deutsch, zu wirr.
       
       Damit ich mich nach so manch wirr-akademischer Diskussion auf Podien in
       westdeutschen Städten etwas erhole, schalte ich abends ab und zu den
       Fernseher im Hotelzimmer ein. Okay, eigentlich immer. Ich will ja auf dem
       Laufenden bleiben. Neulich lief „TV Total“ und ich fand es einfach nicht
       lustig.
       
       Als 12-Jähriger habe ich mich über die Pipi-Kaka-Witze von Stefan Raab
       weggelacht, im Kölner Hotel mit den Holzimitat-Möbeln aus den 90er Jahren
       war ich nur erstaunt, dass sich der sowieso unlustige deutsche Humor [3][in
       den vergangenen 30 Jahren] null weiterentwickelt hat. Die trashige Sendung
       hat mich trotzdem etwas beruhigt. Ich habe mich kurz in Tage
       zurückversetzt, als die Matheklausur und die Aufmerksamkeit meiner ersten
       großen Liebe meine Sorgen waren.
       
       Das ist, glaube ich, der Zweck der nostalgischen Fernsehoffensive großer
       privater und öffentlich-rechtlicher Fernsehsender. Generation-Tiktok ist eh
       im vertikalen Smartphone-Display-Kosmos gefangen, der ja nur eine billige
       Kopie von „Upps! Die Pannenshow“ ist. Abgesehen davon, dass jedes
       erdenkliche Format (meist zuerst in den Niederlanden) durchgenudelt wurde,
       zeigt der TV-Flashback, dass die Boomer bald ganz ausgedient haben.
       
       Musikantenstadel war gestern, heute regiert der Geist von Harry Wijnvoord!
       Hmmm, wenn ich so nachdenke, scheint meine Analyse doch etwas wirr, ich
       weiß. Wenn Sie mir nicht weiter folgen können, schalten Sie einfach um.
       
       Auf jeden Fall wollen nun die Millennials endlich das Sagen haben. Endlich
       wieder in unbekümmerte Kindheitstage zurückbeamen, nachmittags die
       Fernbedienung in die Hand nehmen: Barbara Salesch spricht Recht, Britt
       Hagedorn spielt Paartherapeutin und Sozialarbeiterin. Abends verschenkt
       Ulla Kock am Brink 50.000 Euro, die trotz Inflation weiterhin als Gegenwert
       des Hauptpreises bei der Neuauflage der „100.000 Mark Show“ angepriesen
       werden.
       
       Na ja, bin nicht mehr so sicher, ob die Macht-These Sinn ergibt. Aber ich
       ziehe das jetzt durch. Ein bisschen Nostalgie wird uns Millennials bei der
       Machtübernahme schon die nötige Ruhe und das Selbstbewusstsein geben.
       
       22 Sep 2022
       
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