# taz.de -- Osnabrücker Stadtwerke in Schieflage: Gewerbekunden fliegen raus
       
       > Gewerbekunden der Stadtwerke Osnabrück bekommen kein Folgeangebot, wenn
       > ihre Verträge auslaufen. Das hat teils hausgemachte Ursachen.
       
 (IMG) Bild: Da konnten alle noch Vollgas geben: Seifenkistenrennen im Jahr 2019 in Osnabrück
       
       OSNABRÜCK taz | Mechthild Möllenkamp weiß, wie es sich anfühlt, vor dem
       Abgrund zu stehen: Mit ihren fünf Edeka-Märkten war sie langjährige
       Energie-Kundin der Stadtwerke Osnabrück AG, eines Tochterunternehmens der
       Stadt, des Grundversorgers der Region. Aber Ende 2022 läuft ihr Vertrag
       aus, und ein Nachfolgeangebot bekam sie nicht. Möllenkamp, zugleich
       Präsidentin des Handelsverbands Niedersachsen-Bremen (HNB), zog harte
       Maßnahmen in Betracht, von der Kürzung der Öffnungszeiten bis zur
       Schließung von Filialen.
       
       Mittlerweile ist Möllenkamp keine Kundin der Stadtwerke mehr. „Ab Januar
       habe ich eine Versorgung durch eine Edeka-Tochter“, sagt sie der taz. „Ich
       hoffe, dass andere gekündigte Unternehmen auch Lösungen finden, um die
       Handelslandschaft in Deutschland zu erhalten.“
       
       Möllenkamp ist bei den Osnabrücker Stadtwerken kein Einzelfall. Aktuell sei
       es, bestätigt Stadtwerke-Sprecher Marco Hörmeyer der taz, „nahezu
       unmöglich“, Gewerbekunden, deren Vertrag zum Jahresende ausläuft, „ein
       verlässliches und abgesichertes Angebot zu verträglichen Konditionen zu
       unterbreiten“. Das ändere sich, „sobald sich [1][die Märkte
       stabilisieren]“. Die Versorgungssicherheit sei aber auch bei vertragslosen
       Gewerbetreibenden „jederzeit gegeben“, für sie greife eine
       Ersatzversorgung. Die wird allerdings teuer. „In der alten Welt, noch vor
       ein paar Monaten, wäre eine solche Situation undenkbar gewesen“, sagt
       Hörmeyer.
       
       Neben der Überhitzung der Gas- und Strombörse haben die Stadtwerke
       Osnabrück aber noch ein anderes Problem, und das verschärft die Krise:
       Misswirtschaft. „Das Energiegeschäft der Stadtwerke war zuletzt nicht
       'glücklich’“, sagt Volker Bajus, sozialpolitischer Sprecher der
       Landtagsfraktion der Grünen und Fraktionsvorsitzender im Osnabrücker
       Stadtrat. „Die klimapolitisch verfehlten Investitionen in [2][Kohlekraft]
       waren auch finanziell ein Desaster. Im letzten Jahr dann grobe Fehler im
       Energie-Ein- und Verkauf. Da wurde die Bandbreite der Preisentwicklung
       falsch eingeschätzt und zu spät die Reißleine gezogen.“ Mit solchen
       „Altlasten auf dem Rücken“ seien die Stadtwerke jetzt „besonders
       vorsichtig“.
       
       Dass ihre derzeitige Lage teils durch sie selbst verursacht ist, räumen die
       Stadtwerke ein. Hörmeyer drückt das so aus: „Unser früherer
       Vorstandsvorsitzender Christoph Hüls hat die Verantwortung für unser
       schlechtes Jahresergebnis 2021 übernommen“, das „auch auf unternehmerische
       Fehlentscheidungen“ zurückzuführen sei. Im Klartext: Ende Juni schied Hüls,
       seit 2017 Kopf der Stadtwerke, eine Verlängerung bis Ende 2026 in der
       Tasche, aus. Ein Defizit in zweistelliger Millionenhöhe für das
       Geschäftsjahr 2021 hatte ihm das Genick gebrochen.
       
       Das schlechte Ergebnis von 2021 stehe „in keinem Zusammenhang zur jetzigen
       Situation mit explodieren sowie zudem stark schwankenden und sprunghaften
       Preisen auf den Energiemärkten, unter denen derzeit alle Energielieferanten
       und somit auch die Kunden leiden“, sagt Hörmeyer. Aber es verstärkt sie.
       
       Die Stadtwerke Osnabrück wissen, dass derzeit alle Blicke auf sie gerichtet
       sind. „Gerade in diesen Zeiten suchen die Menschen und Gewerbetreibende die
       Partnerschaft zu ihrem regionalen Versorger“, sagt Hörmeyer.
       „Discounter-Hopping“ gehe zurück. Jetzt ist Krisenkommunikation gefragt.
       
       Und nicht nur, dass Möllenkamp kein Einzelfall bei den Stadtwerken
       Osnabrück ist. Die Stadtwerke sind kein Einzelfall im Markt.
       Gewerbetreibende, die bisher Wert auf die Flexibilität von Kurzverträgen
       gelegt haben, stehen überall vor Problemen.
       
       „Ich höre fast täglich von ähnlichen Situationen“, sagt Mark Alexander
       Krack, Hauptgeschäftsführer des HNB. „Da heißt es dann: Ich weiß nicht, wie
       ich weitermachen soll, ob sich das für mich überhaupt noch lohnt.“
       Konfliktlagen kumulieren, sagt Krack. „Ich sehe sehr angespannt in die
       kommenden Wochen und Monate.“
       
       Privatkunden der Osnabrücker Stadtwerke, die meist längerfristige Verträge
       haben, brauchen Möllenkamps Glück vorerst nicht. Für sie beschaffe man, so
       Hörmeyer, „die benötigten Strommengen bereits Monate im Voraus, sodass die
       Versorgung definitiv gesichert ist“. Aber natürlich werden auch für sie die
       Preise steigen.
       
       Lösbar ist all das nur über Bund und EU. Das [3][dritte Entlastungspaket]
       der Bundesregierung sieht so auch einen Strompreisdeckel vor. „Panik hilft
       nicht durch die Krise“, sagt Bajus. „Neben Entlastungen vom Bund für
       Haushalte mit niedrigerem Einkommen brauchen wir Härtefallfonds vom Land,
       um Arme vor Energiesperren zu schützen und sozialen Einrichtungen und
       kleinen Betrieben in Not zu helfen.“ Energiesparen und mehr erneuerbare
       Energien seien „das Gebot der Stunde“.
       
       21 Sep 2022
       
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