# taz.de -- Krieg in Äthiopien: Erste Gespräche über Frieden
       
       > Hunderttausende Leben hat der Krieg in Äthiopien bereits gefordert. Nun
       > stehen beide Seiten unter Druck, einen Friedensprozess anzustoßen.
       
 (IMG) Bild: Äthiopiens Regierung hat eine große Demo gegen „Einmischungen“ von außen organisiert
       
       LONDON taz | Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges um die äthiopische
       Nordprovinz Tigray vor knapp zwei Jahren kommen Vertreter der äthiopischen
       Regierung und der aufständischen Regionalregierung von Tigray zu
       Friedensgesprächen zusammen. Beide Seiten bestätigten am Montag, ihre
       jeweiligen Unterhändler reisen zu den Verhandlungen in Südafrika, die unter
       Ägide der Afrikanischen Union (AU) stattfinden sollen. Tigrays Delegation,
       mit internationalen Sicherheitsgarantien, traf am Sonntagabend ein; die
       äthiopische Regierungsdelegation wurde im Laufe des Montags erwartet.
       
       Hintergrund der Gespräche, so sie denn in Gang kommen, ist der aktuell wohl
       [1][blutigste Krieg der Welt]. Laut der US-Regierung kamen seit
       Kriegsbeginn im November 2020 rund 500.000 Menschen ums Leben, viele wurden
       Opfer der Hungerblockade der äthiopischen Regierung gegen Tigray – viele
       wurden direkt Opfer von Kampfhandlungen.
       
       Schätzungen zufolge sollen allein die Kämpfe seit Ende August an die
       [2][100.000 Leben gefordert haben]. Die Armee des nördlich gelegenen
       Nachbarlands Eritrea greift mittlerweile aktiv aufseiten der äthiopischen
       Regierung ein und geht Berichten zufolge besonders brutal vor, [3][auch
       gegen Tigrays Zivilbevölkerung].
       
       Am 17. Oktober [4][eroberten äthiopische und eritreische Truppen die
       strategisch wichtige Stadt Shire] und erhielten damit Zugang zum
       tigrayischen Hochland. Die Kämpfe sollen sich nun der alten christlichen
       Klosterstadt Aksum nähern. Äthiopiens Regierung wollte bisher alle Städte
       Tigrays erobern und erst danach Frieden verkünden; Tigrays Rebellen wollen
       eine sofortige Feuerpause.
       
       ## Schwerste Dürre seit 40 Jahren
       
       Die AU versucht schon seit Monaten, im Konflikt zu vermitteln. Am Freitag
       forderte der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union erneut einen
       „sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand“. Der
       UN-Sicherheitsrat, der ebenfalls am Freitag tagte, konnte sich auf keine
       Erklärung einigen.
       
       Beide Seiten in Äthiopien haben ein hohes Interesse, zumindest einen
       Friedensprozess anzustoßen. Tigrays Rebellen stehen militärisch unter
       Druck und jeder weitere Kriegstag erhöht die Zahl der tigrayischen Toten.
       
       Äthiopiens Regierung wiederum läuft wirtschaftlich die Zeit davon. Der
       Krieg gegen Tigray kostet viel Geld: die massiven Importe von Lebensmitteln
       und Treibstoff, die für das Überleben der 120 Millionen Einwohner
       Äthiopiens nötig sind, haben sich unter anderem aufgrund des Ukrainekrieges
       verteuert.
       
       Zugleich wütet die schwerste [5][Dürre seit 40 Jahren] am Horn von Afrika
       und sorgt vor allem im Süden Äthiopiens für entsetzliches Leid. Nach
       UN-Angaben sind 20 Millionen Menschen in Äthiopien auf humanitäre Hilfe von
       außen angewiesen, wobei die hungernde Bevölkerung Tigrays nur unvollständig
       in den UN-Plan eingerechnet ist, da Daten fehlen.
       
       Äthiopiens Devisenreserven decken nicht einmal mehr die Importe für einen
       Monat ab. Die Regierung wünscht sich deshalb IWF-Finanzhilfen und strebt
       an, in das [6][G20-Programm zur Schuldenerleichterung] einzutreten, welches
       während der Covid-19-Pandemie aufgelegte wurde. Solange der Krieg andauert,
       ist das aber undenkbar.
       
       Um den Staatsbankrott aufzuhalten, hat die Regierung in diesem Monat alle
       Devisentransaktionen verboten, ebenso wie ausländische Währung zum Import
       „nicht essenzieller“ Güter wie Autos, Zigaretten, Seifen und Alkohol.
       Angesichts der Krise greift Äthiopiens Regierung zur propagandistischen
       antiwestlichen Mobilmachung und trommelte am Samstag Hunderttausende
       Menschen in der Hauptstadt Addis Abeba zu einer Demonstration für
       „Souveränität“ und gegen „Einmischung“ zusammen.
       
       24 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Toedliche-Luftangriffe-in-Tigray/!5888285
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 (DIR) [4] /Krieg-in-Aethiopien/!5885841
 (DIR) [5] /UN-Bericht-zu-Duerren/!5850275
 (DIR) [6] https://www.dw.com/de/g20-arme-l%C3%A4nder-m%C3%BCssen-schulden-erstmal-nicht-bedienen/a-57125579
       
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