# taz.de -- Regierung im Irak: Die Probleme bleiben
       
       > Das Land hat einen neuen Präsidenten und Regierungschef. Ob das den Weg
       > aus der Sackgasse weist, ist fraglich. Der inner-schiitische Machtkampf
       > bleibt.
       
 (IMG) Bild: Der neugewählte irakische Präsident Abdul Latif Rashid
       
       KAIRO taz | Ein Jahr nach den Parlamentswahlen und nach monatelangen, teils
       auch gewalttätigen, Auseinandersetzungen, hat der Irak nun endlich einen
       neuen Präsidenten und einen neuen Premierminister. Formell sieht es nun so
       aus, als sei der Irak endlich aus seiner politischen Sackgasse geführt.
       Doch die entscheidenden Probleme bleiben ungelöst.
       
       Die Sitzung des irakischen Parlaments am vergangenen Mittwoch war von
       mehreren Angriffen begleitet. Innerhalb von wenigen Minuten schlugen im
       näheren Umfeld neun Katjuscha-Raketen ein. Mindestens zehn Menschen,
       darunter auch Mitarbeiter verschiedener Sicherheitskräfte, wurden verletzt.
       
       Im Gebäude selbst verfolgten die Abgeordneten stoisch die Tagesordnung und
       wählten im vierten Anlauf Abdul Latif Rashid zum neuen Präsidenten. Das
       eher zeremonielle Amt steht traditionell einem Kurden zu. Abel Latif setzte
       sich gegen den bisherigen Präsidenten Barham Salih durch, der für eine
       zweite Amtszeit angetreten war.
       
       Die wichtigste Aufgabe des neuen Präsidenten besteht darin, einen
       Premierminister zu bestimmen. Und so vergingen nur wenige Minuten, bevor
       der neu erkorene Staatschef dann Mohammed Al-Sudani zum neuen irakischen
       Ministerpräsidenten ernannte. Der soll nun innerhalb eines Monats eine
       Regierung bilden.
       
       ## Hinter den Kulissen rumort es
       
       Al-Sudani ergriff sofort selbst das Wort und erklärte, er werde sein Bestes
       tun, „eine starke Regierung zu bilden, die aus professionellen und
       ehrlichen Ministern bestehen wird, die ihrer Verantwortung gerecht werden“.
       
       So weit so gut. Das US-Außenministerium gratulierte dem neuen Präsidenten
       zu seiner Wahl und dem neuen Premier zu seiner Ernennung und hieß das Ende
       der irakischen Sackgasse willkommen. Zumindest dem formellen Prozess
       scheint Genüge getan.
       
       Doch hinter den Kulissen rumort es weiter. Denn [1][der inner-schiitische
       Kampf um die Macht], der seit den Parlamentswahlen vor einem Jahr andauert,
       es damit nicht beigelegt. Stattdessen versucht sich hier eine Seite nun
       durchzusetzen. Die Wahlen gewonnen hatte damals eigentlich der Block
       [2][des Schiitenpolitikers und Predigers Muqtada Sadr]. Der hatte versucht,
       eine Regierung ohne den zweiten großen Block, die Allianz pro-iranischer
       Parteien zu bilden. Nachdem er gescheitert war, zogen sich die Sadristen
       aus dem Parlament zurück.
       
       Nun versuchen die pro-iranischen Parteien mit Al-Sudani einen der ihren ins
       Rennen zu schicken, um eine Regierung auf die Beine zu stellen. Al-Sudani
       ist zwar parteilos, gilt aber als Marionette der pro-iranischen Gruppen.
       
       ## Von der Seitenlinie
       
       Der innerschiitische Machtkampf wird damit weiter fortgesetzt und mit ihm
       auch die Frage, ob iran-hörige Parteien die Zukunft des Landes bestimmen
       oder eher die Sadr-Bewegung, die einen irakisch-nationalistischen Kurs
       fährt und versucht sich vom iranischen Einfluss zu lösen.
       
       Alle anderen politischen Gruppierungen, seien es die sunnitischen oder die
       kurdischen, schauen seit Monaten von der Seitenlinie zu, wie dieser
       Machtkampf der schiitischen Parteien, die zusammen im Parlament die
       absolute Mehrheit stellen, ausgehen wird.
       
       Der ganze Irak wartet nun darauf, wie die Sadristen auf die Ernennung ihres
       politischen Konkurrenten Al-Sudani reagieren werden. Die im Land am meisten
       diskutierte Variante: Muqtada Sadr wird alles daransetzten, Al-Sudanis
       Versuche, eine Regierung zu bilden, zu sabotieren. Denn schafft Al-Sudani
       das innerhalb der vorgegeben Monatsfrist nicht, müsste der neue ernannte
       pro-iranische Premier wahrscheinlich wieder seinen Hut nehmen.
       
       Dann würden eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen wahrscheinlicher –
       etwas das Muqtada Sadr schon seit Monaten fordert. Er weiß, dass die
       Popularität der pro-iranischen Parteien seit den Wahlen weiter geschwunden
       ist. Auch die gegenwärtigen Unruhen im Iran selbst schwächen deren Position
       im Irak. Auch mit der Ernennung eines neue Premiers, ist das letzte Kapitel
       des inner-schiitischen Machtkampfs im Irak also noch lange nicht
       geschrieben
       
       14 Oct 2022
       
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