# taz.de -- Keine Maskenpflicht in Berlin: Alles nicht so einfach
       
       > Der Senat empfiehlt, Maske zu tragen, ordnet es aber nicht an. Die
       > Entscheidung mag enttäuschen, ist aber angesichts der aktuellen Lage
       > angemessen.
       
 (IMG) Bild: Die Maske im Sinne ihrer Bestimmung zu tragen, mochte der Senat nicht vorschreiben
       
       Keine Maskenpflicht in Innenräumen, nur der Appell, selbstverantwortlich
       eine zu tragen: Mit dieser Festlegung – zumindest für die nächsten vier
       Wochen – ist der Senat aus seiner Sitzung am letzten Dienstag gekommen. Das
       kann enttäuschend nennen, wer auf die deutlich steigenden Infektionszahlen
       schaut, vielleicht sogar ignorant angesichts der gegenteiligen
       [1][Empfehlung der Gesundheitssenatorin] und von Medizinern.
       
       Doch so einfach ist das nicht. Glaubt man Regierungschefin Franziska Giffey
       (SPD), dann wäre Berlin bei einem anderen Beschluss unter den 16
       Bundesländern, egal ob Flächenland oder Stadtstaat, [2][das einzige mit
       einer Maskenpflicht gewesen]. Gut, ließe sich argumentieren, dafür haben
       wir ja ein föderales System, damit jedes Land nach Lage seiner Dinge
       entscheiden kann. Wenn es nur um Einheitlichkeit ginge, könnten
       Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und das Bundeskabinett die
       Sache auch alleine und zentral beschließen.
       
       Aber vor allem mit Blick auf Brandenburg gilt schon: Man kann nicht tagein,
       tagaus [3][von der gemeinsamen Metropolenregion und möglichst einheitlichem
       Vorgehen reden] und dann in einer so praxisrelevanten Frage wie der
       Maskenpflicht für eine Demarkationslinie mitten in Wohngebieten sorgen.
       Etwa zwischen Berlins Zehlendorf und Brandenburgs Kleinmachnow im Südwesten
       oder zwischen Hohenschönhausen und Ahrensfelde im Nordosten.
       
       ## Ein unangenehmes Gefühl
       
       Was bei der Pressekonferenz am Dienstag ein unangenehmes Gefühl hinterließ,
       war die Tatsache, dass Giffey die Haltung des Senats auch mit zwar
       angestiegenen, aber noch vergleichsweise niedrigen Corona-Zahlen
       begründete. Dabei stützte sie sich auf einen Wert, der ihren Angaben
       zufolge vom Robert-Koch-Institut stammte. Dieser Wert war aber nur knapp
       halb so hoch wie der zeitgleich im [4][Corona-Lagebericht von Giffeys
       eigener Senatskanzlei] aufgeführte Wert.
       
       Natürlich könnte man fragen, warum es schlimm wäre, beim viertelstündigen
       Gang in den Supermarkt mal schnell eine Maske überzuziehen. Doch für manche
       ist Einkaufen eben mehr als hurtig Nudeln und Milch an die Kasse zu
       bringen: Das vom Einzelhandel propagierte Shopping-Erlebnis, das ja auch
       Arbeitsplätze mit sich bringt, hätte mehr Zeit unter der Maske bedeutet.
       Das aber hält nach Erfahrungen des Handels durchaus Menschen vom
       Einkaufsbummel ab. Den könnte man natürlich grundsätzlich als Kommerz
       gesteuert brandmarken – aber das ist eine andere Diskussion.
       
       Giffey war durchaus offen genug anzudeuten, dass eine ausgeweitete
       Maskenpflicht schlicht und einfach schwierig durchzusetzen gewesen wäre.
       Dort, wo sie seit Langem gilt, nämlich in Bus und Bahn, respektieren sie
       nach einer Einschätzung der Berliner Verkehrsbetriebe aktuell nur noch 70
       Prozent der Fahrgäste. Sprich: Fast jeder und jede Dritte verweigert sich
       dem Maskentragen. Da ist die Überlegung berechtigt: Wenn es schon dort, wo
       es etabliert sein sollte, nicht klappt, wie soll das dann in größerem
       Rahmen klappen?
       
       ## Kapitulation oder Realitätssinn?
       
       Das kann man als Kapitulation bezeichnen, aber genauso als
       realitätsorientiert. Natürlich könnte Berlin zeitweise seine Polizei
       vorrangig damit beschäftigen, die Maskenpflicht durchzusetzen.
       Maskenverweigerer könnte man viel stärker als bisher mit Ordnungs- oder
       Bußgeldern belegen.
       
       Doch zum einen hat die Polizei genug andere Aufgaben. Zum anderen brodelt
       es, glaubt man den Sicherheitsbehörden, wegen drohender Energieknappheit,
       Inflation und auch Angst vor einem Atomschlag sowieso schon im Land. Dann
       noch Maskenverweigerer zu verfolgen, könnte das Fass zum Überlaufen
       bringen.
       
       Die Senatsentscheidung vom Dienstag ist unbefriedigend, aber angesichts der
       aktuellen Lage angemessen. Umso mehr, weil die Maske ja nicht nur hilft,
       wenn alle sie tragen: Selbstschutz ist bei Corona schließlich die halbe
       Miete.
       
       29 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Archiv-Suche/!5883992&s=gote+corona&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [2] /Corona-entzweit-Berliner-Senat/!5887078
 (DIR) [3] /Berlin-und-Brandenburg/!5883824
 (DIR) [4] https://www.berlin.de/corona/lagebericht/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Franziska Giffey
 (DIR) Ulrike Gote
 (DIR) Maskenpflicht
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Berliner Senat
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Studie zu Ausbreitung von Coronavirus: Kita-Schließungen waren unnötig
       
       Laut einer Studie war es nicht angemessen, dass Kitas zu Beginn der
       Coronapandemie schließen mussten. Arme Kinder litten darunter besonders.
       
 (DIR) Corona entzweit Berliner Senat: Maske ja, aber nicht als Pflicht
       
       Die rot-grün-rote Landesregierung mag das Maskentragen nur empfehlen. Auch
       Brandenburgs Regierung entscheidet sich gegen eine Pflicht.
       
 (DIR) Umgang mit der Pandemie: Senat hadert mit der Maske
       
       Rot-Grün-Rot sorgt sich um die Akzeptanz: Trotz deutlich gestiegener
       Inzidenz hat die Landesregierung Anti-Corona-Schritte auf nächste Woche
       vertagt.
       
 (DIR) Schärfere Corona-Regeln in Berlin: Kritik an Maskenpflicht-Vorstoß
       
       Giffey (SPD) vermisst eine „Datengrundlage“ für die Maskenpflicht. Die
       Bildungsverwaltung fordert regelmäßige Runden zur Infektionslage an
       Schulen.