# taz.de -- Ex-Models und ihre Probleme: Schlaflos in Eppendorf
       
       > Wie wirkt sich die Weltlage auf Menschen ohne echte Probleme aus? Ein
       > fiktives Gespräch unter Freundinnen.
       
 (IMG) Bild: Mailand und der besondere Blick auf die Welt: Ein Model präsentiert die Benetton-Kollektion 2020/21
       
       „Soll ich jetzt Melatonin oder CBD-Öl gegen meine Schlafprobleme
       ausprobieren?“, fragt die eine hochgewachsene Frau im langen Steppmantel
       die andere hochgewachsene Frau im langen Steppmantel am Eppendorfer Baum.
       
       „Echt jetzt? Schon wieder das Thema, Wiebke, das sind doch Luxusprobleme,
       darüber braucht man nicht ewig reden. Mach es halt so oder so oder lass es
       bleiben.“
       
       „Wir reden doch auch endlos über den Schimmel in deinem Gästebad, das ist
       so übertrieben öde!“
       
       „Darüber reden wir gar nicht endlos!“
       
       „Doch, andauernd, als wäre das weltbewegend, ob der Schimmel wieder da ist,
       in welchen Grautönen und an welchen Stellen er auftritt, was du dagegen
       Neues unternimmst, et cetera pp.!“
       
       „Schimmel ist aber auch der Rede wert, er kann die Gesundheit relevant
       schädigen!“
       
       „Schlafmangel auch!“
       
       „Ach, Schlafmangel, wir [1][modeln] doch schon ewig nicht mehr, die Kinder
       sind aus dem Haus, wozu muss man ausgeschlafen sein?“
       
       „Ihr habt nie Gäste, wozu brauchst du ein schimmelfreies Gästebad?! Das ist
       nun echt ein Luxusproblem!“
       
       „Ob etwas ein Luxusproblem ist, hängt immer an der Perspektive, Schimmel in
       meiner Wohnung ist mein Problem, egal in welchem Zimmer!“
       
       „Egal in welchem der acht! Zimmer meinst du!“
       
       „Und in welchem deiner drei Schlafzimmer hast du [2][Schlafstörungen]?!“
       
       „Wenn ich nicht genug schlafe, kann ich die Weltlage emotional nicht mehr
       ausbalancieren!“
       
       „Seit wann interessiert dich Politik oder das Leid anderer?!“
       
       „Das interessiert mich alles sehr wohl, und zwar auf eine sehr osmotische
       Art!“
       
       „Ach ja? Wie das?“
       
       „Mit Mitgefühl.“
       
       „Inwiefern?“
       
       „Ich seh’ mir ständig alles ungeschönt im Internet an, bis ich weinen muss,
       Iran, Ukraine, Armut im Allgemeinen, Rassismus, Blutvergießen, Ebola,
       Umweltkatastrophen, ich gucke täglich zum ersten Kaffee furchtbare Videos,
       auch wie Menschen erschossen werden!“
       
       „Wahrscheinlich hast du deshalb Schlafprobleme!“
       
       „Womöglich.“
       
       „Dann sind deine Schlafprobleme politisch.“
       
       „Ja, das sind sie, sie sind als Kollateralschaden mein Ausdruck von
       Solidarität. Irgendein wichtiger Philosoph hat mal gesagt, Mitgefühl sei
       das höchste der Gefühle.“
       
       „Fühlen ist so immens wichtig!“
       
       „Ohne [3][Gefühle] ist alles nichts.“
       
       „Aber dann solltest du auch konsequent sein und nichts gegen die
       Schlafprobleme einnehmen.“
       
       „Du hast recht, man muss das Leid anderer aushalten, mit aller Konsequenz!“
       
       „Weißt du noch früher in Mailand oder Paris haben wir gar nichts
       ausgehalten. Wenn wir nicht gebucht wurden, haben wir echt gedacht, wir
       sind nichts wert!“
       
       „Wir haben alles in Wodka ertränkt!“
       
       „Und die Welt hat uns einen Scheiß interessiert.“
       
       „Aber irgendwann musst du auch als schöne Frau erwachsen werden!“
       
       „Gut heiraten.“
       
       „Und dich aktiv beschäftigen.“
       
       „Mit den ersten Falten.“
       
       „Dem Leid der Welt.“
       
       „Das Leid der Welt lenkt so schön ab von der eigenen Banalität.“
       
       „Katharina!“
       
       „Jetzt mal ehrlich, wir haben keine echten Probleme!“
       
       „Nun ja, was ist überhaupt echt, im Sinne von wirklich fassbar?“
       
       „Auf jeden Fall der Schimmel in meinem Bad.“
       
       23 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Model/!t5017426
 (DIR) [2] /Interview-mit-Schlafforscher-Ingo-Fietze/!5668430
 (DIR) [3] /Gefuehle/!t5017130
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Ramadan
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Einfach gesagt
 (DIR) Model
 (DIR) Reichtum
 (DIR) Probleme
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Colorism
 (DIR) Mode
 (DIR) Mode
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Widerstand gegen Hautaufhellung: Dark is beautiful
       
       Das Schönheitsideal wird weltweit von rassistischer Körperpolitik geprägt.
       Doch viele Frauen wehren sich heute gegen den Druck.
       
 (DIR) Begegnung während der Modewoche: Das Modell, das spricht
       
       Sie war das Chanel-Gesicht schlechthin: In den 1980ern war sie sogar in
       einer Moskauer Datscha ein Star. Und heute? Eine Begegnung.
       
 (DIR) Bericht eines Models: „Prada is very mean“
       
       Gestern Berlin, heute Mailand – und die Verheißung ist groß. Dann: qarten,
       auf High Heels staksen, warten. Ein Model erzählt aus der Modebranche.