# taz.de -- Disney+-Serie „Mord im Auftrag Gottes“: Frommer Mord
       
       > In der Serie ermittelt ein mormonischer Polizist im Umfeld seiner eigenen
       > Glaubensgemeinschaft – und überdenkt dadurch sein Verhältnis zu Religion.
       
 (IMG) Bild: Detective Jeb Pyre auf der Suche nach dem Täter
       
       Der Anblick einer ermordeten Frau und ihres toten Babys dürfte zu den
       schrecklichsten Erfahrungen eines Polizist*innen-Lebens gehören. Doch
       Detective Jeb Prye (Andrew Garfield) und seine Kollegen trifft es besonders
       hart, als sie die junge Brenda Wright Lafferty (Daisy Edgar-Jones) und die
       kleine Erica mit aufgeschlitzten Kehlen in ihrem Zuhause vorfinden.
       Schließlich ist das Kleinstadtleben 1984 im [1][mormonisch dominierten
       Umland] von Salt Lake City eigentlich von Friedlichkeit und Frömmigkeit
       dominiert, da gehören Mord und Leichen selbst für die Polizei nicht
       unbedingt zur Tagesordnung.
       
       Der Fall, der sieben Folgen lang in „Mord im Auftrag Gottes“ (zu sehen ab
       dem 14. 12. bei Disney+) erzählt wird, erschüttert den selbst zur Kirche
       Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (so der Name der größten
       Glaubensgemeinschaft der Mormonen) gehörenden Prye nachhaltig. Nur allzu
       gerne würde er den schnell verhafteten Ehemann der Toten für die Tat
       verantwortlich machen und zur Tagesordnung sowie zu dem eigenen
       Familienleben mit seiner Frau, den beiden Töchtern und der offenkundig
       dementer werdenden Mutter zurückzukehren.
       
       Doch je mehr der anfangs tatverdächtige Allen Lafferty (Billy Howle) davon
       berichtet, dass geheimnisvolle „Männer mit Bärten wie im Alten Testament“
       hinter dem grausamen Mord stecken könnten und obendrein Einblicke in die
       schwierigen, von Zerwürfnissen geprägten Familienverhältnisse des
       Lafferty-Clans gibt, desto mehr muss der Ermittler umdenken. Was auch
       bedeutet, dass er zusehends seinen eigenen Glauben und das Verhältnis zu
       seiner Religion in Frage stellt.
       
       Schnell zeigt sich, dass es bei den „Kennedys von Utah“, wie die Familie
       auch genannt wird, schon länger einen Drall in Richtung eines religiösen
       Fundamentalismus gibt, der unter anderem Polygamie und die Ablehnung des
       Rechtsstaats umfasst. Und nicht zuletzt Allens älteren Brüdern Dan (Wyatt
       Russell), Ron (Sam Worthington) und Samuel (Rory Culkin) war die
       aufgeklärt-fortschrittliche Brenda, der eine Karriere beim Fernsehen
       wichtiger war als Kirche und Kinder, ein Dorn im Auge.
       
       ## Suche nach Motiv
       
       Von mormonischer Seite schwappte „Mord im Auftrag Gottes“ zur
       US-Ausstrahlung einiges an Kritik entgegen: zu negativ sei die Darstellung
       der Kirche in der Serie, zu sehr würde ihre Religion als Gefahr für die
       amerikanische Gesellschaft gezeichnet. Ganz so pauschal urteilt das
       Drehbuch zwar nicht, doch allzu positiv kommt die drittgrößte christliche
       Glaubensgemeinschaft der USA – zumal in ihrer Ausprägung der achtziger
       Jahre – tatsächlich nicht weg.
       
       „Unser Glaube gebiert gefährliche Männer“, heißt es einmal wörtlich. Was
       auch daran liegen könnte, dass Showrunner Dustin Lance Black, der mit
       seinem Oscar-prämierten Drehbuch zum Politdrama „Milk“ berühmt wurde,
       selbst in einer Mormonen-Familie aufwuchs und sich irgendwann von der
       Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage lossagte.
       
       Gut möglich, dass die von Andrew Garfield überzeugend gespielte Figur des
       Detective Prye also auch eine Art Alter Ego des Autors ist. In jedem Fall
       ist sie [2][in dieser True-Crime-Geschichte] – als Vorlage diente Jon
       Krakauers „Mord im Auftrag Gottes – eine Reportage über religiösen
       Fundamentalismus“ – eine der wenigen fiktiven Elemente, zusammengesetzt aus
       Bestandteilen mehrerer realer Personen.
       
       Besonders spannend ist dieser Polizist, der auf Grund seines Glaubens keine
       Schimpfworte duldet, keinen Kaffee trinkt und nur heimlich von den Pommes
       des Kollegen nascht, im Zusammenspiel mit seinem Partner. Detective Bill
       Taba (Gil Birmingham) kommt aus Las Vegas, ist Native American vom Stamm
       der Pauiten (die mit den Mormonen eine ganz eigene Geschichte haben) und
       dient als Nichtgläubiger auch als Stellvertreter fürs Publikum.
       
       Letztlich geht es in Blacks Serie also weniger um die Frage, wer denn nun
       der Täter ist, sondern vor allem um die Suche nach dem Motiv und einer
       Untersuchung der Umstände, die eine solche fundamentalistische Tat
       überhaupt erst ermöglichen. Das sorgt nicht immer für Nervenkitzel, ist
       aber ohne Frage packend.
       
       Nur auf die Rückblendungen ins 19. Jahrhundert, in denen immer wieder der
       Bogen geschlagen wird zur Gründung der Glaubensgemeinschaft durch Joseph
       Smith, hätte man besser verzichtet. Was in der Sachbuch-Vorlage
       funktioniert, wirkt hier allerdings wie unbeholfen umgesetzte und bemüht
       eingestreute Clips aus dem Geschichtsunterricht.
       
       14 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Boom-des-Genres-True-Crime/!5762226
 (DIR) [2] /Kritik-an-Genre-True-Crime/!5885331
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Heidmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fundamentalismus
 (DIR) Religion
 (DIR) True Crime
 (DIR) True Crime
 (DIR) True Crime
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kritik an Genre True Crime: Mein Star, der Serienmörder
       
       Zwischen Retraumatisierung und Täterkult: Das Genre True Crime steht immer
       wieder in der Kritik. Aktuell wegen der Netflix-Serie „Monster“.
       
 (DIR) Boom des Genres „True Crime“: Verbrechen als Unterhaltung
       
       „Confronting a Serial Killer“ heißt eine neue Serie aus dem Genre „True
       Crime“. Manche feiern dieses, andere warnen vor der Glorifizierung von
       Tätern.