# taz.de -- Netflix-Dokuserie „Harry und Meghan“: Exklusiv aus dem goldenen Käfig
       
       > In „Harry und Meghan“ gibt das royale Paar Einblick in Privates. Neu ist
       > daran nichts, doch es bewegt ganz Großbritannien.
       
 (IMG) Bild: So sind sie, die Royals
       
       „Sie opferte alles, was sie jemals kannte, und die Freiheit, die sie besaß,
       um Teil meiner Welt zu werden. Doch sehr bald musste ich alles, das mir
       vertraut war, opfern, um Teil ihrer Welt zu werden.“ Diese Worte von Prinz
       Harry über die Beziehung zwischen ihm und seiner Frau Meghan, der Herzogin
       von Sussex, stammen aus der sechsteiligen Netflixserie „Harry & Meghan“
       von der mit zahlreichen Emmy Awards prämierten Liz Garbus, die zuvor
       Dokumentarfilme über grausame Strafanstalten gemacht hat. Nun widmet sie
       sich also den britischen Royals. Vielleicht sieht sie die Königsfamilie
       auch als ein qualvolles Gefängnis oder goldenem Käfig an, wie es ein
       Beobachter in der Serie vermutet.
       
       Ziel der aufwändig produzierten Dokuserie ist laut königlichem Ehepaar, das
       heute im kalifornischen Promiort Montecito lebt, sich selbst zu zeigen, wie
       sie sind, anstatt immer von Menschen porträtiert zu werden, die einen gar
       nicht kennen. Zudem sehen sie es als ihre Pflicht an, auf die teils
       widrigen Methoden der Medien aufmerksam zu machen. Diese Medienkritik wird
       zum Hauptthema der Serie. Im Vordergrund steht das Boulevardblatt Daily
       Mail, gegen das Harry und Meghan bereits erfolgreich gerichtlich
       vorgegangen sind.
       
       Ein großer Erfolg ist die Dokuserie schon jetzt. Laut Netflix war keine
       Dokumentation bisher so erfolgreich in der Premierenwoche wie diese. Für
       das Paar zahlt sich die Zusammenarbeit auch in finanzieller Hinsicht aus –
       Schätzungen gehen von einem Deal in dreistelliger Millionenhöhe aus.
       
       Zur Freude der Fans plaudern Harry und Meghan detailliert über ihr
       Privatleben. Die Serie bietet bisher nicht gezeigte Fotos und Videos
       inklusive Aufnahmen ihrer beiden Kinder Archie und Lilibet Diana. Die
       beiden erzählen, wie sie sich ineinander verliebten und wie ihr gemeinsames
       Leben aussieht. Wie sie ihre Beziehung wochenlang geheim hielten, um sich
       erst einmal in Ruhe kennenzulernen – wie bei einem Urlaub in Botswana. Wie
       Harry beim ersten Date zu spät kam oder wie sie bei einer Halloween-Party
       mit Freunden zum letzten Mal die Sau rausließen, bevor ihre Beziehung der
       Öffentlichkeit bekannt wurde.
       
       Wirklich neu ist an der Geschichte der beiden eigentlich nichts. Wieder
       erzählt Prinz Harry von der permanenten Verfolgung seiner Mutter Diana
       durch die Boulevardpresse. Er erzählt, dass er sich vor diesem Hintergrund
       auch Sorgen um Meghan machte. Zur Veranschaulichung wird die mediale
       Berichterstattung über Meghan und Kate, der heutigen Princess of Wales,
       verglichen. Trotz nahezu identischem Auftreten wird eine als Engel und die
       andere als störende Außenseiterin dargestellt.
       
       Für Harry wiederholt sich so die Geschichte seiner Mutter. Die Zuschauer
       erfahren, dass selbst ein privater Austausch zwischen Harry und seinem
       Vater oder der Queen nicht vor Leaks an die Presse sicher war. Immer wieder
       erzählt das Paar von Orten der Freiheit und Orten der Bedrängnis, der
       Verfolgung, des Eingesperrtseins sowie der Flucht vor den Paparazzi.
       
       Doch bei Meghan kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Rassismus. Die
       Diskriminierung der Afroamerikanerin wird zum zentralen Thema des
       Sechsteilers. Meghan selbst, aber auch ihre Mutter Doria Ragland und
       Freunde des Paars thematisieren das vor der Kamera. Untermauert werden
       diese Aussagen durch zahlreiche rassistische Kommentare aus Zeitungen und
       sozialen Medien.
       
       Harry spricht dabei, ebenfalls nicht zum ersten Mal, von einem „unconscious
       Bias“, also unbewussten Denkmustern, die auch unter den Royals zu
       Vorurteilen und Rassismus führen. Der Desinformationsexperte Christopher
       Bouzy spricht von gezielt organisiertem Hass gegen Meghan. Der britische
       Historiker David Olusoga sowie die Guardian-Kolumnistin Afua Hirsch
       liefern einen weiteren Kontext, indem sie auf die Verbindung zwischen der
       Krone, Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus hinweisen. Das Commonwealth,
       das die Queen Elizabeth II. hegte und pflegte, beschreibt Hirsch als
       bevormundendes Empire 2.0.
       
       Meghan sei jedoch nicht nur für viele schwarze Brit:innen ein wichtiges
       Symbol für Veränderung gewesen, sondern auch eine Repräsentationsfigur.
       Harry nennt den Umgang mit seiner Frau eine vergeudete Chance für die
       Monarchie. Er meint damit das Schweigen der Royals, wenn es um die
       bösartigen Berichte der Boulevardmedien geht.
       
       Harte Vorwürfe, die jedoch auch schon vor der Dokuserie erhoben wurden.
       Doch trotz allem war die Serie für einige konservative Parlamentarier zu
       viel des Guten. Einige wollten einen Antrag stellen, um Harry und Meghan
       die Adelstitel abzunehmen. Die Boulevardmedien reagierten ähnlich erbost.
       Während die Sun Harry beschimpfte, stellte die Daily Mail die beiden
       tageweise auf Dutzenden Seiten als scheinheilig und lügnerisch dar.
       
       Die Dokuserie hat einen eindeutigen Sound: Der Prinz und die Herzogin
       werden als Opfer dargestellt. Als Opfer der Boulevardmedien, der royalen
       PR-Teams und des Rassismus der Gesellschaft. Kritik an den beiden, wie etwa
       an ihrem gehobenen Lebensstil, bleiben aus. Dass die beiden natürlich von
       auch von den britischen Royals – allein durch ihren etablierten Namen und
       einem gewissen Startkapital – profitieren, wird ebenfalls nicht
       thematisiert.
       
       Klar ist nach sechs Stunden Dokumaterial: Eine derartige Doku kann sich
       nicht jedes Opfer leisten. Obwohl die Erfahrungen der beiden nicht eins zu
       eins auf andere zu übertragen sind, hat Harry aber durchaus einen Punkt,
       wenn er in Bezug auf die Boulevardmedien sagt: „Wenn wir nicht dagegen
       ankommen können, kann es niemand.“
       
       Im Endeffekt kann die Serie durchaus als ein Plädoyer gegen die britische
       Monarchie in ihrer jetzigen Form verstanden werden. Und als eine Warnung
       vor hetzerischen Medien.
       
       Zu diesem Zweck waren Meghan und Harry also auch bereit, Details aus ihrem
       Privatleben preiszugeben. Doch dieses Mal aus eigener Entscheidung mit dem
       Ziel, dass sie als Menschen gesehen werden und nicht als Schauspielerin und
       Märchenprinz.
       
       17 Dec 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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