# taz.de -- Soziales Engagement in Berlin: Ein taz-Artikel zeigt Wirkung
       
       > Der Bericht über eine Kamerunerin, der die Arbeitserlaubnis verweigert
       > wurde, berührt 2008 eine taz-Leserin. Sie wird aktiv und hilft.
       
 (IMG) Bild: Aus Hilfe wurde Freundschaft: Carole H. und Stefanie Nadler an Weihnachten 2022
       
       Manche Geschichten brauchen lange bis zum Happy End. So wie diese hier.
       2008 berichtete [1][die taz Berlin von einer jungen Frau aus Kamerun],
       Carole H. Sie saß kurz vor Weihnachten mit ihrer kleinen Tochter in einer
       kalten, fast unmöblierten Wohnung in Reinickendorf. Die damals 30-Jährige
       hatte kein Geld mehr und wusste nicht weiter. Im Juni war sie aus Lyon nach
       Berlin gezogen, in der Tasche ein Arbeitsvertrag von BASF. Sie hatte nicht
       gedacht, dass es damit Probleme geben könnte, denn sie hatte bereits von
       1998 bis 2003 in Deutschland gelebt, hier ein Studium angefangen, bevor sie
       2003 nach Frankreich ging, um fertig zu studieren. 
       
       Doch als sie nun zurückkehrte, gab ihr die Ausländerbehörde keine
       Arbeitserlaubnis, weil die Arbeitsagentur H.s Studienabschluss aus
       Frankreich nicht anerkannte. H. konnte ihren Job nicht antreten, musste vom
       Ersparten leben – obwohl BASF die ausgeschriebene Stelle in der
       Buchhaltung, für die Französisch-Kenntnisse gebraucht wurden, mehr als ein
       halbes Jahr lang nicht anders besetzen konnte, weil sich niemand Passendes
       fand. 
       
       Diese Geschichte las seinerzeit Stefanie Nadler. Was dann passierte,
       erzählen sie und H. 14 Jahre später im Zoom-Interview. Ein persönliches
       Treffen wäre zu kompliziert gewesen, denn H. lebt inzwischen in Paderborn. 
       
       Stefanie Nadler: Als ich die Geschichte von Carole damals las, habe ich
       gleich in der taz angerufen, ob ich irgendwie Kontakt bekommen kann. Außer
       mir hatte sich noch ein Leser gemeldet, der auch bis heute in Kontakt ist
       mit Carole. Es war kurz vor Weihnachten, ich habe Spielzeug, Möbel und Geld
       im Freundeskreis und in der Familie gesammelt und zu Carole gebracht.
       Daraus ist eine Familienfreundschaft geworden, und wir sind zusammen mit
       allen Höhen und Tiefen durch sämtliche Behörden gegangen – mit einem sehr
       schönen Ergebnis.
       
       taz: Erstmal war es aber nicht so schön, der Job bei BASF war ja weg. 
       
       Carole H.: Ja, der war irgendwann weg. Ich musste erst mal versuchen,
       überhaupt wieder eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu bekommen:
       Mehr als zwei Jahre hat das gedauert. Mit Steffis, also Frau Nadlers, Hilfe
       konnte ich zum Glück einen Anwalt nehmen. 2011 durfte ich wieder studieren
       – nicht arbeiten! Ich musste ein paar Fächer nachholen, weil sie ja mein
       Studium aus Frankreich nicht anerkennen wollten. Justus, der andere
       taz-Leser, hat mir einen Studenten-Job besorgt, bei einer
       Energiesparberatung, da habe ich auch nach dem Studium noch gearbeitet.
       2013 hatte ich endlich meinen Bachelor. Das ging alles nur, weil Frau
       Nadler eine Bürgschaft für mich und meine Tochter übernahm und unseren
       Lebensunterhalt finanzierte.
       
       Wie haben Sie sich damals gefühlt? 
       
       Carole H.: Es war wirklich eine schwere Zeit, ohne Hilfe hätte ich das
       nicht geschafft. Ich fühlte mich wie ein Mensch ohne Rechte: Ein Deutscher
       oder Franzose hätte ja sofort in dem Job arbeiten dürfen. Aber obwohl sich
       kein anderer dafür fand, durfte ich ihn nicht machen. Da fühlt man sich
       nicht als Mensch.
       
       Frau Nadler, warum hat Sie diese Geschichte so angesprochen, dass Sie aktiv
       wurden? 
       
       Stefanie Nadler: Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Ich habe das
       gelesen und dachte, da muss etwas passieren. Vielleicht, weil ich eine
       besondere Nähe zu Afrika habe und selbst alleinerziehend war. Da konnte ich
       mir Caroles Lage gut vorstellen. Ich spende sonst auch viel für Projekte,
       aber dies hier war etwas anderes: eine unmittelbar wirksame Hilfe. Es gab
       schnell diesen persönlichen Kontakt, das war schön mit Carole, eine
       kulturelle und menschliche Bereicherung.
       
       Ging es Ihnen eher um die direkte Hilfe oder prinzipiell um diese
       Ungerechtigkeit mit der verweigerten Arbeitserlaubnis? 
       
       Stefanie Nadler: Es ging erst mal darum, das Akute zu beheben. Ich habe nur
       gedacht: kalte Wohnung, kleines Kind, Weihnachten vor der Tür. Später hat
       mir der Anwalt abgeraten, eine Bürgschaft zu übernehmen – weil man dann für
       den Unterhalt zuständig ist und das möglicherweise ein Leben lang, wenn
       Carole zum Beispiel später keinen Job gefunden hätte. Ich habe das trotzdem
       gemacht und die Aufgabe auf viele Schultern verteilt. Ich habe einen tollen
       Freundeskreis, und jeder hat, was er konnte, monatlich dazu beigetragen –
       über die gesamte Studienzeit. Carole hat auch sehr zügig studiert, das war
       beruhigend. Und wir sind zusammen gewachsen, haben Familienfeste zusammen
       gefeiert, die Kinder meines Bruders haben sich mit Caroles ältester Tochter
       angefreundet. Meine Eltern – sie sind inzwischen tot – wurden so etwas die
       Großeltern von Carole.
       
       Wie ist das für Sie, Frau H.? Ist es Ihnen unangenehm, dass Sie Frau Nadler
       zum Dank verpflichtet sind? Oder ist das okay, weil Sie längst zur Familie
       gehören? 
       
       Carole H.: Ich fühle mich nicht verpflichtet, weil wir fast wie eine
       Familie zusammengewachsen sind. Natürlich bin ich dankbar für das, was
       Steffi gemacht hat. Ihr verdanke ich, was ich heute erreicht habe, meinen
       tollen Job – ich bin inzwischen in der Softwareentwicklung als
       IT-Testmanagerin tätig. Ich habe jetzt auch mein Haus gebaut hier in
       Paderborn. Dabei hat es Zeiten gehabt, wo ich nicht mehr an mich geglaubt
       habe und verzweifelt war. Steffi hat dann gesagt: Das schaffst du. Dieses
       Vertrauen, das sie in mich hatte, hat mir Mut gegeben, weiterzumachen. Und
       das möchte ich auch gerne anderen mitgeben: Man sollte nie aufgeben, auch
       wenn es mal richtig schlecht läuft im Leben. Man muss dranbleiben, weiter
       hart arbeiten, und am Ende wird alles gut.
       
       Stefanie Nadler: Mir ist klar geworden, welche wichtige Rolle die taz hat,
       wenn sie über persönliche Schicksale und konkrete Ungerechtigkeit berichtet
       – und wie befriedigend es sein kann, sich als LeserIn einzumischen.
       
       6 Jan 2023
       
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