# taz.de -- Ukrainerinnen rausgeworfen: Eine Nacht im Volkspark
       
       > Der Sicherheitsdienst verwies drei Ukrainerinnen für eine Nacht ihrer
       > Hamburger Zelt-Notunterkunft. Eine Aufklärung des Vorfalls steht aus.
       
 (IMG) Bild: Zelte für Geflüchtete aus der Ukraine in der Hamburger Schnackenburgallee
       
       HAMBURG taz | Der Abend des 16. November vergangenen Jahres ist drei
       ukrainischen Frauen in einer Hamburger Geflüchtetenunterkunft in bitterer
       Erinnerung geblieben. Nachdem sie für eine Nacht aus ihrer Unterkunft
       geworfen worden waren und eine Nacht im nahe gelegenen Volkspark verbringen
       mussten, wurde am nächsten Tag auch noch ihr Zelt durchsucht. Die genauen
       Umstände sind noch immer ungeklärt. Die Linksfraktion stellte dazu zwei
       parlamentarischen Anfragen an den Senat, doch die Unterschiede zwischen den
       Berichten der Frauen und den Antworten des Senats sind beträchtlich.
       
       Die 32-jährige Inna D., die aus der Ostukraine kommt und seit letztem Juli
       in Deutschland ist, wohnte zu dem Zeitpunkt des Vorfalls zusammen mit elf
       weiteren Frauen in einer [1][Unterkunft an der Schnackenburgallee]. Diese
       wird vom Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Hamburg Altona und
       Mitte im Auftrag der städtischen Anstalt [2][Fördern und Wohnen] betrieben.
       Nachdem eine der Frauen aus dem Zelt wohl einen Konflikt mit einer anderen
       Bewohnerin hatte und von draußen zurückkehrte, seien kurz darauf zwei
       Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes unangekündigt und schreiend ins Zelt
       gestürmt. Es sei schon spät gewesen und sehr unangenehm, erzählt Inna mit
       ernstem Blick.
       
       Auch der Chef der Sicherheitsleute sei ins Zelt gekommen und habe
       geschrien. Inna und die anderen Frauen verstanden kaum etwas, außer, dass
       jemand raus sollte. Als Inna begann, die Sicherheitsleute in dem Zelt zu
       filmen, sei der Chef aggressiv geworden und habe auch sie aufgefordert, das
       Zelt zu verlassen. Auf Deutsch, ohne, dass die Frauen verstehen konnten,
       was ihnen vorgeworfen wurde und bevorstand, habe der Sicherheitsdienst die
       Frauen für eine Nacht aus der Unterkunft verwiesen. Die hinzugezogene
       Polizei schickte die drei Frauen aus dem Zelt. Draußen fragten sie mit
       einem Online-Übersetzer, nach dem Grund des Verweises. Die Polizei
       antwortete, dass es eine Schlägerei gegeben habe. Inna widersprach.
       
       Ein Angebot einer anderen Frau aus dem Zelt, auf Englisch zu übersetzen,
       habe die Polizei abgelehnt. Man sagte ihnen, dass sie erst am nächsten Tag,
       wenn sie wiederkämen, von der Unterkunft eine Begründung für den Verweis
       erhalten würden. In dem Moment habe man ihnen keine eindeutige Antwort auf
       die Frage gegeben. Letztlich seien die drei Frauen der Unterkunft verwiesen
       worden.
       
       In einer Antwort an die Linke schreibt der Senat zu dem Vorfall, dass nach
       der Einschätzung der Polizisten „in Bezug auf die drei Frauen keine
       hilflose Lage im Sinne einer strafrechtlich relevanten Handlung vorlag“.
       Weiter heißt es: „In der Nacht von 16. auf den 17. November hat der
       Sicherheitsdienst den drei Frauen, die sich zu diesem Zeitpunkt noch hinter
       der Eingangsschranke aufhielten, eine Rückkehr in die Unterkunft angeboten,
       solange sie sich an die Hausordnung hielten, was diese zu diesem Zeitpunkt
       ablehnten.“
       
       Inna beschreibt das anders. Nachdem sie von den Polizisten hinaus geleitet
       worden seien und die Sicherheitsleute sie nicht mehr hinein gelassen
       hätten, mussten sie die Nacht im nahegelegenen Volkspark verbringen. Es
       regnete, war kalt und sie hatten Angst, weil sie sich nicht auskannten.
       Aber auch, weil sie ihre Rechte nicht kannten und nicht kommunizieren
       konnten. Sie fühlten sich nicht mehr sicher. Als sie um sechs Uhr morgens
       zurück in die Unterkunft durften, war ihnen kalt und sie erkälteten sich im
       Nachhinein schwer.
       
       Susanne Schwendtke, Pressesprecherin von Fördern und Wohnen, sagt, dass bei
       Haus- und Geländeverboten normalerweise „immer eine Ersatzunterkunft zur
       Verfügung gestellt“ würde. In diesem Fall habe jedoch im Nachhinein nicht
       mehr aufgeklärt werden können, wieso den Frauen keine Ersatzunterkunft
       angeboten wurde. Das Verhalten entspreche nicht dem Standard und sie
       bedaure sehr, dass es dazu kam. Alle Beteiligten seien informiert und
       sensibilisiert worden. Die Frage, wie in den Unterkünften von Fördern und
       Wohnen sichergestellt werde, dass Bewohnende vor willkürlichem Verhalten
       des Sicherheitsdienstes geschützt sind, beantwortete sie nicht.
       
       Am Abend des 17. November sei das Zelt der Frauen unangekündigt durchsucht
       worden, um nach Alkohol zu suchen, erzählt Inna weiter. Es sei bei den drei
       Frauen aber nichts gefunden worden. Hierzu schreibt der Senat jedoch, dass
       „eine Durchsuchung im Sinne der Beschwerdeführerinnen nicht durchgeführt
       wurde“, Mitarbeitende der Unterkunft hätten dazu keine Befugnisse.
       
       Inna erzählt, an diesem Abend sei ihr gesagt worden, es wäre verboten
       gewesen, den Vorfall zu filmen. Man habe ihr gedroht, sie erneut der
       Unterkunft zu verweisen, wenn sie das Video nicht lösche, was sie aus Angst
       getan habe. Hierzu schreibt der Senat lediglich, dass der Sicherheitsdienst
       darum gebeten habe, das Handyvideo von einer Social-Media-Plattform zu
       entfernen, dem die Bewohnerin nachgekommen sei.
       
       ## Fragen ohne Antwort
       
       Zwei Tage lang versuchten die Frauen vergeblich, Antworten zu bekommen, und
       formulierten schließlich schriftliche Fragen zu dem Vorfall, auf die sie
       jedoch bis heute keine Antwort bekommen hätten. Im Nachgang kam es im
       Dezember zu einem Gespräch der drei Frauen mit dem Flüchtlingsrat, Personal
       von Fördern und Wohnen sowie dem DRK. Gegenüber der taz nahm [3][Fördern
       und Wohnen] zu den Aussagen der Frauen und den Diskrepanzen zu den Aussagen
       des Senats nicht Stellung.
       
       Carola Ensslen von der Hamburgischen Linksfraktion sagt, es sei ein
       „[4][großes Problem, auf die Sicherheitsdienste einzuwirken]“. Eine
       Sensibilisierung dieser reiche nicht aus, da sie ein „ziemliches
       Eigenleben“ führten. Für sie sei entscheidend, „dass drei Frauen in die
       Nacht rausgeschmissen worden sind“. Ein triftiger Grund für einen solchen
       Verweis habe an diesem Abend nicht vorgelegen. Der Vorfall müsse aufgeklärt
       werden und Konsequenzen für die Handelnden haben. Außerdem sei eine
       Entschuldigung bei den Frauen fällig.
       
       Auch Franz Forsmann vom Hamburger Flüchtlingsrat verurteilt den Vorfall:
       „Der durch das Grundgesetz garantierte Schutz des Wohnraums ist von den
       Mitarbeiter*innen des Sicherheitsdienstes zu akzeptieren.“ Diese
       dürften ihre Macht nicht ausnutzen, um Menschen einzuschüchtern. Er
       kritisiert, dass der Hergang des Vorfalls nach zwei Anfragen der
       Linksfraktion noch immer nicht vollständig nachvollziehbar sei. Der Senat
       verharmlose und rechtfertige den Einsatz gegen die Frauen in seinen
       Antworten. Damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederhole, sei eine
       „umfassende Aufarbeitung unter Einbeziehung der Betroffenen“ nötig. Auch
       müssten die Kompetenzen von Mitarbeiter*innen der Sicherheitsdienste
       geprüft werden.
       
       Inna ist noch immer erschrocken von den Erlebnissen dieser Nacht. Sie fühle
       sich nicht mehr sicher und hofft auf eine Aufklärung des Vorfalls. Außerdem
       wünscht sie sich eine zugänglichere Rechtsberatung.
       
       17 Jan 2023
       
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