# taz.de -- NRW-Innenminister über Lützerath: Fast alles tutti in Lützi?
       
       > Innenminister Reul lobt den Polizeieinsatz in Lützerath. Schwerverletzte
       > habe es nicht gegeben, aber 480 Delikte. Protestierer sehen es anders.
       
 (IMG) Bild: Hier steht nichts mehr: Gelände des ehemaligen Dorfes Lützerath
       
       DÜSSELDORF/BERLIN taz | Wie gewalttätig war der Polizeieinsatz bei der
       [1][Räumung von Lützerath]? Darüber diskutierte am Donnerstag der
       Innenausschuss in Nordrhein-Westfalen. Innenminister Herbert Reul (CDU)
       lobte den Einsatz als „gut und professionell“, die Polizeiführung habe
       „äußerst besonnen“ agiert. Anders sehen es die Aktivist:innen: [2][Sie
       kritisieren weiter Polizeigewalt] und eine hohe Zahl an Verletzten.
       
       Laut Reul waren in der Spitze bis zu 3.700 Polizeikräfte im Einsatz, aus
       fast dem gesamten Bundesgebiet. 372 Aktivist:innen, die zuvor den Weiler
       besetzt hatten, um dessen Abbaggerung durch RWE zu verhindern, hätten
       diesen freiwillig verlassen – was Reul lobte. 159 Besetzer:innen seien
       durch die Polizei geräumt worden. Anfangs sei es dabei zu Stein-, Flaschen
       und Molotowcocktailwürfen gekommen. Zehn Aktivist:innen hätten in
       längerfristigem Gewahrsam gesessen. Einer sitze bis heute in U-Haft wegen
       eines Brandsatzwurfs.
       
       Reul äußerte sich auch zum Polizeieinsatz bei der [3][Großdemonstration am
       Samstag] – nach dem die Initiative „Lützi lebt“ massive Gewalt durch die
       Einsatzkräfte beklagt hatte. Polizist:innen hätten Teilnehmende mit
       Schlagstöcken gezielt gegen Köpfe geschlagen und eine Vielzahl an
       Verletzten verursacht. Zunächst hatten Demo-Sanitäter:innen auch von
       mehreren lebensgefährlich Verletzten gesprochen. Das wurde später
       relativiert: Vor Ort sei dies eine erste Einschätzung gewesen. Im
       Krankenhaus hätte dies, mit den besseren Diagnosemöglichkeiten, anders
       eingeschätzt werden können.
       
       ## Die Initiative beklagt gut 100 Verletzte
       
       Dennoch lägen nach einer ersten Umfrage 45 Meldungen zu Kopfverletzungen
       durch Polizeischläge vor, betonte „Lützi lebt“. Mindestens 115 Menschen
       seien geschlagen worden, 65 davon mit Schlagstöcken. Mindestens zehn
       Menschen hätten Knochenbrüche erlitten. Dazu gebe es wohl eine hohe
       Dunkelziffer an Verletzten. Und, so die Initiative: Auch das Durchfließen
       von Polizeiketten rechtfertige „in keinster Weise ein pauschales und
       derartig brutales Vorgehen der Polizei“.
       
       Reul widersprach den Zahlen. Der Polizei seien nur neun verletzte
       Aktivist:innen in Krankenhäusern bekannt – niemand davon
       lebensgefährlich, sondern mit Arm- und Beinverletzungen, im schwersten Fall
       eine Gehirnerschütterung. Auch rund 100 Beamte seien verletzt worden, die
       meisten auf der Demonstration am Samstag, sagte Reul. Zuvor hätten sich
       etliche aber auch ohne Fremdeinwirkung verletzt, indem sie etwa im Schlamm
       umknickten. Die meisten Beamten hätten im Dienst bleiben können. Fünf seien
       aber im Krankenhaus behandelt worden.
       
       Reul verteidigte auch den Polizeinsatz bei der Demonstration. Er warf
       einigen der Teilnehmenden eine geplante Eskalation vor. So hätten etliche
       Vermummte Polizisten angegriffen, teils mit Steinen, Holzlatten oder
       Pyrotechnik. Einige hätten versucht, den Beamten Schlagstöcke oder Pistolen
       zu entwenden. Polizeipferde seien scheu gemacht worden. Erst darauf sei es
       zu den Schlagstockeinsätzen gegen Protestierende gekommen, so Reul.
       
       ## Auch gegen fünf Polizisten wird ermittelt
       
       Bei der Demonstration sei es zu 50 Straftaten gekommen, bei der Räumung
       insgesamt zu weiteren 430 Delikten, erklärte Reul. Darunter seien tätliche
       Angriffe, Widerstandshandlungen oder Sachbeschädigungen. Auch gegen fünf
       Beamte werde ermittelt, zumeist wegen Körperverletzung im Amt, in einem
       Fall auch wegen sexueller Belästigung.
       
       Bei der Debatte im Land lobten alle Fraktionen den Polizeieinsatz als
       professionell. Grüne und SPD forderten aber weitere Aufklärung über
       Gewaltvorfälle auf beiden Seiten ein. Die Grünen-Fraktionsvize Julia Höller
       erklärte, sie verurteile Gewalt wie Steinwürfe von Protestierenden „ganz
       klar“. Genauso müsse aber auch Fehlverhalten der Polizei benannt und
       verfolgt werden. FDP und AfD warfen wiederum den Grünen vor, sich nicht
       ausreichend von gewalttätigen Protestierenden zu distanzieren – was sich
       Höller verbat.
       
       Die Initiative „Lützi lebt“ forderte derweil weiter „Konsequenzen für die
       Verantwortlichen der massiven Gewalt“, auch für die [4][schwarz-grüne
       Landesregierung]. Zudem brauche es unabhängige Institutionen, damit
       Polizeigewalt „endlich“ Folgen habe und sich „Täter*innen nicht weiter
       gegenseitig decken können“.
       
       19 Jan 2023
       
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