# taz.de -- Die Kolumne: Ein Bier aus Gold
       
       > Ein Name wie Strom: James Watt. In Sachen Marketing ist er eher von der
       > üblen Sorte.
       
       Er hatte wohl zu viel von seinem eigenen Bier getrunken. Das kostete James
       Watt, den 39-jährigen Geschäftsführer der schottischen Brauerei BrewDog,
       eine halbe Million Pfund Sterling. Dabei klang seine Werbeaktion gar nicht
       so dumm. Watt versteckte 50 Dosen aus angeblich massivem Gold in Bierkästen
       der BrewDog-Marke Punk IPA. Der Verkauf schoss in die Höhe, viele kauften
       gleich 20 Kisten.
       
       Mark Craig aus dem nordirischen Lisburn war einer der zunächst glücklichen
       Finder. Er machte seiner Freundin einen Heiratsantrag und wollte die
       Hochzeitsfeier mit dem Verkauf der Bierdose finanzieren. Dann folgte die
       Ernüchterung: Die Dose bestand keineswegs aus massivem Gold, sondern aus
       Messing mit einem Goldüberzug von drei Tausendstel eines Millimeters.
       
       Craig wandte sich an die Werbeaufsichtsbehörde, Watt musste klein beigeben.
       Die Aktion habe seine Brauerei „unehrlich und arglistig“ erscheinen lassen,
       er habe sich wohl zu sehr von Willy Wonka beeinflussen lassen, lamentierte
       er. Wonka ist der Besitzer der Schokoladenfabrik aus Roald Dahls Kinderbuch
       „Charlie und die Schokoladenfabrik“. Wonka versteckte fünf goldene Tickets
       in seinen Schokoriegeln, die Finder durften die Fabrik besichtigen und
       wurden ihr Leben lang kostenlos mit Schokolade versorgt.
       
       Aber Watt ist nicht Wonka, er musste knapp eine halbe Million Pfund
       investieren, um die Finder der Messingdosen zu entschädigen. Mit Eigentoren
       bei Werbekampagnen hat BrewDog Erfahrung. Ein „rosa Bier für Mädchen“ zum
       internationalen Frauentag kam überhaupt nicht gut an. Noch dämlicher war
       die Behauptung, dass die BrewDog-Biere „Pineapple Punch“ und „Lost In
       Lychee & Lime“ als Obstportion „5 am Tag“ zählen würden. Für die angeblich
       ironisch gemeinte Behauptung musste sich BrewDog entschuldigen und eine
       ernährungswissenschaftliche Erläuterung veröffentlichen: „Wir bestätigen,
       dass Bier weder Obst noch Gemüse ist.“
       
       ## Die Wahrheit
       
       Dann hat die BBC voriges Jahr in der Dokumentation „Die Wahrheit über
       BrewDog“ enthüllt, dass Watt seine Macht als Geschäftsführer missbraucht
       habe. So belästigte er weibliche Angestellte und betrunkene Kundinnen. Die
       Brauerei besitzt inzwischen rund hundert Wirtshäuser weltweit. Wenn Watt
       die Kneipen inspiziert, raten die Manager ihren weiblichen Angestellten,
       die Haare zum Dutt zu binden, hochgeschlossene Blusen zu tragen und kein
       Make-up aufzulegen, um nicht Watts unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen.
       
       Im Dezember hat man der Brauerei den Status als „ethisches Unternehmen“
       aberkannt. Aber eins muss man BrewDog lassen: Die Brauerei hat in Edinburgh
       ein Hotel eröffnet, das in jedem Gästezimmer über einen Hahn für gezapftes
       Bier und in jeder Dusche über einen prall gefüllten Kühlschrank mit
       Bierdosen verfügt. Allerdings sind die nicht aus Gold.
       
       23 Jan 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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