# taz.de -- Erneuter Video-Protest im Knast Tegel: „Es werden nur Schuldige gesucht“
       
       > Mit zwei neuen Videos protestiert ein Insasse gegen die Zustände im
       > Berliner Gefängnis. Die Justizverwaltung kündigt ein Gespräch mit ihm an.
       
 (IMG) Bild: Was passiert hinter diesen Mauern? Turm der JVA Tegel
       
       BERLIN taz | Erst im Keller, dann im Aufzug, nun in der Dusche – David,
       genannt der „Leopard“, hat ein drittes Video aus der Justizvollzugsanstalt
       (JVA) Tegel auf Tiktok hochgeladen. [1][Das erste war am Donnerstag
       vergangener Woche veröffentlicht worden]. Darin hatte der Gefangene, der
       sich später David nannte, auf Missstände im Gefängnis aufmerksam gemacht,
       die nicht nur, aber in erster Linie ausländische Gefangene betreffen
       sollen. Im zweiten und dritten Video geht er vor allem auf die Reaktionen
       auf die erste Veröffentlichung ein. Die taz konnte ihm außerdem per Tiktok
       mehrere Fragen stellen.
       
       Er und weitere Inhaftierte, die im Video identifiziert worden waren, hatten
       eine Anhörung mit der Teilanstaltsleitung, sagt David im zweiten Video vom
       Samstag. „Statt Empathie zu zeigen und konstruktiv über die Inhalte des
       Videos zu sprechen, wurden Schuldige gesucht. Die Anhörungen glichen einem
       Verhör. Ausländischen Gefangenen wurde wie immer kein Dolmetscher zur
       Verfügung gestellt.“ Ein JVA-Bediensteter habe „im Sinne der Anstalt“
       übersetzt. Die Protokolle hätten die Gefangenen daher auch nicht
       unterschrieben.
       
       „Natürlich sind wir nicht im Hotel, und ja, wir haben alle Scheiße gebaut“,
       sagt David in Reaktion auf viele der Kommentare auf Tiktok, die sich über
       die Aktion lustig machen, den Gefangenen vorwerfen, „Luxus“ einzufordern
       oder der Ansicht sind, Straftäter*innen stünden keine Rechte zu. In
       anderen Kommentaren solidarisierten sich Nutzer*innen mit den Gefangenen
       oder bewunderten ihren „Mut“, sich gegen Missstände auszusprechen.
       
       Ein Nutzer schrieb: „Ist ein guter Mann oder will einer werden. Gibt sich
       Mühe, etwas zu verändern. Sollte jeder respektieren.“ Eine Nutzerin
       kommentierte: „Ich fand die Präsentation gut. Du hast deutlich und frei
       gesprochen“ – als handele es sich um ein Schülerreferat. „Frei“ stimmt
       nicht ganz, David liest jeweils vom Blatt ab.
       
       Dieses Mal sind keine weiteren Gefangenen im Bild. Er erklärt, in der
       Teilanstalt 6 in Tegel gebe es vor allem „Kurzstrafer“, Menschen mit
       Drogenproblemen oder Schulden. Sie kämen dort „mit einem Problem rein, aber
       mit zehn wieder raus“ – ohne Resozialisierung oder Entlassungsvorbereitung.
       „Ohne jede Hilfe werden wir in die Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit
       entlassen.“
       
       Auf Nachfrage der taz via Tiktok antwortete David, er werde von den übrigen
       Gefangenen „Leopard“ nach dem deutschen Panzer genannt. „Weil ich den
       Ausländern helfe, sind sie froh und nennen mich so.“ Es gebe in der
       Teilanstalt 6 keinen nicht-deutschen Häftling, der sich nicht über
       rassistische Behandlung beschwere, seit die neue Leiterin im Amt sei. Unter
       anderem dürften ausländische Gefangene nicht arbeiten.
       
       Andere Vorwürfe betreffen alle Insassen: Die Gefangenen der Teilanstalt
       würden voneinander getrennt – als „Kollektivstrafe“ nach einem Streit
       zwischen einem Justizbeamten und einem Gefangenen, der sich unfair
       behandelt gefühlt habe. Außerdem seien seit Dienstbeginn der neuen Leitung
       die Essensportionen kleiner geworden. „Obwohl Essen übrig bleibt“, schreibt
       David. Das werde dann weggeworfen.
       
       ## Erste Reaktion der Justizverwaltung
       
       Die Senatsverwaltung für Justiz widersprach einigen der Angaben aus den
       Videos. Zum einen würden in der Teilanstalt 6 nicht nur „Kurzstrafer“
       untergebracht. Getrennt worden seien die verschiedenen Abteilungen nach
       einem körperlichen Übergriff auf einen Gefangenen, der noch nicht
       aufgeklärt sei, sagte Sprecher Martin Kröger.
       
       Auch habe ein entlassener Häftling nicht deshalb vor der Tür der [2][JVA
       Tegel] geschlafen, weil er keine Entlassungsunterstützung erhalten habe. Er
       hätte von der Ausländerbehörde einen Aufenthaltsort zugewiesenen bekommen,
       diesen aber nicht aufgesucht, so Kröger weiter.
       
       Auch der Vorwurf, ausländische Gefangene dürften nicht arbeiten, lasse sich
       aus der Statistik nicht herauslesen. Die Beschäftigungsquote liege bei 77,5
       Prozent. Einige stünden auf einer Nachrückerliste, andere dürften „selbst
       verschuldet“ nicht arbeiten. 43 Prozent der Gefangenen seien nicht in
       Deutschland geboren.
       
       Man weise aber nicht „pauschal“ alle Anschuldigungen zurück, sagte Kröger.
       Die Senatsverwaltung hatte bereits vergangene Woche angekündigt, den
       Vorwürfen nachgehen zu wollen. Am Donnerstag hieß es nun, es sei „zeitnah“
       ein Gespräch mit den Gefangenen geplant.
       
       17 Feb 2023
       
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