# taz.de -- Karstadt am Berliner Hermannplatz: Es muss nicht immer glänzen
       
       > Am Hermannplatz interessiert sich jetzt das Denkmalamt für das
       > Karstadt-Gebäude. Es ist auch höchste Zeit für eine Wertschätzung von
       > Nachkriegsbauten.
       
 (IMG) Bild: Zurückhaltender Glanz: Karstadt-Gebäude am Hermannplatz
       
       Ist das ein Denkmal oder kann das weg? Über diese Fragen streiten sich
       gerade das Landesdenkmalamt und das Immobilien-unternehmen Signa. Der
       österreichische Investor will das [1][Karstadtgebäude am Hermannplatz]
       aufwendig umbauen und erweitern. Nun meldete das Landesdenkmalamt Bedenken
       gegen die Umbau-Pläne an: Der bestehende Gebäudekomplex, ein eher
       unscheinbarer Funktionsbau aus den 50er Jahren, sei ein [2][schützenswertes
       Baudenkmal]. Obwohl noch unklar ist, wer sich am Ende durchsetzt, zeigt der
       Fall: das architektonische Erbe der Nachkriegszeit muss besser vor den
       Interessen privater Investor:innen geschützt werden.
       
       Signa plant, das Gebäude nach dem Vorbild des monumentalen historischen
       Vorgängers von 1929 wiederherzustellen, mitsamt Art-Deco-Fassade und zweier
       60 Meter hoher Türme. Die SS sprengte damals in den letzten Kriegstagen das
       damals größte Kaufhaus Europas, übrig blieb nur ein Gebäudefragment, das
       heute immer noch erhalten ist. An dieses Fragment baute der Architekt
       Alfred Busse den Karstadt wieder auf: deutlich kleiner und eher
       zurückhaltend statt monumental. Über die Jahre wurde der Bau immer wieder
       erweitert, der zurückhaltende Charakter blieb.
       
       Doch mit dem Understatement der Nachkriegsjahre lässt sich nur schwer Geld
       verdienen. Je spektakulärer, größer und einzigartiger ein Immobilienprojekt
       ist, desto einfacher lassen sich Geldgeber:innen finden, die frisches
       Kapital für neue Bauprojekte investieren, mit denen sich wiederum neues
       Kapital anziehen lässt. Klar, dass Signa deshalb das Maximum herausholen
       will, indem es den historischen Vorgänger wieder aufbaut, anstatt das eher
       unspektakulären Bestandsgebäude einfach nur zu sanieren.
       
       ## Platz machen für profitablen Neubau
       
       [3][In vergleichbaren Fällen] hat die Nachkriegsarchitektur bislang oft den
       Kürzeren gezogen. Im Gegensatz zur Gründerzeitbebauung aus der Kaiserzeit
       gilt sie als hässlich und wenig schützenswert. Viele Gebäude, wie das 1967
       errichtete Pressehaus Constanze in der Kurfürstenstraße, wurden in den
       letzten Jahre ohne viel Aufsehen abgerissen, um Platz für profitablere
       Neubauten zu machen.
       
       Dabei sind Nachkriegsbauten für Investor:innen doppelt attraktiv. Zum
       einen lassen sich mit Neubauprojekten enorme Wertsteigerungen erzielen, zum
       Anderen gibt es in den wenigsten Fällen Widerstand aus der Politik oder
       Zivilgesellschaft.
       
       Dass Signas Karstadt-Rekonstruktion am Hermannplatz derart starken
       Gegenwind bekommt, dürfte weniger an der Architektur des Gebäudes liegen
       als an de Befürchtung, die geplante Monumental-Architektur würde die
       Spekulationsspirale in der ohnehin schon stark von Gentrifizierung
       betroffenen Gegend weiter anheizen.
       
       Dabei sind Nachkriegsimmobilien alles andere als architektonisch wertlos:
       Auch sie erzählen die Geschichte der Stadt, des Wideraufbaus und der
       Zerstörung durch den Krieg. In den für heutige Geschmäcker klobigen
       Fassaden spiegelt sich der damalige Zeitgeist wieder, in dem Gebäude in
       erster Linie nach den Bedürfnissen der Menschen designt wurden und nicht um
       in den Hochglanzbroschüren der Immobilienunternehmen gut auszusehen.
       
       Deshalb ist es höchste Zeit, den Denkmalschutz von Nachkriegsgebäuden
       ernstzunehmen. Gewinnen würden alle, außer die Spekulant:innen: Bezahlbarer
       Wohnraum und Gewerbefläche bliebe erhalten, die architektonische Identität
       der Stadt würde gewahrt werden und Millionen Tonnen Kohlenstoff, die für
       die Produktion der Baumaterialien der opulenten Neubauten benötigt werden,
       im Boden bleiben.
       
       25 Feb 2023
       
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