# taz.de -- Anschlag auf Nord-Stream-Pipelines: Danke! Danke! Danke!
       
       > Eigentlich ist es egal, wer es war: Wer auch immer die
       > Nord-Stream-Pipeline gesprengt hat, hat drei Preise verdient.
       
 (IMG) Bild: Die kleine dänische Insel Christiansø liegt unweit des Anschlagsortes auf die Nord-Stream-2-Pipeline
       
       Wer hat die Nord-Stream-Pipeline gesprengt? Die Ostsee liegt zwar wieder so
       ruhig und langweilig da, wie es ihre Art ist, aber die Gerüchteküche
       blubbert. Einer [1][Recherche verschiedener Medien zufolge] soll eine
       Gruppe von sechs Personen mit gefälschten Pässen an der deutschen
       Ostseeküste eine Jacht gemietet haben und mit einem Sprengsatz zur Pipeline
       geschippert sein.
       
       Das ist natürlich wahnsinnig aufregend, aber schlauer ist man nach dieser
       Recherche nicht – außer, dass es [2][ein Wieck auf dem Darß und ein Wiek
       auf Rügen] gibt und die Jacht an einem der beiden Häfen ein Päuschen
       gemacht hat. Ob die Sprengung aber von Ukrainern oder Russen ausgeführt
       wurde, ob die ukrainische Regierung informiert oder involviert war oder gar
       die Amerikaner – nichts davon ist heute klarer als vor einer Woche.
       
       Einige Hinterbänkler sehen trotzdem die Chance, aus den Vermutungen Profit
       zu schlagen. Über „Terrorismus mit Staatshilfe“ [3][spekuliert etwa Ralf
       Stegner] und behauptet, die Medienberichte legten nahe, dass „Putin es
       nicht war“. Er raunt über „politische Turbulenzen, die sich gewaschen haben
       dürften“. Die Hoffnung, einen Grund zu finden, die Waffenlieferungen an die
       Ukraine endlich einzustellen, ist in Bordesholm so stark spürbar, da
       braucht man keinen Seismografen.
       
       Ich muss Sie enttäuschen, auch diese Kolumne wird das Rätsel nicht lösen.
       Aber ich werde es herausfinden, mit einer investigativen Methode, einem
       Preisausschreiben. Denn egal, wer für die Zerstörung der Pipeline
       verantwortlich ist und woher die Täter kommen, ihnen gehören sämtliche
       Orden angebunden.
       
       So geht sozial-ökologische Transformation 
       
       Zunächst der ARD-Vorabend-Preis für den besten Krimiplot: Man muss sich das
       nur mal vorstellen, wie diese Jacht, bis oben hin vollgepackt mit
       Sprengstoff, in den beschaulichen Hafen Wiek auf Rügen einfährt, neben der
       Jacht eines Rostocker Zahnarztes vertäut wird und etwas später weiterfährt.
       James Bond kann einpacken, bei dieser Geschichte stimmt einfach alles.
       
       Die Pipeline-Helden verdienen außerdem den Footprint-Award für
       sozialökologische Transformation: Sie haben für das Ende des fossilen
       Albtraums mehr geleistet als jeder vegane Nachtzugfahrer. Ohne ihren
       heldenhaften Einsatz wäre die Wärmepumpe immer noch ein Kapitel im grünen
       Parteiprogramm. Jetzt ist sogar dem letzten aus Aserbaidschan bezahlten
       CDU-Politiker klar: Es gibt keinen Weg zurück zum russischen Billiggas.
       
       Womit wir beim dritten Preis wären: Dem Gerhard-Schröder-Preis für
       Verdienste gegen die deutsche Sozialdemokratie. Denn seien wir ehrlich,
       spätestens im nächsten Winter, wenn es wieder kalt wird, aber Christian
       Lindner sich weigert, Olaf Scholz’ Finanzbazooka nachzuladen, wird es
       ungemütlich werden in Deutschland. Und wenn es in der Ukraine dann etwas
       gäbe, das man aus der Ferne mit zusammengekniffenen Augen als
       Waffenstillstand bezeichnen könnte, wären die ersten Sozialdemokraten aus
       ihren norddeutschen Villen gekrochen und hätten gefordert, dass wir doch
       bitte Nord Stream 2 endlich in Betrieb nehmen.
       
       Es wäre zwar nicht schön, würden sie dann sagen, und Russland würde man
       immer noch echt kritisch sehen, auch wegen der Menschenrechte. Aber man
       müsse doch auch an die deutschen Arbeiter denken, die bräuchten das billige
       Gas aus Russland. Und mit dem Zauberwort „Brückentechnologie“ wären dann
       auch die letzten Grünen schwach geworden. Diese beinahe zwangsläufige
       Entwicklung im Winter 2024 haben die Helden in die Luft gesprengt.
       
       Also, falls Sie das waren mit den Pipelines, wenden Sie sich bitte an die
       wochentaz in der Friedrichstraße 21 in 10969 Berlin – und holen Sie sich
       Ihre Preise ab!
       
       11 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anschlaege-auf-Nord-Stream-Pipelines/!5919241
 (DIR) [2] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Nord-Stream-Anschlag-Verdaechtige-Jacht-steuerte-Wiek-auf-Ruegen-an,nordstream888.html
 (DIR) [3] https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/1633202765609549827
       
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