# taz.de -- Performance mit 100 Metronomen: „Dieser besondere poetische Moment“
       
       > Tickende Metronome und kein einziges Musikinstrument: In Hamburg kommt
       > György Ligetis „Poème Symphonique“ zur Aufführung.
       
 (IMG) Bild: Immer wieder im Takt hin und her: tickendes Metronom
       
       taz: Herr Lamparter, fahren Sie gerade mit einem Koffer voller Metronome
       durch die Republik? 
       
       Wolfram Lamparter: Ganz genau so! Das hat zu tun mit der [1][ARD-„Woche der
       Musik“]: Deren Thema ist dieses Jahr der Komponist György Ligeti …
       
       … der Ende März 100 Jahre alt würde.
       
       Und es hat zu tun mit der Idee, dass wir alle, Sender und Anstalten,
       zusammen die ARD sind. Deshalb habe ich gesagt: Ich mache ein Projekt, das
       für ganz Deutschland funktionieren könnte.
       
       Inwiefern bietet sich dafür nun [2][Ligetis „Poème Symphonique“] an – ein
       Stück für bis zu 100 gleichzeitig tickende, eben, Metronome, aber keine
       weiteren Instrumente? 
       
       In der bundesweiten Projektwoche gibt es ganz viele ganz unterschiedliche
       Sachen: Konzerte, Workshops, Schulkonzerte und so weiter, mit den
       unterschiedlichsten Programmen. Davon ist „Poème …“ nur eine Facette. Aber
       was ich darin gesehen habe, ganz pragmatisch: Es ist eines der wenigen
       Stücke Ligetis, die selbst Laien aufführen können. Und das haben wir
       versucht, an Schulen zu initiieren: Dass die selbst eine Aufführung mit
       diesen 100 Metronomen machen, das in ein Schulkonzert integrieren – und es
       ist natürlich fast ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts.
       
       Gibt es nicht aber immer noch Leute, die sagen: Das ist doch keine Musik,
       sondern eher eine Art gespielter Witz? 
       
       Ligeti selbst hat betont, dass es so eine Vielschichtigkeit und
       Doppeldeutigkeit in seinem Werk gibt. Für ihn selbst war das Stück durchaus
       ambivalent: ein Stück weit Ironie, aber eben auch ernst gemeinte Musik. Das
       ist auch, was mich daran fasziniert: die ganz unterschiedlichen Zugänge,
       die dazu möglich sind. Man muss es ja nicht gut finden – aber die
       Auseinandersetzung damit ist ein Teil der Kulturgeschichte. „Poème
       Symphonique“ wird ja sehr oft aufgeführt – vielleicht weil es so es kurz
       ist, aber auch, weil es so eine provokante Idee hat. Es ist Ligetis
       meistgespieltes Stück.
       
       Wissen Sie noch, wann Sie selbst es zum ersten Mal im Konzertsaal erlebt
       haben? 
       
       Seit ich im vergangenen Jahr angefangen habe, mich damit
       auseinanderzusetzen, habe es mehrmals aufgeführt und Aufführungen
       miterlebt. Da sind immer Teile dabei, wo man denkt, hoffentlich geht es
       gut, hoffentlich schreckt man die Leute nicht ab. Und doch entsteht am
       Schluss immer dieser ganz besondere poetische Moment, der aus einem
       vermeintlich gespielten Witz ein Kunstwerk macht.
       
       Wenn man das Stück nicht kennt, würde man vielleicht denken, es sei alles
       willkürlich, was da passiert. Es gibt aber eine Partitur, es gibt
       Anweisungen. 
       
       Es gibt eine präzise Spielanleitung, aber darin ist ein gewisser
       Zufallsfaktor miteinkalkuliert. Das Stück hat im Grunde einen ganz
       einfachen Aufbau: Aus einem Klangteppich wird eine ganz klare rhythmische
       Struktur, ein einzelnes tickendes Metronom. Es sind Parameter festgelegt –
       aber Zufälligkeit bleibt im Spiel.
       
       Das Stück mag ein Schlüsselwerk des vorigen Jahrhunderts sein – das
       [3][Metronom ist sogar noch älter]. 
       
       Ja, das ist über 200 Jahre alt, aus Beethovens Zeit. Ich hätte gewettet,
       noch in der Vorbereitungsphase, dass die Dinge eine aussterbende Spezies
       sind. Dann habe ich aber Kontakt mit der Herstellerfirma aufgenommen, und
       die hat mehrfach bestätigt, dass die Umsätze nach wie vor da sind. Diese
       Geräte werden gekauft. Dabei kann, was so ein Metronom tut, heute jedes
       Handy.
       
       25 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ard.de/die-ard/spezial/Woche-der-Musik-100/
 (DIR) [2] https://www.ndr.de/orchester_chor/elbphilharmonieorchester/konzerte/NDR-Jugendsinfonieorchester-spielt-Ligeti-und-Bartok,ndrjso140.html
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Metronom
       
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