# taz.de -- Bundesweiter Warnstreik: Tote Hose an fast allen Haltestellen
       
       > Mit ihrem Warnstreik haben Verdi und EVG den öffentlichen Verkehr
       > weitgehend stillgelegt. Nun geht es zurück an die Verhandlungstische.
       
 (IMG) Bild: Streikende bei einer Kundgebung vor dem alten Elbtunnel im Hamburer Hafen: „Druck auf dem Kessel“
       
       BERLIN taz | Die Gewerkschaften jubilieren, die Arbeitgeber toben und die
       Bevölkerung reagiert gelassen: Das sind die Reaktionen auf den bisher
       größten Mobilitätswarnstreik in der Bundesrepublik. Leergefegte Bahnhöfe,
       verwaiste Bus- und U-Bahn-Haltestellen, menschenleere Flughafenterminals,
       lange Reihen von abgestellten Passagierjets: Am Montag demonstrierten die
       Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und
       Verkehrsgewerkschaft EVG in einer konzertierten Aktion, welche Macht
       Gewerkschaften in Deutschland noch haben können.
       
       „Wirklich alle Mitglieder“, die zu dem Warnstreik aufgerufen worden seien,
       hätten sich auch beteiligt, freute sich der Verdi-Vorsitzende Frank
       Werneke. Es sei „einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es
       leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während
       die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt
       sind“, sagte er am Montag in Potsdam. Insgesamt hätten sich an den diversen
       Warnstreiks in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes in den
       vergangenen Wochen mehr als 400.000 Beschäftigte beteiligt. „Das ist die
       größte Warnstreikbeteiligung seit vielen Jahren und Jahrzehnten.“
       
       Auch sein EVG-Pendant Martin Burkert zeigte sich zufrieden mit der
       Streikbeteiligung. „Über 30.000 Kolleginnen und Kollegen sind unserem
       Aufruf gefolgt“, sagte er. „In einem Dreischichtbetrieb ist das eine enorme
       Zahl.“ Alle Fernverkehrszüge und die allermeisten Nahverkehrszüge hätten
       stillgestanden.
       
       Zur Frage nach der Verhältnismäßigkeit des bundesweiten Warnstreiks sagte
       Burkert, die Arbeitgeber und ihre Verbände sollten sich lieber fragen, „ob
       es noch verhältnismäßig ist, wenn Vorstände das Vierzig-, Fünfzigfache oder
       mit Bonuszahlungen das Achtzig- und Einhundertfache von dem verdienen, was
       in der Dienstleistung verdient wird“. Demgegenüber sei der Warnstreik
       „notwendig“ und „verhältnismäßig“ gewesen. Wie auch Werneke forderte er die
       Arbeitgeberseite auf, nunmehr ein „verhandlungsfähigen Angebot“ vorzulegen.
       
       ## Heftige Kritik von der Arbeitgeberseite
       
       Von verbesserten Angeboten ist jedoch bislang nichts zu hören. Stattdessen
       echauffierten sich die Arbeitgeber über den Tagesausstand. „An diesem
       überzogenen und übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf
       Busse und Bahnen angewiesen sind“, sagte Bahn-Konzernsprecher Achim Stauß.
       „Nachteile haben auch Tausende Unternehmen in der Wirtschaft, die
       üblicherweise ihre Güter auf der Schiene empfangen oder versenden.“ Es sei
       „sehr befremdlich, dass man heute streikt und erst in fünf Wochen bereit
       ist, wieder mit uns zu verhandeln“, kritisierte Stauß die EVG.
       
       Die Gewerkschaften würden „überziehen“, kritisierte die Gelsenkirchener
       Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD). „Dass die Streiks mittlerweile
       flächendeckend und in einer solchen Intensität erfolgen, kann ich nicht
       nachvollziehen“, sagte die Verhandlungsführerin der Vereinigung der
       kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).
       
       Völlig die Fassung verlor der Flughafenverband ADV. Der Ausstand vom Montag
       habe „jedes vorstellbare und vertretbare Maß“ gesprengt, empörte sich
       ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Das habe „nichts mehr mit einem
       Warnstreik zu tun“, sondern sei vielmehr „der Versuch, per
       Generalstreik französische Verhältnisse in Deutschland einziehen
       zu lassen“.
       
       Die Bürger:innen reagierten entspannter: Sie hatten sich vielerorts
       einfach auf die Einschränkungen eingestellt. Das befürchtete Verkehrschaos
       in den Städten und auf den Autobahnen blieb jedenfalls weitgehend aus. „Wer
       kann, ist im Homeoffice geblieben“, vermeldete der ADAC. So wurden größere
       Staus nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Dazu beigetragen haben
       dürfte, dass Tunnelsperrungen durch Notdienstvereinbarungen von Verdi mit
       der Autobahn GmbH des Bundes vermieden werden konnten.
       
       Während bei der Deutschen Bahn erst Ende April die nächste
       Tarifverhandlungsrunde ansteht, begann am Montag in Potsdam die dritte und
       als entscheidend geltende Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst des
       Bundes und der Kommunen, die bis Mittwoch terminiert ist.
       
       Er erwarte, dass „ein deutlicher Schritt auf die Beschäftigten und uns als
       Gewerkschaft zugegangen wird“, sagte Verdi-Chef Werneke – und zwar „nicht
       irgendwann erst am dritten Tag“. Das Wichtigste sei für die Beschäftigten
       ein „sozial balancierter Tarifvertrag“, also eine soziale Komponente
       mittels eines Festbetrags. Das verweigere jedoch bisher die
       Arbeitgeberseite. Konkret fordert Verdi eine Gehaltserhöhung in diesem Jahr
       von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro pro Monat mehr.
       
       „Wir haben ein gutes Angebot vorgelegt“, sagte dagegen Innenministerin
       Nancy Faeser (SPD), die Verhandlungsführerin des Bundes. Sie erwarte „jetzt
       erst mal“, dass die Gewerkschaften nicht länger auf ihren hohen Forderungen
       beharrten, sondern „vielleicht uns auch ein Stück entgegenkommen“. Bund und
       Kommunen bieten bisher eine Einmalzahlung von 1.500 Euro im Mai und eine
       Tariferhöhung von 3 Prozent ab Oktober an. Weitere 2 Prozent sowie eine
       nochmalige Einmalzahlung von 1.000 Euro soll es schließlich im kommenden
       Jahr geben.
       
       27 Mar 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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