# taz.de -- Deutschland vor Warnstreiktag: Arbeitgeber gegen Gewerkschaften
       
       > Millionen Reisende und Pendler in ganz Deutschland werden am Montag vom
       > Warnstreik im Verkehr betroffen sein. Das führt zu Kritik.
       
 (IMG) Bild: Nö, hier fährt mal nichts. Zentralhaltestelle der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) in Leipzig
       
       BERLIN dpa | Vor [1][dem großen Warnstreiktag] im öffentlichen Verkehr in
       Deutschland werfen Deutschlands Arbeitgeber den Gewerkschaften überzogenes
       Handeln vor. „Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die
       Akzeptanz für das Streikrecht“, sagte der Hauptgeschäftsführer der
       Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen
       Kampeter, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Chef der
       Bahngewerkschaft EVG, Martin Burkert, verteidigte den gemeinsamen
       Warnstreik mit Verdi und betonte, mit dem Streikrecht verantwortungsvoll
       umzugehen: „Nein, wir übertreiben nicht“, sagte Burkert am Freitag.
       
       An diesem Montag soll der [2][Verkehr umfassend lahmgelegt] werden. Der
       beispiellose Warnstreik umfasst den Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr auf
       der Schiene, den kommunalen Nahverkehr, viele deutsche Flughäfen, die
       Wasserstraßen und Häfen sowie Autobahnen. Die Eisenbahn- und
       Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi kämpfen für mehr Einkommen in
       unterschiedlichen Tarifrunden.
       
       Spediteure und Handel fordern mehr Flexibilität für Transporte bereits am
       Wochenende. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth,
       sagte: „Im Vergleich zu der teilweise dramatischen Lage gerade zu Beginn
       der Pandemie sind die Auswirkungen des anstehenden Streiks eine
       verkraftbare Herausforderung.“ Trotzdem wäre es sinnvoll, das
       Sonntagsfahrverbot für dieses Wochenende aufzuheben und der Logistik zu
       ermöglichen, einige Transporte vorzuziehen. Die Logistikbranche warnte vor
       einem „Versorgungschaos“ und forderte ebenfalls die Aufhebung des
       Lkw-Fahrverbots am Sonntag.
       
       Der Airline-Verband Barig kritisierte das Vorgehen der Gewerkschaften als
       „verantwortungslos“. Lufthansa-Passagiere müssen sich bereits am Sonntag
       auf erhebliche Ausfälle einstellen. Am Flughafen München finden schon an
       dem Tag – abgesehen von humanitären Flügen – keine Lufthansa-Flüge statt,
       wie die Airline mitteilte. Hinzu kommt am Montag Deutschlands größter
       Flughafen Frankfurt.
       
       Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin
       Welge, rief die Gewerkschaften zu konstruktiven Zeichen für die am Montag
       beginnende dritte Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Kommunen und des
       Bundes auf – neben den Tarifgesprächen bei der Bahn entscheidender
       Hintergrund für die Warnstreiks. „Die Gewerkschaften sollten aufpassen,
       dass sie nicht überziehen“, sagte Welge.
       
       ## Scharfes Schwert Streikrecht
       
       Kampeter mahnte, der Kampf um Mitglieder dürfe die Tarifautonomie in
       Deutschland nicht radikalisieren. „Ein Blick nach Frankreich zeigt, wohin
       es führt, wenn man sich auf die schiefe Ebene begibt.“ In Frankreich
       [3][wird vergleichsweise häufig gestreikt] – zuletzt besonders heftig
       [4][gegen die Rentenreform] von Präsident Emmanuel Macron.
       
       Der EVG-Chef sagte zum Streikrecht, „es ist ein scharfes Schwert, mit dem
       wir auch sehr verantwortungsvoll umgehen“. In Deutschland gebe es im
       Vergleich zu anderen Ländern wenige Streiktage. In Frankreich gehe es um
       politische Streiks mit politischen Forderungen, was es in Deutschland nicht
       gebe, sagte der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im
       Deutschlandfunk. Im Tarifkonflikt von EVG und Verdi gehe es um Forderungen
       für Bezahlung und Tarifverträge. Mit Blick auf den gemeinsamen Warnstreik
       mit Verdi nannte es Burkert „sicherlich historisch, dass wir zeitgleich das
       Momentum haben, dass wir in schwierigen Tarifverhandlungen stehen“.
       
       ## Kein Vergleich mit Frankreich
       
       Das Recht zur Bildung von Gewerkschaften steht in Deutschland im
       Grundgesetz, das auch einen besonderen Schutz für Arbeitskämpfe vorsieht.
       In Frankreich haben Streiks eine andere Stellung als in Deutschland und
       finden häufiger statt. Das Streikrecht ist liberaler: Streiks gibt es nicht
       nur im Rahmen von Tarifverhandlungen, und oft geht es um politische Ziele.
       Anders als in Deutschland gibt es zudem zahlreiche hochpolitische
       Richtungsgewerkschaften, die um Einfluss buhlen und dabei verstärkt auf die
       Macht der Straße setzen.
       
       Die [5][starke Beteiligung an Streiks und Protesten und auch die etwas
       kämpferischere Haltung in Frankreich] geht auch darauf zurück, dass das
       Land die jahrhundertelange Erfahrung hat, dass soziale Bewegungen
       erfolgreich sein können. Konflikte prägen den politischen Diskurs und auch
       das Verhältnis von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern stärker.
       
       Ungewöhnlich am geplanten Warnstreiktag von EVG und Verdi ist, dass er sich
       mit den Verhandlungen überschneidet – nämlich der in Potsdam beginnenden
       dritten Runde für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen.
       Rechtlich ist das Vorgehen aber möglich, wie Thorsten Schulten vom Institut
       WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung der Deutschen
       Presse-Agentur sagte.
       
       Denn die Friedenspflicht endete mit dem Auslaufen des bisherigen
       Tarifvertrags. Auch einem großangelegten Warnstreik mitsamt Überschneidung
       von zwei Tarifbereichen steht nach Einschätzung von Schulten nichts im Weg.
       Die Arbeitgeber sehen in dem umfassenden Ausstand die rechtlichen Grenzen
       zumindest ausgereizt.
       
       ## „Großstreik ist kein Warnstreik“
       
       Kampeter kritisierte: „Großstreiks, die ein Land lahmlegen sollen, sind
       keine Warnstreiks.“ Der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft
       (BVMW), Markus Jerger, sagte: „Unternehmen und Bevölkerung dürfen nicht in
       Geiselhaft genommen werden für Forderungen, die in der derzeitigen
       wirtschaftlichen Situation nicht zielführend sind.“
       
       Stillstand soll infolge des umfassenden Warnstreiks am Montag wohl fast
       überall im öffentlichen Verkehr herrschen. Die Bahn stellt den gesamten
       Fernverkehr ein. Auch im Regionalverkehr werde „größtenteils kein Zug
       fahren“. Betroffen sind viele Airports – etwa die Flughäfen Frankfurt und
       München. In sieben Bundesländern soll der Nahverkehr stillstehen. Auch
       wichtige Wasserstraßen sollen bestreikt werden.
       
       24 Mar 2023
       
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