# taz.de -- AKW-Abschaltungen in Deutschland: FDP sieht „dramatischen Irrtum“
       
       > FDP-Parteivize Kubicki warnt vor dem Aus der letzten Atomkraftwerke in
       > Deutschland. Greenpeace dagegen sieht darin einen „Booster“ für die
       > Erneuerbare​n.
       
 (IMG) Bild: Hach, dieser wunderschöne Kühlturm des AKW Lingen; am Samstag ist Sense
       
       BERLIN afp/dpa | Wenige Tage vor [1][Abschaltung der letzten deutschen
       Atomkraftwerke] sorgt das Thema weiter für Kontroversen. Der Atomausstieg
       sei „ein dramatischer Irrtum“, sagt FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der
       Wirtschaftsrat der CDU sieht eine „große Gefahr für den Wirtschaftsstandort
       Deutschland“. Dagegen verspricht sich [2][Greenpeace] von der Abschaltung
       einen „richtigen Booster“ für die erneuerbaren Energien.
       Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) weist auf das [3][ungelöste
       Problem des hochradioaktiven Atommülls] hin.
       
       Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim und
       Emsland gehen am Samstag vom Netz. Sie trugen zuletzt nur einen kleinen
       Anteil zur Stromerzeugung bei. Die Betreiber haben die Stilllegung bereits
       vorbereitet. Eigentlich hätte der Atomausstieg schon zum Jahreswechsel
       erfolgen sollen; wegen der Energiekrise beschloss die Bundesregierung aber
       eine Verschiebung der Abschaltung um dreieinhalb Monate.
       
       Die FDP hatte schon damals für eine noch längere Laufzeit plädiert und
       sieht den bevorstehenden Atomausstieg auch heute kritisch. „Die Abschaltung
       der weltweit modernsten und sichersten Atomkraftwerke in Deutschland ist
       ein dramatischer Irrtum, der für uns noch schmerzhafte ökonomische und
       ökologische Konsequenzen haben wird“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki den
       Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch.
       
       Auch der Wirtschaftsrat der CDU erwartet negative Folgen. „Die Abschaltung
       der Kernkraftwerke am kommenden Samstag ist eine große Gefahr für den
       Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte die Präsidentin des CDU-nahen
       Unternehmensverbands, Astrid Hamker, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks
       Deutschland.
       
       ## „Eine ökonomisch unkluge Entscheidung“
       
       „Bei hohen Inflationsraten das Angebot auf dem Energiemarkt zu verknappen,
       ist eine ökonomisch unkluge Entscheidung“, argumentierte Hamker. „Solange
       die Wirtschaft unter hohen Teuerungsraten leidet, müssen alle Kraftwerke
       ans Netz.“
       
       Der Vorstand des Mittelstandsverbands BVMW, Markus Jerger, sagte den
       Zeitungen der Funke Mediengruppe, Deutschlands gehöre „zu den ganz wenigen
       Nationen in der Welt, die aussteigen, während andere Länder teilweise
       massiv in die Atomkraft investieren. Da stellt sich die Frage, warum wir
       gegen jedes Kalkül handeln.“ Auch Jerger beklagte die hohen Energiepreise.
       
       Die FDP-Bundestagsfraktion hatte kürzlich vorgeschlagen, die Atomkraftwerke
       zumindest noch rund ein Jahr betriebsbereit zu halten, so dass sie wieder
       hochgefahren werden könnten. Die für nukleare Sicherheit zuständige
       Ministerin Lemke wies dies zurück. Es handele sich im Grunde um einen
       Vorschlag, „der zum Gesetzesbruch aufruft, denn die Betreiber dürfen die
       Atomkraftwerke in keinem Reservebetrieb halten“, sagte sie im
       Deutschlandfunk. „Das sagt das Atomgesetz sehr klar.“
       
       ## Neue Brennstäbe, neuer Atommüll
       
       Zudem wären für einen solchen Reservebetrieb neue Brennstäbe nötig, sagte
       Lemke. „Das würde neuen hochradioaktiven Müll nach sich ziehen. Wir haben
       in Deutschland bisher noch immer kein Endlager für hochradioaktiven Müll“,
       betonte die Ministerin. „Und die Menschen, die am Ende des Tages mit einem
       solchen Endlager werden leben müssen, müssen darauf vertrauen können, dass
       dort nicht immer mehr und mehr hochradioaktiver Müll eingelagert wird.“
       
       Der Chef von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sieht den Atomausstieg
       als Chance. „Mit dem Aus von Atomkraft werden wir jetzt einen richtigen
       Booster erleben für die erneuerbaren Energien“, sagt er in der
       RTL/ntv-Sendung „Frühstart“.
       
       Rein technisch hätten die Atomkraftwerke aus Sicht des TÜV noch einige
       Jahre länger laufen können. „Die Anlagen befinden sich in einem sehr guten
       Zustand“, sagte der Geschäftsführer des TÜV-Verbands, Joachim Bühler, der
       Bild-Zeitung. Sie zählten „zu den sichersten Kraftwerken der Welt“ und
       hätten „bis Ende des Jahrzehnts sicher weiterlaufen können“.
       
       Der Betreiber des Kernkraftwerks Emsland in Lingen will indes an dem
       Abschalttermin am Samstag festhalten. „Der Ausstieg aus der Kernenergie ist
       eine politische Entscheidung. Entsprechend den gesetzlichen Regelungen
       werden wir das Kernkraftwerk Emsland am 15.4. vom Netz nehmen“, sagte am
       Mittwoch ein Sprecher des Essener Energiekonzerns RWE angesichts der
       Debatte wenige Tage vor dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke in
       Deutschland.
       
       Der eigentliche Rückbau des 1988 ans Netz gegangenen Kraftwerks im Emsland
       werde nach der Rückbaugenehmigung beginnen, die das niedersächsische
       Umweltministerium erteilen muss, sagte der RWE-Sprecher. Der Antrag dafür
       sei bereits 2016 eingereicht worden.
       
       12 Apr 2023
       
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