# taz.de -- Syrien wieder Teil der Arabischen Liga: Ist der Krieg in Syrien vorbei?
       
       > Offene Kämpfe gibt es nur noch vereinzelt, doch eine Lösung des Konflikts
       > liegt in weiter Ferne. Zentrale territoriale Fragen sind weiter
       > ungeklärt.
       
 (IMG) Bild: Syrien wird unter dem brutalen Machthaber Assad wieder in die Arabische Liga aufgenommen
       
       BERLIN taz | Im Wortsinn, aber auch politisch hat Baschar al-Assad ihn
       überlebt: den Aufstand gegen sein Regime sowie den jahrelangen Krieg, der
       2011 mit der Niederschlagung von Protesten seinen Anfang nahm. Die Rückkehr
       Syriens in die [1][Arabische Liga] war zuletzt nur eine Frage der Zeit. Sie
       erfolgt vor dem Hintergrund, dass offene Kriegshandlungen weitgehend der
       Vergangenheit angehören – was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen darf,
       dass das Land alles andere als versöhnt ist, dass territoriale Fragen
       ungeklärt bleiben und die Lebensbedingungen vor allem in Nordsyrien
       katastrophal sind.
       
       Zwölf Jahre nach Beginn des [2][Aufstands gegen Assad] normalisieren die
       Araber ihre Beziehungen, ohne darauf zu drängen, dass die Führung in
       Damaskus für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird. Die Liste ist
       lang: In den syrischen Gefängnissen wurde und wird gefoltert, in vielen
       Fällen bis zum Tod. Von mehr als 100.000 Menschen, die seit 2011 Opfer von
       „erzwungenem Verschwinden“ geworden sind, fehlt weiterhin jede Spur. Die
       Mehrheit sei vom Regime verschleppt worden, was ein Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit darstelle, [3][schreibt] das Syrian Network for Human
       Rights.
       
       Das Regime setzte zudem Fassbomben ein. Und noch vor wenigen Monaten
       [4][berichtete] Human Rights Watch, dass die syrisch-russische
       Militärallianz mit verbotener Streumunition vier Vertriebenenlager angriff.
       Laut UN-Menschenrechtsrat wurden in insgesamt 38 Fällen sogar Chemiewaffen
       eingesetzt, in 32 Fällen reichen die Beweise demnach, um sie dem Regime
       zuzuschreiben. An all diesen Verbrechen ändert nichts, dass sich auch
       etliche andere syrische und ausländische Akteure die Hände mit Blut
       befleckt haben.
       
       Doch nicht nur das: Die Araber normalisieren ihre Beziehungen zum
       Assad-Regime, auch ohne bislang Auflagen für eine Konfliktlösung hin zu
       einem echten Frieden gemacht zu haben. Die Führung, die heute in Damaskus
       an der Macht ist, ist die gleiche wie jene, die schon vor 2011 mit
       Überwachung, Angst und Repression regierte und die ab 2011 dann den Krieg
       gegen die eigene Bevölkerung in einem nie dagewesenen Maße eskalierte.
       Nicht nur ist weiterhin Assad als Präsident an der Macht, auch nennenswerte
       Reformen etwa des Justiz- oder Geheimdienstapparats sind ausgeblieben.
       
       Seit mehreren Jahren herrschen Assad und seine Leute bereits wieder über
       rund zwei Drittel Syriens, nachdem das Regime – ab 2015 maßgeblich
       unterstützt durch die russische Luftwaffe – das Land nach und nach
       zurückeroberte. Die Regimegebiete sind heute „gesäubert“ von Kräften, die
       sich mit der Unrechtsherrschaft nicht abfinden wollen.
       
       Die Opposition befindet sich entweder unter den eine halbe Million Toten
       oder unter den mehr als 7 Millionen Syrer*innen, die ins Ausland vertrieben
       wurden. Die restlichen Aufständischen haben sich in Syriens Norden
       gesammelt, den Assad nicht zurückerobern konnte.
       
       Dort bleiben grundlegende Territorialfragen völlig ungeklärt und mit der
       Zeit verfestigen sich politische und militärische Strukturen, welche die
       Region auf Dauer prägen werden. Im Nordosten herrschen kurdisch-syrische
       Kräfte, im Nordwesten übt die Türkei über arabisch-sunnitische Milizen
       Kontrolle aus. In der Provinz Idlib hat die islamistische
       Tahrir-al-Scham-Miliz (HTS) das Sagen. Die nicht vom Regime beherrschten
       Gegenden werfen schwierige politische und völkerrechtliche Fragen auf,
       gleichzeitig ermöglichen sie Millionen von Menschen ein Leben, ohne den
       Damaszener Staatsterror fürchten zu müssen.
       
       Fast 3 Millionen Binnenvertriebene 
       
       Allein in den Nicht-Regime-Gebieten im Nordwesten leben laut UNO rund 4
       Millionen Menschen, davon fast 3 Millionen Binnenvertriebene, von denen ein
       [5][Großteil in Lagern] lebt. Rund 80 Prozent in den Lagern sind Frauen und
       Kinder. Während sich die Kurden im Nordosten eine Art autonome Region
       aufgebaut haben und mittelfristig auch eine Verständigung mit dem
       Assad-Regime denkbar ist, ist der Konflikt im Nordwesten eingefroren.
       
       9 May 2023
       
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 (DIR) [4] https://www.hrw.org/news/2022/11/23/syria-cluster-munitions-used-november-6-attacks
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